Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen Billigkeitsentscheidung betreffend Aussetzungszinsen

 

Leitsatz (NV)

Gegen Billigkeitsentscheidungen nach § 237 Abs. 4 AO 1977 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO 1977 ist die Beschwerde gegeben (Anschluß an BFH, Urteile vom 20. November 1987 VI R 140/84 BFHE 152, 310, BStBl II 1988, 402, und vom 19. Dezember 1989 VIII R 8/88 BFH/NV 1991, 1). Hat das FA über die Beschwerde durch Einspruchsentscheidung befunden, so ist diese insoweit aufzuheben.

 

Normenkette

AO 1977 § 237 Abs. 4, § 234 Abs. 2, § 348 Abs. 1 Nrn. 2, 10

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrte im zweiten Rechtsgang vor dem Finanzgericht (FG) weitgehend erfolglos die Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Streitjahre waren die Jahre 1961 bis 1965.

Für die umstrittenen Steuerbeträge der Jahre 1963 bis 1965 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Aussetzung der Vollziehung gewährt. Nach Rechtskraft der Entscheidung des FG erließ das FA 1983 einen Bescheid über die Verzinsung der ausgesetzten Beträge. Mit dem dagegen erhobenen Einspruch beantragte der Kläger u. a., Zinsen in Höhe von . . . DM gemäß §§ 237 Abs. 4, 234 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) aus Billigkeitsgründen nicht zu erheben. Er habe aus den Einkommensteuerveranlagungen 1967 bis 1970 hohe Steuererstattungen erhalten, die nicht zu seinen Gunsten verzinst worden seien. Das FA lehnte den Billigkeitserlaß ab. Den dagegen eingelegten Rechtsbehelf wies es mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1984 zurück. Die hiergegen erhobene Klage hat das FG mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 271 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung; zugleich ist die Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als das FA den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der begehrten Billigkeitsmaßnahme nach § 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO 1977 rechtsfehlerhaft als Einspruch behandelt hat.

1. Der Senat legt das Begehren des Klägers dahin aus, daß er im Revisionsverfahren - ebenso wie bereits im Klageverfahren - nur noch die Verpflichtung des FA zum teilweisen Erlaß der Aussetzungszinsen anstrebt. Zwar hatte er vor dem FG die vollständige Aufhebung des Zinsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt und diesen Anfechtungsantrag im Revisionsverfahren - eingeschränkt auf eine Herabsetzung des Zinsbetrags - weiterverfolgt; jedoch läßt sich sowohl aus seinem Klagevorbringen als auch aus seiner Revisionsbegründung entnehmen, daß Gegenstand des Verfahrens lediglich noch der begehrte Billigkeitserlaß sein soll; denn der Kläger beruft sich gegenüber dem strittigen Teil der Aussetzungszinsen nicht auf einen Rechtsfehler des FA, sondern auf Billigkeitsgesichtspunkte.

2. Nach § 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 2 AO 1977 kann auf Aussetzungszinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 20. November 1987 VI R 140/84 (BFHE 152, 310, BStBl II 1988, 402) entschieden hat, ist gegen Billigkeitsentscheidungen nach den vorstehenden Vorschriften die Beschwerde gegeben (ebenso BFH-Urteil vom 19. Dezember 1989 VIII R 8/88, BFH/NV 1991, 1, für den Erlaß von Stundungszinsen).

Das Vorbringen des Klägers in seinem Einspruchsschreiben, ein Teil der Aussetzungszinsen dürfe aus Billigkeitsgründen nicht erhoben werden, muß als Beschwerde gegen den abgelehnten Billigkeitserlaß verstanden werden. Über diese Beschwerde hätte das FA nicht durch Einspruchsentscheidung befinden dürfen. Diese war deshalb insoweit aufzuheben.

Das FA wird die Beschwerde, falls es ihr nicht abhilft, der Oberfinanzdirektion zur Entscheidung vorzulegen haben (§ 368 AO 1977).

3. Die Revision ist hingegen insoweit unbegründet, als der Kläger begehrt, das FA zum teilweisen Erlaß der Aussetzungszinsen zu verpflichten. Es fehlt an der für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzung nach § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), daß das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417632

BFH/NV 1991, 503

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge