Leitsatz (amtlich)

1. Pensionszahlungen an frühere Arbeitnehmer sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht nach § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen, wenn der Betrieb (Anteil am Betrieb) im Erbwege erworben wurde. Dementsprechend sind in einem solchen Erwerbsfall auch die Verbindlichkeiten aus Pensionszusagen bei der Ermittlung des Gewerbekapitals nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG hinzuzurechnen.

2. Der Einwand, ein Bescheid über den Einheitswert des Betriebes beruhe auf einer verfassungswidrigen Anwendung des Gesetzes, kann nur mit einem Rechtsbehelf gegen den Einheitswertbescheid, nicht dagegen im Rahmen eines gegen den Gewerbesteuermeßbescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens geltend gemacht werden.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 1; AO § 218 Abs. 2, § 232 Abs. 2; BVerfGG § 79 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine KG. Im Jahre 1965 verstarb der damalige Komplementär der Klägerin; sein Gesellschaftsanteil ging im Erbwege auf seine beiden Töchter über.

Im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden Pensionsverpflichtungen der Klägerin gegenüber einigen ihrer Arbeitnehmer. Zur Erfüllung dieser Pensionsverpflichtungen wurden bereits vor Eintritt des Erbfalls laufend Zahlungen geleistet. Die Zahlungen wurden bei der Ermittlung des Gewinns als Betriebsausgaben abgezogen. Die entsprechenden Pensionsrückstellungen wurden ebenso wie die zukünftigen Pensionsverpflichtungen bei der Feststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1966 als Betriebslasten berücksichtigt; lediglich die Verpflichtung aus einer Pensionszusage gegenüber dem als Arbeitnehmer tätigen Ehegatten einer der Erbinnen wurde nicht zum Abzug zugelassen.

Bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für den streitigen Erhebungszeitraum 1966 rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Pensionszahlungen zu einem Teil, der den von den Töchtern des früheren Komplementärs im Erbwege erlangten Anteilen am Betriebsvermögen (50,1 v. H.) entsprach, nach § 8 Nr. 2 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzu; dementsprechend wurden auch die Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden waren, zu einem der Höhe der ererbten Anteile entsprechenden Teil bei der Ermittlung des Gewerbekapitals wieder hinzugerechnet (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG).

Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg.

Zur Begründung seines Urteils (vgl. EFG 1970, 572) führte das FG aus, nach § 8 Nr. 2 GewStG seien Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs oder eines Anteils am Betrieb zusammenhingen und bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns abgezogen worden seien, bei der Festsetzung des Meßbetrags nach dem Gewerbeertrag wieder hinzuzurechnen. Zu den Renten und dauernden Lasten im Sinne dieser Vorschrift gehörten auch Pensionsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang solcher Pensionsverpflichtungen mit dem Erwerb von Anteilen am Betrieb bestehe nicht nur dann, wenn die Pensionsverpflichtungen ihre Ursache im Erwerbsvorgang hätten; er sei vielmehr auch dann gegeben, wenn diese Verpflichtungen schon vor dem Erwerb des Anteils entstanden seien. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Anteil entgeltlich oder unentgeltlich erworben werde. Der Zweck des Gesetzes, die objektive Ertragskraft des Betriebes zu erfassen, erfordere, daß die Pensionszahlungen auch im Falle eines unentgeltlichen Erwerbs bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzugerechnet werden. Entsprechendes gelte auch für die Hinzurechnung der Pensionsrückstellungen zum Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.

