Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorweg abziehbare Werbungskosten und Kölner Modell

 

Leitsatz (NV)

Teilnehmer am sog. Kölner Modell sind Erwerber der Eigentumswohnung, deren ,,Bauherren" sie nach den Angaben der Initiatoren sein sollen. Zu den Herstellungskosten gehören nicht nur die sog. substanzschaffenden Kosten.

 

Normenkette

EStG §§ 4-6, 9, 21; AO 1977 § 26 Abs. 2, §§ 127, 367 Abs. 1 S. 2; FGO § 135 Abs. 1-2, § 137 S. 1

 

Tatbestand

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Steuerberater. Er beteiligte sich an einem nach dem sog. Kölner Modell konzipierten Projekt, dessen Ziel die Errichtung von rd. 170 Eigentumswohnungen in . . . war. Die Baubetreuung lag bei der Firma A-KG.Noch vor dem Beitritt des Klägers hatte die A-KG bei dem für sie zuständigen Betriebsfinanzamt B mit Schreiben ihres steuerlichen Beraters C vom 9. Oktober 1972 beantragt, die Bauherreneigenschaft und einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 32 v. H. der Gesamtaufwendungen je Wohneinheit anzuerkennen. Zur Glaubhaftmachung der voraussichtlichen Werbungskosten hatte die A-KG Kalkulationsunterlagen vorgelegt, aus denen sich bei den geplanten Gesamtkosten für eine Wohneinheit der geltend gemachte Werbungskosten-anteil ergeben sollte.

Das Finanzamt B sah daraufhin in einem an die A-KG gerichteten Schreiben vom 17. November 1972 die Voraussetzungen für die Bejahung der Bauherreneigenschaft der an dem Projekt Beteiligten als erfüllt und voraussichtliche Werbungskosten in bestimmter Höhe als glaubhaft gemacht an. Der letzte Satz des zuvor genannten Schreibens lautete: ,,Hiermit ist eine endgültige und bindende Entscheidung über die im Einzelfall entstehenden und ggf. tatsächlich entstandenen Herstellungs- und Werbungskosten nicht getroffen."

Am 25. November 1972 schloß der Kläger über zwei von ihm als ,,Bauherr" zu errichtende Eigentumswohnungen mit der A-KG einen vordruckmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag ab. Danach verpflichtete sich die A-KG, als Vertreterin des Klägers alle Aufgaben wahrzunehmen, die dem Kläger als Bauherrn oblagen. Auftrag und Vollmacht erteilte der Kläger der A-KG für die Zeit bis zum Ablauf des fünften auf die Bezugsfertigkeit der Wohnungen folgenden Kalenderjahres. Außerdem wurde vereinbart, daß die A-KG auf Wunsch des Bauherrn die Eigentumswohnungen nach Ablauf von fünf Jahren seit Bezugsfertigkeit zu einem Kaufpreis von 140 v. H. des im jeweils gültigen Hauptprospekt vorgesehenen Eigenkapitals zuzüglich Übernahme der Restschuld aus aufgenommenen Fremdmitteln veräußern sollte. Als Gesamtkosten wurde im Vertrag ein Preis von 104 530 DM je Eigentumswohnung festgelegt.

Die Wohnungen wurden im Dezember 1974 bezugsfertig und vom Kläger ab 1. Februar 1975 vermietet.

In den nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Einkommensteuer-Bescheiden für 1972 und 1973 berücksichtigte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) entsprechend den Steuererklärungen des Klägers Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung für die Eigentumswohnungen.

Im Anschluß an eine Außenprüfung rechnete das FA die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen größtenteils den Herstellungskosten zu und minderte in Änderungsbescheiden die negativen Einkünfte des Klägers aus den Wohnungen entsprechend.

Der Einspruch blieb im wesentlichen ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung vom 18. August 1981 erging durch das FA, obwohl der Wohnsitz des Klägers sich im Bezirk des Finanzamts B befand und der Kläger auch seine bisherige freiberufliche Tätigkeit seit dem 1. Januar 1981 nicht mehr im Bezirk des FA ausübte und dies den beiden Finanzämtern auch mitgeteilt hatte. Diese haben im August 1981 eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 26 der Abgabenordnung (AO 1977) getroffen, wonach das FA das Rechtsbehelfsverfahren des Klägers zum Abschluß bringen sollte.

