Auch ein formunwirksames Vermächtnis kann erbschaftsteuerlich berücksichtigt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Vermächtnis vom Erblasser angeordnet wurde und dass die beschwerte Person dem Bedachten den zugewandten Vermächtnisgegenstand auch tatsächlich überträgt und dadurch den Willen des Erblassers vollzieht.[1]

 
Praxis-Beispiel

Formunwirksame Vermächtnisse

Vater V erleidet einen Unfall, an dessen Folgen er am 15.9.2019 verstirbt. Kurz vor seinem Tod äußert er vor seinem Erben, dem Sohn S den Willen, dass seine Freundin F seine zu fremden Wohnzwecken vermietete Eigentumswohnung erhalten soll. Wenige Zeit nach dem Tod überträgt Erbe S die Eigentumswohnung auf die F. Die Wohnung hat einen Steuerwert i. H. v. 150.000 EUR.

Lösung

Der V hat zwar ein formunwirksames Vermächtnis abgegeben, dies ist aber erbschaftsteuerlich anzuerkennen.[2] Denn die Beteiligten (Erbe E und Freundin F) haben den letzten Willen von V entsprechend durchgeführt.

Für F ergibt sich die folgende Besteuerung

Für die zu Wohnzwecken vermietete Eigentumswohnung ist ein Verschonungsabschlag von 10 % zu gewähren.[3] Diese geht somit mit einem Wert i. H. v. 135.000 EUR in die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage von F ein.

 
Vermächtnis (nach Anwendung durch § 13d ErbStG) 135.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[4] ./. 20.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 115.000 EUR
Erbschaftsteuer[5] 34.500 EUR

F hat somit Erbschaftsteuer i. H. v. 34.500 EUR zu entrichten.

S kann dagegen das Vermächtnis bei seinem Erwerb abziehen. Hierbei sind dann aber auch die Änderungen durch das Jahressteuergesetz zu beachten.[6]

Hinsichtlich der Entstehung der Erbschaftsteuer bei Erfüllung eines formunwirksamen Verschaffungsvermächtnisses gilt Folgendes.

Anerkennen und beachten der Belastete und der Begünstigte den Willen des Erblassers und führen sie dessen formunwirksam angeordnetes Verschaffungsvermächtnis aus, dann entsteht die Erbschaftsteuer nicht (auch nicht rückwirkend) mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung des Vermächtnisses.[7]

[1] H E 3.2 ErbStH 2019.
[2] Auch ein mündliches Vermächtnis ist anzuerkennen (FG München, Urteil v. 12.2.1992, UVR S. 216).
[3] § 13d Abs. 1 ErbStG und R E 13d ErbStR 2019 und H 13d ErbStH 2019.
[6] S. hierzu Gleichlautende Ländererlasse v. 13.9.2021, S 3700, BStBl. 2021 I S. 1837.

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