Zu dem Einwand der Klägerin, bei der Feststellung des Einheitswerts seien für die Pensionsverpflichtungen gegenüber dem Ehegatten einer der Erbinnen keine Abzüge zugelassen worden, führte das FG aus, im Rahmen der Meßbetragsfestsetzung nach dem Gewerbekapital könne ein solcher Einwand nicht mehr berücksichtigt werden. Nach § 12 Abs. 1 GewStG gelte als Gewerbekapital der Einheitswert des gewerblichen Betriebs. An diesen durch Erlaß eines entsprechenden Bescheides festgestellten Wert sei das FA gebunden. Die in dem Einheitswertbescheid getroffenen Feststellungen seien dem Gewerbesteuermeßbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO unverändert zugrunde zu legen. Etwaige Einwendungen gegen die Einheitswertfeststellung könnten nur in dem hierfür vorgesehenen Verfahren, nicht aber in den Verfahren zur Festsetzung der an den Einheitswert anknüpfenden Steuern berücksichtigt werden (§ 232 Abs. 2 und 3 AO).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Vorschriften der §§ 8 Nr. 2 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG sowie der Art. 3 und 6 GG. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 8 Nr. 2 GewStG rechtfertigten es, Zahlungen, die aufgrund von Pensionsverpflichtungen an Arbeitnehmer geleistet würden, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen. Eine Hinzurechnung sei nur vorzunehmen, wenn eine Rente wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs zusammenhänge.

Außerdem macht die Klägerin geltend, bei der Feststellung des der Festsetzung des Meßbetrags nach dem Gewerbekapital zugrunde zu legenden Einheitswerts sei der Abzug der Pensionsanwartschaft für den Ehegatten einer der Gesellschafterinnen zu Unrecht versagt worden. Pensionsrückstellungen für die als Arbeitnehmer tätigen Ehegatten von Gesellschaftern seien ebenso zu berücksichtigen wie Pensionsrückstellungen für andere Arbeitnehmer. In der Versagung des Abzugs liege ein Verstoß gegen Art. 6 GG. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß dieser Verstoß bereits in dem Verfahren über die Einheitswertfeststellung hätte geltend gemacht werden müssen. Der III. Senat des BFH habe es in seinem Urteil vom 18. November 1966 III 176/63 (BFHE 87, 454, BStBl III 1967, 170) ausdrücklich abgelehnt, die Frage einer verfassungswidrigen Benachteiligung von Ehegatten bereits im Verfahren über die Einheitswertfeststellung zu überprüfen; nach Auffassung des III. Senats könne diese Frage nur in einem Verfahren über die Festsetzung einer vom Einheitswert abhängigen Steuer geprüft werden. Auf diese Rechtsprechung müsse der Bürger vertrauen können.

Die Klägerin stellt den Antrag, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Gewerbesteuermeßbetrag auf 24 221 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

1. Nach § 8 Nr. 2 GewStG werden Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Diese Vorschrift dient - wie auch die übrigen Vorschriften des § 8 GewStG - dem Zweck, aus dem nach Einkommensteuerrecht ermittelten Gewinn den Gewerbeertrag zu errechnen. Es sollen Abzüge, die bei der Ermittlung des Gewinns nach einkommensteuerrechtlichen Regeln statthaft sind, für die Ermittlung des Gewerbeertrags wieder rückgängig gemacht werden. Damit soll sichergestellt werden. daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn maßgebend ist, sondern der Ertrag, den der vom jeweiligen Rechtsträger losgelöste Gewerbebetrieb an sich abwirft (Beschluß des BVerfG vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 [9], BStBl II 1969, 424).

Aus dieser Zweckbestimmung des Gesetzes ergibt sich für die Auslegung des § 8 Nr. 2 GewStG folgendes: Betrieblich veranlaßte Renten und dauernde Lasten mindern im allgemeinen nicht nur den einkommensteuerrechtlichen Gewinn, sondern auch den betrieblichen Ertrag; ihr Abzug ist daher in der Regel auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anzuerkennen. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn solche Aufwendungen wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs (Teilbtriebs) oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, d. h. den Steuerpflichtigen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem solchen Vorgang treffen. Die Gründung oder der Erwerb eines Betriebes erfordert vielfach die Eingehung oder Übernahme von Verbindlichkeiten, die lediglich den auf die Person des Gründers oder Erwerbers bezogenen Gewinn, nicht aber den Gewerbeertrag beeinflussen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Erwerber eines Betriebs gegenüber dem Veräußerer eine neue Rentenverpflichtung eingeht oder bereits bestehende Rentenverpflichtungen gegenüber Dritten unter Anrechnung auf den Erwerbspreis übernimmt. Die hier übernommenen Verpflichtungen treffen den Erwerber, weil sie zum Entgelt für die Überlassung des Gewerbebetriebs gehören. Da der von der Gewerbeertragsteuer zu erfassende betriebliche Ertrag durch diese Verpflichtungen nicht gemindert werden darf, müssen Beträge, die auf solche Verpflichtungen entfallen, gemäß § 8 Nr. 2 GewStG bei der Berechnung des Gewerbeertrags wieder hinzugerechnet werden, sofern sie bei der Ermittlung des einkommensteuerrechtlichen Gewinns abgezogen worden sind.

