Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen und Kürzung des Gewinns aus Gewerbebetrieb; Hinzurechnung von Dauerschulden beim Gewerbekapital

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hinzurechnung der Dauerschulden und Dauerschuldzinsen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Normenkette

GewStG § 9 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 11, 12 Abs. 1; GewStG § 8 Nr. 1

 

Tatbestand

A.

I.

1. Die Gewerbesteuer knüpft als Realsteuer an die objektiven Besteuerungsmerkmale des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals an. Bei ihrer Berechnung werden zunächst die Steuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital (evtl. auch nach der Lohnsumme) ermittelt. Die Steuer wird auf Grund des – durch Zusammenrechnung der einzelnen Steuermeßbeträge gebildeten – einheitlichen Steuermeßbetrags nach einem Hebesatz erhoben, der von der hebeberechtigten Gemeinde festgesetzt ist. Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt durch gewisse Hinzurechnungen und vermindert um gewisse Kürzungsbeträge. Als Gewerbekapital gilt der nach den Vorschriften des BewG festgestellte Einheitswert des gewerblichen Betriebs mit den aus dem GewStG sich ergebenden Änderungen.

2. Bei der Ermittlung des zu besteuernden Gewerbeertrags und Gewerbekapitals spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb mit Eigen- oder Fremdkapital ausgestattet ist Auch das mit Fremdmitteln finanzierte Betriebsvermögen wird der Besteuerung zugrunde gelegt. Deshalb werden gewisse der Verstärkung des Betriebskapitals dienende Verbindlichkeiten, die bei der Feststellung des Einheitswerts nach den Grundsätzen des Bewertungsrechts (vgl. jetzt § 103 BewG 1965) als Betriebsschulden abgezogen wurden, im Rahmen der Ermittlung des Gewerbekapitals gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG wieder hinzugerechnet. Ebenso werden auch die auf diese Verbindlichkeiten zu zahlenden Zinsen, soweit sie den einkommensteuerlichen (körperschaftsteuerlichen) Gewinn als Betriebsausgaben vermindert haben, bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzugerechnet (§ 8 Nr. 1 GewStG). Die für die hier in Frage kommende Zeit maßgebenden Vorschriften (Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 18. November 1958 – BGBl I S. 755 –) lauten:

§ 8

Hinzurechnungen

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind:

1. Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen;

§ 12

(1) …

(2) Dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen sind:

1. Die Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen, … im Sinn des § 8 Ziff. 1 … entsprechen; …

In der Praxis werden die in § 8 Nr. 1 GewStG genannten Zinsen als „Dauerschuldzinsen”, die in § 12 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Nr. 1 GewStG umschriebenen Verbindlichkeiten als „Dauerschulden” bezeichnet.

3. Der in Betriebsgrundstücken bestehende Teil des Betriebsvermögens unterliegt nicht nur der Gewerbesteuer, er wird vielmehr auch von der Grundsteuer erfaßt (§ 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 3 GrStG). Zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Realsteuern sieht das Gewerbesteuergesetz eine Kürzung des Gewerbeertrags durch folgende Regelung vor:

§ 9

Kürzungen

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um

1. 3 vom Hundert des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes …; maßgebend ist der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt (Hauptfeststellungs-, Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt) vor dem Ende des Erhebungszeitraums … lautet

Dementsprechend wird auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals die Summe aus dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs und den Hinzurechnungen gekürzt um die Einheitswerte, mit denen die Betriebsgrundstücke in dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs enthalten sind (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG).

Die bei den Kürzungen zugrunde zu legenden Einheitswerte des Grundbesitzes werden z. Zt. noch nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 festgestellt (vgl. § 1 Abs. 2 und § 3 a Abs. 1 BewDV).

II.

Die Beschwerdeführerin ist eine landwirtschaftliche Warengenossenschaft. Gegenstand ihres Geschäftsbetriebs ist die Versorgung ihrer Mitglieder mit landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln und der Absatz ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Lage vieler Mitglieder stundete die Beschwerdeführerin den Mitgliedern häufig Kaufpreisforderungen aus Warenverkäufen; die Mittel hierzu verschaffte sie sich durch Bankdarlehen.

Bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge betrachtete das FA die für die Darlehnssumme gezahlten Zinsen als Dauerschuldzinsen und rechnete sie zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Dementsprechend behandelte es auch den Darlehnsbetrag selbst als Dauerschuld und rechnete ihn zur Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs hinzu. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zog das FA ferner 3 v. H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks vom Gewinn ab; bei der Ermittlung des Gewerbekapitals kürzte es den Einheitswert des Betriebsvermögens um den Einheitswert des Betriebsgrundstücks. Auf Grund dieser Berechnung wurde der einheitliche Meßbetrag (§ 14 Abs. 1 GewStG) festgesetzt.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Auch die Rechtsbeschwerde an den BFH, mit der u.a. die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen (§ 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) gerügt worden war, wurde zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BFH sind die Vorschriften der §§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG verfassungsgemäß. Er geht davon aus, daß die Gewerbesteuer als Objektsteuer ausgestaltet ist. Dem Objektsteuercharakter entspreche es aber, daß der Betrieb als solcher, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger, von der Steuer erfaßt werde. Hieraus rechtfertige sich die Besteuerung des Ertrags und des Kapitals des Betriebs ohne Rücksicht darauf, ob die im Betrieb arbeitenden Wirtschaftsgüter zum Eigen- oder Fremdkapital gehörten.

III.

Mit ihrer gegen das Urteil des BFH sowie mittelbar gegen die Vorschriften des § 8 Nr. 1, des § 12 Abs. 2 Nr. 1 und des § 9 Nr. 1 GewStG gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung der Art. 2, 3 Abs. 1, Art. 11 und 12 GG.

Sie macht geltend, es verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, daß die Gewerbesteuer grundsätzlich als Objektsteuer ausgestaltet sei und deshalb die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt würden. Das Sozialstaatsprinzip gebiete die Verteilung der Steuerlast nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Im übrigen sei der Objektsteuercharakter wegen einiger Durchbrechungen des Objektsteuerprinzips nicht mehr voll gewahrt; die Gewerbesteuer sei deshalb heute als Personensteuer – und zwar als eine besondere Form der Vermögen- und Einkommensteuer – anzusehen. Mit einer solchen Steuerart sei es nicht zu vereinbaren, daß Dauerschulden dem Gewerbekapital und die als Betriebsaufwand anzusehenden Zinsen für Dauerschulden dem Gewerbeertrag hinzugerechnet werden. Die Gewerbesteuer insgesamt sei auch wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig. Nur Gewerbebetriebe seien mit der Gewerbesteuer belastet, während Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie der freien Berufe ohne einleuchtenden Grund von der Gewerbesteuer nicht betroffen würden. Diese Unterscheidung könne insbesondere nicht durch das „Äquivalenzprinzip”, wonach die Gewerbesteuer den Gemeinden einen finanziellen Ausgleich für die durch Industrie, Handwerk und Handel verursachten Lasten bieten solle, gerechtfertigt werden. Auch das „Differenziationsprinzip”, wonach (kapitalmäßig) „fundiertes” Einkommen wegen seiner erhöhten Steuerkraft höher zu besteuern sei als „unfundiertes” Einkommen, reiche zur Rechtfertigung der Gewerbesteuer nicht aus, über fundiertes Einkommen – und damit über eine erhöhte Steuerkraft – verfügten nicht nur die Gewerbetreibenden, sondern auch die Landwirte und die Angehörigen der freien Berufe. Auch die einzelnen Bestimmungen des Gewerbesteuergesetzes, die die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen regeln, verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Dauerschulden unterlägen bei dem Darlehnsgeber erneut der Gewerbesteuer. Im Gegensatz hierzu würden die in § 8 Nr. 2, 3 und 7 GewStG bezeichneten Beträge dem Gewinn nur dann hinzugerechnet, wenn sie beim Empfänger nicht mit Gewerbesteuer belastet würden. Für diese verschiedene Regelung gebe es keinen sachlichen Grund.

Aus der Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen ergebe sich eine so hohe Gewerbesteuerbelastung, daß hierdurch die freie berufliche Entfaltung erheblich beeinträchtigt werde. Die Vorschriften über die Hinzurechnung enthielten deshalb auch einen Verstoß gegen Art. 11 und 12 GG.

Schließlich führe auch § 9 Nr. 1 GewStG zu einer verfassungswidrigen Steuerbelastung. Denn der nach § 9 Nr. 1 GewStG vorzunehmenden Kürzung des Gewinns um 3 v. H. des Einheitswerts der Betriebsgrundstücke würden immer noch die nach den Wertverhältnissen von 1935 festgestellten Einheitswerte zugrunde gelegt. Würden die Einheitswerte den heutigen Wertverhältnissen angepaßt werden, dann müßte sich eine um ein Vielfaches höhere Kürzung des Gewinns ergeben.

Die Beschwerdeführerin hat ein Gutachten von Prof. Dr. Friedrich Klein, Münster, vorgelegt, das die angegriffenen Bestimmungen für verfassungswidrig hält.

