Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung bei falscher Auskunft eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (NV)

Die Unterlassung der Steuerzahlung durch den Geschäftsführer einer GmbH im Vertrauen auf den Rat eines Rechtsanwalts ist allenfalls dann entschuldigt, wenn der Geschäftsführer den Rechtsanwalt über den Sachverhalt voll und zutreffend in Kenntnis gesetzt und daraufhin die unmißverständliche Auskunft erhalten hat, er habe steuerliche Pflichten im Hinblick auf die betr. Steuern nicht zu erfüllen.

 

Normenkette

AO 1977 § 69

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger war Geschäftsführer der italienischen Firma M. Diese nahm 1980 ihre Geschäftstätigkeit in einer deutschen Stadt auf und verpflichtete sich vertraglich, mit ihren italienischen Arbeitnehmern für ein deutsches Bauunternehmen als Subunternehmer Verputzarbeiten auszuführen. Der Kläger war von Oktober 1980 bis Ende 1981 als ständiger Vertreter der Firma M in Deutschland tätig und verhandelte mit den deutschen Baufirmen. Die Arbeitnehmer waren nach den Angaben des Klägers zum Teil auch in Italien beschäftigt. Nach einer Bescheinigung des Finanzdirektors des italienischen Finanzamts war die Firma beim dortigen FA steuerlich erfaßt. Sie hatte für das Jahr 1980 eine Erklärung abgegeben, in der die Löhne ihrer Arbeitnehmer von Oktober bis Dezember als nicht steuerpflichtig behandelt wurden. Für das Jahr 1981 hat der Kläger dort eine Erklärung abgegeben, in der Löhne der Arbeitnehmer in relativ geringer Höhe erklärt worden sind. Im Dezember 1981 stellte die Firma M ihren Geschäftsbetrieb ein. Sie wurde 1982 liquidiert und ist seit Oktober 1982 im Handelsregister gelöscht. Ein Liquidator wurde nicht bestellt. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung ermittelte der Prüfer, ausgehend von den vorhandenen Arbeitnehmerlisten, der Zahl der Arbeitsstunden und den Angaben, die die Arbeitnehmer selbst zur Höhe ihrer Löhne gemacht hatten, die Lohnsteuer und die Kirchenlohnsteuer durch Einzelberechnung nach § 39b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei berücksichtigte er, daß die Arbeitnehmer zum Teil bereits im Wege von Einkommensteuerveranlagungen selbst ihre Arbeitslöhne versteuert hatten und rechnete die bereits bezahlten Steuern an. Es ergaben sich Nachforderungsbeträge. Das FA nahm mit Haftungsbescheid vom 14. April 1983 den Kläger als ehemaligen Geschäftsführer der Firma M für die rückständigen Lohn- und Kirchenlohnsteuern nach §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und beantragte im FA die Aussetzung der Vollziehung. Das FA lehnte mit Bescheid vom 13. September 1983 die Aussetzung ab. Beschwerde und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids vom 14. April 1983 nicht vorgelegen haben. Der Senat verweist auf die Gründe der Vorentscheidung und macht sie sich zu eigen. Die Einwendungen des Klägers in seiner Revisionsbegründung halten einer näheren Prüfung nicht stand.

Es bedarf im vorliegenden Fall keines allgemeinen Eingehens auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Vertrauen in eine unrichtige Auskunft eines Rechtsanwalts ein Verschulden i.S. des § 69 AO 1977 auszuschließen geeignet ist. Bei der Intensität der wirtschaftlichen Tätigkeit der vom Kläger vertretenen Firma M läge jedenfalls ein Entschuldigungsgrund für den Kläger allenfalls dann vor, wenn der Kläger den Rechtsanwalt über den Sachverhalt vollständig und zutreffend in Kenntnis gesetzt und daraufhin die unmißverständliche Auskunft erhalten hätte, er habe steuerliche Pflichten im Hinblick auf die hier in Frage stehenden Steuern nicht zu erfüllen. Da das hier vorliegende Klageverfahren ein summarisches Verfahren ist, in dem nur präsente Beweismittel zugelassen und Beweiserhebungen im Regelfall ausgeschlossen sind, wäre es Sache des Klägers gewesen, entsprechende Tatsachen glaubhaft zu machen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538, 540). Der Kläger hat jedoch, wie sich aus dem Tatbestand der Vorentscheidung ergibt, lediglich in allgemeiner Form vorgetragen, er habe im Dezember 1980 einen Rechtsanwalt befragt, der ihn dahingehend beraten habe, daß er keine Steuern in der Bundesrepublik Deutschland zu entrichten habe. Damit kann aber nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden, daß der vom Kläger konsultierte Rechtsanwalt ihm eine (unrichtige) Auskunft über seine steuerlichen Pflichten unter Umständen erteilt hat, die ein Verschulden i.S. des § 69 AO 1977 ausschließt. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG auch nicht seine amtliche Ermittlungspflicht in diesem Zusammenhang verletzt, da im summarischen Verfahren nicht präsente Beweismittel ausgeschlossen sind (§ 155 FGO i.V.m. § 294 der Zivilprozeßordnung).

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG in diesem summarischen Verfahren der Frage nicht weiter nachgegangen ist, warum der Kläger, nachdem er sich Anfang 1982 durch einen Steuerberater hatte beraten lassen, keine Lohnsteuernachmeldung für 1980 und 1981 abgegeben hat. Der Haftungstatbestand des § 69 AO 1977 war bereits vorher erfüllt. Durch spätere Handlungen des Klägers konnte der Haftungseintritt nicht ungeschehen gemacht werden. Auch für die Frage, ob der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig i.S. des § 69 AO 1977 gehandelt hat, war seine Handlungsweise im Jahre 1982 ohne Belang. Er ist wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Nichterfüllung seiner Pflichten im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens in den Jahren 1980 und 1981 in Anspruch genommen worden. Dieses Verschulden veränderte sich nicht, falls sich der Kläger später um die Nachentrichtung der Lohnsteuer bemüht haben sollte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414149

BFH/NV 1986, 133

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