Ebenso wie in den Fällen des § 8 Nr. 1 GewStG darf es sonach auch für den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 2 GewStG nicht darauf ankommen, mit welchen Mitteln die Gründung oder der Erwerb eines Betriebs oder eines Anteils am Betrieb finanziert wird. Der Gewerbeertrag darf nicht deshalb geringer sein, weil die Gründung oder der Erwerb durch Eingehung (Übernahme) von Verbindlichkeiten der in § 8 Nr. 2 GewStG genannten Art - und damit durch fremde Mittel - finanziert wird.

Derjenige, auf den ein Betrieb bzw. ein Anteil am Betrieb im Wege der Erbfolge übergeht, erwirbt ohne Einsatz fremder Mittel. Daß im Zeitpunkt des Erbfalls betriebliche Rentenverpflichtungen bestehen, die auf den Erben übergehen, ändert hieran nichts. Für eine Hinzurechnung von Zahlungen aus solchen Verpflichtungen zum erzielten Gewinn besteht in einem solchen Fall keine Veranlassung (im Ergebnis ebenso Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 1. bis 3. Aufl., Anm. 2 zu § 8 Nr. 2; Urteil des FG Münster vom 20. Januar 1972 I 996/71 G, EFG 1972, 251; vgl. auch Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl. Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., Anm. 16 zu § 8 GewStG; Ehlers, BB 1972, 82; Kemper-Höfer, DB 1972, 450, 1090; Erlasse des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1964 - L 1422 - 14 VA 2 - und vom 26. Juli 1965 - L 1422 - 14 VA 2 - zur gewerbesteuerrechtlichen Behandlung von Pensionsverpflichtungen, die im Rahmen einer Umwandlung übernommen worden sind, abgedruckt bei Blümich, a. a. O., als Anhang Nr. 12c und 12 d).

Die hier strittige Frage ist vom BFH bisher noch nicht abschließend geklärt worden. Soweit sich die Rechtsprechung mit dem Übergang von Renten und dauernden Lasten anläßlich des Erwerbes von Betrieben (bzw. von Anteilen an Betrieben) befaßte, lagen den Entscheidungen andere Erwerbsfälle zugrunde (vgl. Urteil vom 9. Oktober 1964 VI 294/62 U, BFHE 81, 547, BStBl III 1965, 198, zur Betriebsübertragung aufgrund einer Umwandlung; Urteil vom 16. Juni 1971 I R 48/70, BFHE 102, 394, BStBl II 1971, 718, zur Übertragung eines Betriebsvermögens auf eine neu gegründete AG). Allerdings ist der IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom 21. Oktober 1966 IV 293/64 (BFHE 87, 421, BStBl III 1967, 185) zur Anwendbarkeit des § 8 Nr. 2 GewStG auf den (entgeltlichen) Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft davon ausgegangen, daß es unerheblich sei, ob jemand (durch vorweggenommene Erbfolge) unentgeltlich oder entgeltlich Anteile an einem Betrieb erwirbt. Die Frage, ob bei Erwerb von Anteilen im Wege der Erbfolge die Hinzurechnung von Pensionszahlungen nach § 8 Nr. 2 GewStG veranlaßt ist, war jedoch für jenen Fall nicht entscheidungserheblich; der erkennende Senat ist deshalb an die vom IV. Senat geäußerte Auffassung nicht gebunden.

