Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermächtniserfüllung kein Anschaffungsgeschäft

 

Leitsatz (NV)

Die Belastung des Erben mit einem Vermächtnis führt nicht zu Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Nachlasses. Die Erfüllung des Vermächtnisses ist kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft (Anschluß an die neuere Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG §§ 7, 9, 21

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Jahre 1985 verstorbenen Vaters. Zum Nachlaß gehörte ein bebautes Grundstück. Der letztwilligen Verfügung des Erblassers entsprechend zahlte die Klägerin je 16 000 DM an ihre drei Geschwister.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück lediglich die Absetzungen für Abnutzung (AfA), die dem Erblasser zugestanden hatten; auf die Abfindungszahlungen an die Geschwister ließ das FA keine AfA zu.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage mit der Begründung statt, die Klägerin könne als Alleinerbin neben den ihrem Vater zustehenden AfA, AfA auf die Abfindungszahlungen an die Geschwister beanspruchen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat sich zu der Revision nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat der Klägerin zu Unrecht die zusätzlich begehrten AfA gewährt. Die Beträge, die die Klägerin an ihre Geschwister gezahlt hat, sind keine Anschaffungskosten.

Die Belastung des Erben mit einem Vermächtnis führt nicht zu Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Nachlasses (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392). Die Erfüllung des Vermächtnisses berührt nicht die bereits durch den Erbfall bewirkte Zuordnung des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums an den Nachlaßgegenständen; sie stellt daher kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft, sondern die Begleichung einer durch den Erbfall bedingten Nachlaßverbindlichkeit dar (Senatsurteile vom 28. April 1992 IX R 178/88, BFH/NV 1992, 658; vom 30. August 1994 IX R 2/91, BFH/NV 1995, 291).

Als Alleinerbin war die Klägerin bereits mit dem Erbfall Alleineigentümerin des Grundstücks geworden (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Mithin können die von der Klägerin aufgrund der letztwilligen Verfügung ihres Vaters an ihre Geschwister gezahlten Beträge nicht als Anschaffungskosten des Hausgrundstücks beurteilt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65048

BFH/NV 1995, 959

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