IV.

Der BdF hat sich für die Bundesregierung zu der Verfassungsbeschwerde u.a. dahin geäußert:

§ 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG enthielten keinen Verstoß gegen Art. 3 GG. Die Erhebung der Gewerbesteuer finde darin ihre Rechtfertigung, daß die Gemeinden auf diese Weise einen Ausgleich für die Kosten erhielten, die ihnen Industrie und Handwerk verursachten. Diese Zwecksetzung habe die Vorschriften über den Steuergegenstand und über die Besteuerungsgrundlagen entscheidend beeinflußt. Der Gesetzgeber habe sich hierbei an dem Gedanken orientiert, daß Gegenstand der Besteuerung der Gewerbebetrieb als solcher sei und daß deshalb die Steuerbelastung im Einzelfall davon unabhängig sein müsse, ob im Betrieb Eigenmittel oder Fremdmittel eingesetzt würden. Dementsprechend sei die Gewerbesteuer als Objektsteuer ausgestaltet worden. Aus dem Objektsteuercharakter folge die Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen.

Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände hat unter Bezugnahme auf ein Gutachten von Prof. Dr. Werner Weber, Göttingen, den Standpunkt vertreten, daß die Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes nicht verfassungswidrig sind.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.

Das mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Urteil des BFH beruht nicht auf verfassungswidrigen Vorschriften.

I.

Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer als solcher bejaht (BVerfGE 21, 54 [63] mit weiteren Hinweisen). Daran wird festgehalten.

1. Das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG, nur auf Grund solcher Vorschriften zur Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfGE 21, 1 [3]), wird durch die Regelung des Steuergegenstandes und die Verwendung des Ertrags und des Gewerbekapitals – gegebenenfalls auch der Lohnsumme – als Besteuerungsgrundlage nicht berührt.

Das Sozialstaatsprinzip verbietet es nicht, Steuern zu erheben, die von der Leistungsfähigkeit des Inhabers der zu besteuernden Wirtschaftseinheit abstrahieren, zumal wenn eine solche Objektsteuer im Rahmen eines Steuersystems erhoben wird, das der persönlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen in vielfältiger Weise Rechnung trägt.

Das Grundgesetz geht selbst davon aus, daß die Erhebung einer Gewerbesteuer zulässig ist. Sie gehört nach einhelliger Meinung zu den in Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 und Art. 106 Abs. 6 GG genannten Realsteuern (vgl. auch die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Neufassung des Art. 106 Abs. 6 GG, in der die Gewerbesteuer ausdrücklich als Realsteuer aufgeführt ist – BRDrucks. – 217/69 –). Wenn auch in der Erwähnung der Realsteuern im Grundgesetz noch keine grundsätzliche Billigung aller dem Gewerbesteuerrecht angehörenden Normen zu sehen ist, so ist der von der Beschwerdeführerin beanstandete Realsteuercharakter jedenfalls in den Willen des Verfassunggebers mit einbezogen gewesen (vgl. BVerfGE 21, 12 [25]).

An dem Charakter als Realsteuer ändert sich auch dadurch nichts, daß zur Vermeidung von Härten in gewissen Einzelheiten persönliche Verhältnisse berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber ist nicht zu einer „reinen” Verwirklichung des Objektsteuerprinzips verpflichtet (BVerfGE 13, 331 [345]; 25, 28 [38]). Ausschlaggebend ist, daß die Grundstruktur der Steuer erhalten bleibt. Sie wird dadurch bestimmt, daß die entscheidenden Besteuerungsmerkmale – Ertrag, Kapital und Lohnsumme – objektive Gegebenheiten des Betriebs sind.

2. Es verstößt nicht gegen, den Gleichheitssatz, daß nur Gewerbebetriebe, nicht dagegen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und der freien Berufe der Gewerbesteuer unterliegen. Der Gesetzgeber kann grundsätzlich selbst die Sachverhalte auswählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen, die er also im Rechtssinne als „gleich” ansehen will. Es steht ihm deshalb grundsätzlich frei, einzelne Berufsgruppen steuerlich zu belasten, andere dagegen von der Steuer freizustellen. Voraussetzung für die Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz ist lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruht (BVerfGE 21, 12 [26, 271). Die Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital ist bei Landwirtschaft, freien Berufen und Gewerbe so grundlegend verschieden, daß der Gesetzgeber schon deshalb nicht gehindert sein kann, eine wirtschaftliche Betätigung, bei der der Produktionsfaktor Kapital eindeutig im Vordergrund steht, mit einer besonderen Steuer zu belegen. Soweit aus der daraus sich ergebenden besonderen Belastung des Gewerbes allgemeine steuerpolitische Bedenken hergeleitet werden, vermögen sie die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nicht zu begründen.