Im vorliegenden Fall ist der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Komplementärs der Klägerin im Erbwege auf die Erwerberinnen übergegangen. Nach den obigen Ausführungen besteht hier keine Veranlassung, die nach dem Anteilserwerb geleisteten Pensionszahlungen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen.

Bei der Ermittlung des Gewerbekapitals gilt das gleiche. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG sind dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes nur diejenigen Verbindlichkeiten, die den Renten und dauernden Lasten im Sinne des § 8 Nr. 2 GewStG entsprechen, hinzuzurechnen. Nicht hierzu gehören Verbindlichkeiten, die im Rahmen eines Betriebserwerbs im Erbwege auf den Erwerber übergegangen sind.

2. Der Umstand, daß die Pensionsverpflichtung der Klägerin gegenüber dem Ehemann einer Gesellschafterin bei der Feststellung des Einheitswerts nicht zum Abzug zugelassen wurde, kann in dem hier anhängigen, die Festsetzung des Steuermeßbetrags betreffenden Verfahren nicht mehr Gegenstand der Überprüfung sein.

a) Die Frage, ob Pensionsverpflichtungen nach § 104 BewG als Betriebsschulden abziehbar sind, wurde bereits im Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebs abschließend entschieden. Das Gesetz schreibt zwingend vor, daß der Umfang des Betriebsvermögens - und damit auch die Höhe der das Rohvermögen mindernden Schulden - im Rahmen einer "gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen" (§ 213 Abs. 2 in Verbindung mit § 214 Nr. 1 AO) und nicht im Veranlagungs- bzw. Meßbetragsverfahren geprüft wird. Der im Feststellungsverfahren zu erlassende Bescheid über den Einheitswert des Betriebs bildet die verbindliche Grundlage auch für die Festsetzung des Steuermeßbetrags nach dem Gewerbekapital. Nach § 12 Abs. 1 GewStG "gilt" der Einheitswert des Betriebs (mit den sich aus § 12 Abs. 2 bis 4 GewStG ergebenden Änderungen) als Gewerbekapital. Andere als die in § 12 Abs. 2 bis 4 GewStG vorgesehenen Änderungen sind im Verfahren über die Steuermeßbetragsfestsetzung nicht zulässig.

Dem entspricht es, daß Einwendungen gegen den Einheitswertbescheid nur im Rahmen des Verfahrens über die Feststellung des Einheitswerts vorgebracht werden können. Entscheidungen, die in einem Feststellungsbescheid enthalten sind, können nicht durch Anfechtung des an den Feststellungsbescheid anschließenden Steuerbescheids angegriffen werden (§§ 232 Abs. 2 AO, 42 Abs. 2 FGO).

b) Da die Einheitswerte - für sich allein betrachtet - nur wertneutrale Rechengrößen darstellen (BFH-Beschluß vom 9. Dezember 1969 II B 40-41/69, BFHE 97, 315, BStBl II 1970, 121), die erst durch ihre Verwendung als Besteuerungsgrundlage die ihnen eigentümliche Wirkung entfalten, mag es Fälle geben, in denen sich erst im Rahmen der jeweiligen Steuerfestsetzung entscheiden läßt, ob ein Einheitswert zu Verfassungsverletzungen führt. Bei der Vielzahl von Steuergesetzen, die an Einheitswerte als Besteuerungsgrundlage anknüpfen (vgl. z. B. § 4 Abs. 1 VStG in Verbindung mit § 114 Abs. 3 BewG, § 10 GrStG, § 12 Abs. 1 GewStG, § 23 Abs. 2 ErbStG, § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 GrEStG, § 21 Abs. 1 LAG in Verbindung mit § 73 BewG a. F.), könnte es sein, daß ein und derselbe Einheitswert je nachdem, mit welcher steuerrechtlichen Regelung er verknüpft wird, in einem Fall zu verfassungsrechtlich unbedenklichen Ergebnissen führt, während sich seine Zugrundelegung in einem anderen Fall verfassungswidrig auswirkt. Letzterenfalls würde sich der Einwand, ein Einheitswert wirke sich verfassungswidrig aus, nicht gegen den Einheitswert als solchen, sondern gegen seinen Ansatz in einem bestimmten Steuerbescheid richten (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 24. Oktober 1958 III 153/58 S, BFHE 68, 1, BStBl III 1959, 2; III 176/63; vom 30. April 1971 III R 9/70, BFHE 102, 404, BStBl II 1971, 669; BVerfG-Beschluß vom 7. Mai 1968 1 BvR 420/64, BVerfGE 23, 242, BStBl II 1968, 549).