Das Finanzgericht (FG) änderte die Einspruchsentscheidung vom 18. August 1981, indem es die Einkommensteuer 1972 auf 7 468 DM und die Einkommensteuer 1973 auf 9 948 DM festsetzte und die Klage im übrigen abwies.

Kläger und FA haben gegen das finanzgerichtliche Urteil Revision eingelegt.

Der Kläger trägt u. a. vor, die Zuständigkeitsvereinbarung zwischen dem FA und dem Finanzamt B sei nicht rechtswirksam zustandegekommen und die Einspruchsentscheidung daher von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Die Einspruchsentscheidung sei gemäß § 127 AO 1977 aufzuheben, da die Möglichkeit bestanden habe, daß das zuständige Finanzamt eine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte. Bereits die Auslegung des Schreibens vom 17. November 1972 und damit die Entscheidung über eine Bindung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben sei eine Ermessensentscheidung. Das gelte außerdem überhaupt für die Anwendung der sog. Bauherrenerlasse und die Angemessenheitsprüfung der Werbungskostenpositionen. Das FG habe insoweit nicht selbst eine Ermessensentscheidung fällen dürfen. Um die Interessen des Klägers zu wahren, hätte ein Zuständigkeitswechsel vorgenommen werden müssen. Die Zuständigkeitsvereinbarung sei ohne seine Zustimmung vorgenommen worden. Außerdem sei er von der Fortführung des Verfahrens entgegen dem AO-Einführungsschreiben vom 1. Oktober 1976 nicht benachrichtigt worden.

Hilfsweise rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 4, 5, 6, 9, 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG - und Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -). Der Werbungskostenbegriff sei positiv rechtlich geregelt, der Herstellungskostenbegriff dagegen nicht. Dementsprechend sei dieser durch den Werbungskostenbegriff begrenzt und eng auszulegen. Herstellungskosten seien nur sog. substanzschaffende Kosten. Alle Aufwendungen, die nicht zwangsläufig und nicht substantiell seien, seien Werbungskosten. Eine Angemessenheitsprüfung der Werbungskosten sei unzulässig.

Hinsichtlich der Vermittlungsleistung der A-KG stehe dem Kläger ein Provisionsrückforderungsrecht zu. Da die A-KG aber in Konkurs gegangen sei, seien die aufgewendeten Beträge endgültig verloren; sie seien aber Werbungskosten geblieben.

Das FA sei im übrigen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an die Zusage im Schreiben vom 17. November 1972 gebunden.

Auch eine Angemessenheitsprüfung der Vermietungsgarantiegebühr sei unzulässig.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 18. August 1981 aufzuheben, damit das Finanzamt B über den Einspruch entscheiden kann, hilfsweise die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1972 auf 3 310 DM und die Einkommensteuer für das Jahr 1973 auf 5 290 DM festzusetzen.

Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage.

Das FA erließ unter dem Datum vom 25. August 1987 für die Jahre 1972 und 1973 geänderte Bescheide, in denen es u. a. die sonstigen Einkünfte dem Antrag des Klägers entsprechend behandelte. Der Kläger machte die Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens und erklärte, daß die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes durch die Bescheide nicht berührt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und infolgedessen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zutreffend hat das FG das Vorliegen einer bindenden Auskunft (Zusage) verneint.

Das die Regelung der Vorauszahlungen betreffende Schreiben des Finanzamts B vom 17. November 1972 besagt ausdrücklich, daß damit keine endgültige und bindende Entscheidung über die im Einzelfall entstehenden und ggf. tatsächlich entstandenen Herstellungs- und Werbungskosten getroffen werde. Es enthält nach seinem klaren Wortlaut keine Zusage (Auskunft) über die Behandlung der Aufwendungen bei der Steuerfestsetzung. Damit bedarf es auch keines Eingehens auf die rechtlichen Folgerungen des Klägers, die eine Zusage voraussetzen.

2. Die Auffassung des Klägers, die Einspruchsentscheidung sei aufzuheben, weil sie von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei und die Möglichkeit bestanden habe, daß vom zuständigen Finanzamt eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können, greift nicht durch.

Nach § 367 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO 1977 bleibt § 26 Abs. 2 AO 1977 unberührt, d. h., die bisher zuständige Finanzbehörde kann ein Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimmt.

Nach § 127 AO 1977 kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustandegekommen ist.

Der Kläger behauptet zwar, es habe die Möglichkeit bestanden, daß das zuständige Finanzamt eine andere Entscheidung getroffen hätte; er hat aber nicht dargelegt, bezüglich welcher Tatsachen das zuständige Finanzamt eine andere Entscheidung (Ermessensentscheidung) hätte treffen können (§ 127 AO 1977; vgl. dazu Förster in Koch, Abgabenordnung, 3. Aufl. 1986, § 127 Rz. 5; Kühn / Kutter /Hofmann, Abgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., 1987, § 127 AO 1977 Anm. 4; Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 127 AO 1977 Tz. 9; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 127 Anm. 8, 9).

3. Die Revision des Klägers hat auch in der Sache selbst keinen Erfolg.

Das FG ist zwar entgegen den Grundsätzen des Senatsurteils vom 14. November 1989 IX R 197/84 (BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299) davon ausgegangen, der Kläger sei Bauherr gewesen. Das FG hat aber im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen (Provision für die Vermittlung einer Dauerfinanzierung, Gebühren für die wirtschaftliche Betreuung, Ausfallbürgschaftsprovision, Gebührenanteil für die Bautenstandsberichte, Steuerberatungsgebühr, unangemessene Höhe der Mietsummengarantie, Gebühren für die nichterbrachte Wohnungs- und Mietverwaltung) selbst dann keine sofort abziehbaren Werbungskosten wären, sondern Herstellungskosten sind, wenn der Kläger Bauherr gewesen wäre. Die Begründungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Das gilt auch für die Ausführungen, mit denen es das FG abgelehnt hat, der Auffassung des Klägers zum sog. substanzschaffenden Herstellungskostenbegriff zu folgen.

Unter diesen Umständen bedarf es keines Eingehens darauf, welche Folgerungen aus der Weiterverkaufsklausel im Vertragswerk zu ziehen sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. März 1987 IX R 111/86, BFHE 150, 7, BStBl II 1987, 668, und IX R 112/83, BFHE 150, 325, BStBl II 1987, 774).

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Wie der Senat im Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84 ausgeführt hat, gehören bei der Errichtung von Gebäuden im Bauherrenmodell alle an die Anbieterseite geleisteten Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks und mit dem bezugsfertigen Gebäude stehen, regelmäßig zu den Anschaffungskosten. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84. Diese Grundsätze gelten auch für die Vertragsvermittlungsgebühr, die von der A-KG erhoben und an die D, die das Modell vermittelt hatte, weitergeleitet wurde und die das FG zu Unrecht zu 40 v. H. dem Bereich der sofort abziehbaren Werbungskosten zugeordnet hat (1 392 DM je Wohnung). Ebenfalls nicht abziehbar sind die Gebühren für die wirtschaftliche Betreuung, die das FG im Unterschied zum FA ausschließlich dem Jahr der Zahlung zugeordnet hat. Das FA hat in den gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Bescheiden in der Bemessungsgrundlage u. a. Beträge für die wirtschaftliche Betreuung als Werbungskosten (im Jahre 1972 den Betrag von 42 DM, im Jahre 1973 den Betrag von 1 025 DM) und die außer Streit gestellten Beträge der sonstigen Einkünfte (im Jahre 1972 in Höhe von 9 207 DM und im Jahre 1973 in Höhe von 19 445 DM) berücksichtigt. Es hat insgesamt in weit größerem Umfange Aufwendungen als sofort abziehbare Werbungskosten zum Abzug zugelassen, als zu berücksichtigen waren. Einer Änderung zu Lasten des Klägers steht das Verböserungsverbot entgegen.

Demgemäß verbleibt es bei dem Ergebnis der Einspruchsentscheidung des FA vom 18. August 1981 in der Gestalt der geänderten Bescheide vom 25. August 1987.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416912

BFH/NV 1990, 431

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