Leitsatz

Die Einziehung der nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldeten Steuer ist unbillig, nachdem der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist, so dass die Gefährdung des Steueraufkommens vollständig beseitigt ist

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb bis Ende 1991 ein Versandlager und einen Großhandel mit Getränken und Elektrogeräten. Im Rahmen einer Prüfung durch die Steuerfahndung war in den Unterlagen des Klägers eine Rechnung vom 20.7.1990 an eine Firma E., mit der regelmäßige Geschäftskontakte bestanden, über 902.277,24 DM aufgefunden worden. Der Beleg enthielt den Namen des Leistenden, den Namen des Leistungsempfängers, die Menge und Bezeichnung der gelieferten Gegenstände sowie das Entgelt und den Steuerbetrag. In dem Beleg waren 110.623,54 DM Umsatzsteuer offen ausgewiesen, die auch korrekt festgesetzt wurde. Mit der am 1.9.1997 beim Finanzamt eingehenden Umsatzsteuererklärung für 1996 wurde die o.g. Rechnung berichtigt, die USt vom FA mit separatem Bescheid v. 2.10.1997 jedoch ohne Berücksichtigung der berichtigten Rechnung festgesetzt. Gegen die Nichtberücksichtigung setzt sich der Kläger durch Einspruch zur Wehr und fordert die Umsatzsteuer im Billigkeitswege zu erlassen. Dem wurde seitens des Finanzamtes nicht stattgegeben, weil u.a. der vorliegende Sachverhalt durch die Steuerfahndung bekannt geworden ist und nicht durch die Mithilfe des Klägers. Damit seien die Voraussetzungen für einen Erlass der Steuer aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht gegeben. Gegen die Ablehnung des Erlasses hat der Kläger mit Schreiben vom 16.7.1999 Klage erhoben. Da der Beklagte der Sprungklage nicht zugestimmt hat, wurde die Klage gemäß § 45 Abs. 3 FGO als Einspruch behandelt und an das Finanzamt abgegeben. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung datiert auf den 1.2.2000. Die Finanzverwaltung hat im Rahmen des Klageverfahrens bestätigt, dass die Vorsteuer beim Empfänger der streitgegenständlichen Rechnungspapiers letztendlich nicht geflossen und somit die Steuerneutralität gewahrt sei.

 

Entscheidung

Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, die Umsatzsteuer in Höhe von 110.623,54 DM zu erlassen. Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er … eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 UStG). Im Streitfall ist unstreitig die letztgenannte Alternative erfüllt. Der Kläger schuldete die in der Rechnung vom 20.7.1990 gestellte Steuer nach § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG, da die in dem Beleg genannten Lieferungen tatsächlich nie ausgeführt worden sind. Allerdings können nach § 227 Abs. 1 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Der auf die Sechste EG-Richtlinie zurückgehende § 14 Abs. 3 UStG und unter Zugrundelegung der Rspr. des EuGH verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass, wenn der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht werden darf. Eine solche Berichtigungsmöglichkeit darf auch nicht im Ermessen der Finanzverwaltung stehen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist. Im Streitfall ist die Gefährdung des Steueraufkommens vollständig beseitigt, da der von der Firma E. geltend gemachte Vorsteuerabzug durch die Betriebsprüfung bzw. das Wohnsitzfinanzamt der Firma E. korrigiert und damit rückgängig gemacht worden ist. Die Berichtigung der Steuer kann im Billigkeitsverfahren gemäß § 227 AO erfolgen, da - wie im Streitfall - die unrichtige Rechnung erst später als im Jahr (Besteuerungszeitraum) der Rechnungsausgabe berichtigt wurde.

 

Hinweis

Damit zeigt sich wieder einmal, wie stark das deutsche UStG vom Gemeinschaftsrecht nach der EG-Richtlinie tangiert wird.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 10.03.2003, 3 K 306/00

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