Die Bedenken der Klägerin gegen die Versagung des von ihr geltend gemachten Schuldenabzugs sind indessen nicht derart, daß sie nur der Anwendung des Einheitswerts im Rahmen einer bestimmten Steuerart entgegenstehen. Die von ihr beantragte Anerkennung des Schuldenabzugs würde sich vielmehr in jedem Besteuerungsfall steuermindernd auswirken. In solchen Fällen muß es bei der in §§ 232 Abs. 2 AO, 42 Abs. 2 FGO getroffenen Regelung verbleiben; der Steuerpflichtige kann mithin seine Einwendungen insoweit nur mit den gegen den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts gegebenen Rechtsbehelfen geltend machen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1969 III R 145/66, BFHE 97, 561, BStBl II 1970, 197; vom 14. Dezember 1972 III R 38/72, BFHE 108, 388, BStBl II 1973, 374).

Aus diesem Grunde hätte die Klägerin ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Versagung des von ihr geltend gemachten Schuldenabzugs bereits bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1966 erheben müssen.

c) Eine Überprüfung des Einheitswertbescheids ist schließlich auch nicht im Hinblick auf § 79 Abs. 2 BVerfGG geboten.

Nach dieser Vorschrift darf aus einer nicht mehr anfechtbaren Entscheidung, die auf einer vom BVerfG für nichtig erklärten Norm beruht, nicht mehr vollstreckt werden. Ob aufgrund dieser Regelung auch ein auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhender Einheitswertbescheid nicht "vollzogen", d. h. nicht mehr als Besteuerungsgrundlage verwendet werden kann, mag hier dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall wird nicht behauptet, der der Besteuerung zugrunde zu legende Einheitswertbescheid beruhe auf einem vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten Gesetz. Die Klägerin wendet sich vielmehr gegen die nach ihrer Auffassung nicht verfassungskonforme Auslegung eines an sich gültigen Gesetzes. Dieser Fall kann nicht dem Fall gleichgesetzt werden, daß eine Entscheidung auf einer vom BVerfG für nichtig erklärten Norm beruht.

d) Daß die Klägerin mit ihren verfassungsrechtlichen Einwendungen im Rechtsbehelfsweg nicht mehr durchdringen kann, mag für sie eine Härte bedeuten. Das gilt insbesondere dann, wenn sie sich im Vertrauen auf die Rechtsprechung darauf verlassen haben sollte, daß sie ihre verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen den Einheitswertbescheid erst im Rahmen des Verfahrens über die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags und nicht schon im Verfahren über die Feststellung des Einheitswerts geltend machen kann. Ob der Klägerin aus diesem Grunde nach § 131 Abs. 1 Satz 2 AO eine Billigkeitsmaßnahme zu gewähren ist, kann der Senat indessen nicht entscheiden. Die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen ist vielmehr Sache der für die Erhebung der Gewerbesteuer zuständigen Gemeinde (BFH-Urteil vom 9. Januar 1962 I 101/60 S, BFHE 74, 641, BStBl III 1962, 238). - Ebensowenig unterliegt es der Entscheidung des Senats, ob der Bescheid über die Einheitswertfeststellung nach § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO (Fehleraufdeckung bei Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde) berichtigt werden kann.

3. Da das angefochtene Urteil hinsichtlich der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung beruht, ist es aufzuheben. Ebenso unterliegt auch die Einspruchsentscheidung der Aufhebung. Der Bescheid über den Gewerbesteuermeßbetrag 1966 wird wie folgt geändert:

...

 

Fundstellen

Haufe-Index 70574

BStBl II 1973, 787

BFHE 1974, 53

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