II.

Die von der Beschwerdeführerin im einzelnen angegriffene Regelung der Besteuerungsgrundlagen in § 8 Nr. 1 GewStG ist ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. Die Regelung in § 8 Nr. 1 GewStG verletzt nicht das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip.

a) Der Begriff „Hinzurechnung” in Überschrift und Text des § 8 GewStG ist irreführend. Die Vorschrift soll lediglich Abzüge, die bei der Ermittlung des Gewinns nach einkommensteuerlichen oder körperschaftsteuerlichen Regeln (vgl. §§ 4, 5 EStG, §§ 5, 6 KStG) statthaft sind, für die Ermittlung des Gewerbeertrags wieder rückgängig machen; sie enthält also in Wahrheit ein Abzugsverbot (so auch Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 8, Anm. 1). Das geht auch eindeutig aus dem Wortlaut des § 8 GewStG hervor, wo es heißt: Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind.

Die Abzugsverbote des § 8 GewStG dienen der Verwirklichung des Objektsteuerprinzips. Sie sollen sicherstellen, daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn maßgebend ist, sondern der Ertrag, den der von dem jeweiligen Rechtsträger losgelöste Gewerbebetrieb an sich abwirft, gleichgültig, wem er zufließt (Bickel, Ertragsteuern, in Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. II, 2. Aufl., S. 417). Es soll der volle Nutzen des in dem Unternehmen arbeitenden Kapitals steuerlich erfaßt werden (BFH, StRK, GewStG § 12 R. 47).

b) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung genügt die zur Umschreibung des Steuertatbestandes verwendete Formulierung „Zinsen für Schulden, die … der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen” (vgl. § 8 Nr. 1 GewStG) der vom Rechtsstaatsprinzip geforderten Bestimmtheit des gesetzlichen Tatbestandes (BVerfGE 21, 1 [3], 209 [215]). Ob im Einzelfall eine Schuld vorliegt, die, nicht nur vorübergehend das Betriebskapital verstärkt, laßt sich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG) eindeutig bestimmen. Die vom BFH hierzu entwickelten Grundsätze (vgl. Blümich u. a., a.a.O., § 8, Anm. 5) reichen für eine verläßliche Abgrenzung des Steuertatbestandes aus.

c) Die Regelung verstößt auch dann nicht gegen das Sozialstaatsprinzip, wenn man aus diesem die Folgerung ableiten wollte, der Gesetzgeber müsse die kapitalschwächeren Unternehmen steuerlich besser stellen als diejenigen, die über ausreichendes Eigenkapital verfügen. Das Abzugsverbot für Dauerschuldzinsen stellt keineswegs eine solche Maßnahme dar; vielmehr hätte umgekehrt die uneingeschränkte Abzugsfähigkeit der Dauerschuldzinsen zu Belastungsverschiebungen zum Nachteil gerade der kleinen und mittleren Betriebe geführt, wie sich schon daraus ergibt, daß vor allem Großbetriebe häufig mit Krediten von bedeutendem Ausmaß arbeiten (vgl. Wirtschaft und Statistik, Jahrgang 1962, S. 524 ff.).

2. Auch der allgemeine Gleichheitssatz erfordert nicht, bei der steuerlichen Belastung danach zu differenzieren, ob ein Betrieb mit eigenen oder mit Fremdmitteln finanziert wird.

a) Es entspricht dem Wesen der Gewerbesteuer als einer Objektsteuer, daß der Betrieb als solcher, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger, von der Steuer erfaßt wird. Deshalb bat der Gesetzgeber auf die objektive Wirtschaftskraft, die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit abgestellt, wie sie durch den erzielten Ertrag und die Mittel, die zur Erzielung dieses Ertrags eingesetzt werden, repräsentiert wird (BVerfGE 21, 54 [65]). Sollen aber das im Gewerbebetrieb arbeitende Kapital und der aus dem Gewerbebetrieb erzielte Ertrag erfaßt werden, so erscheint es als systemgerecht, wenn auch das Fremdkapital und die auf das Fremdkapital entfallenden Nutzungen dem Betriebsvermögen bzw. dem Betriebsertrag zugerechnet werden.

b) Das BVerfG hat es unter dem Blickpunkt des Art. 3 Abs. 1 GG als sachgerecht anerkannt (BVerfGE 13, 331 [348]; 19, 101 [112]; 21, 54 [65 f.]), daß die Gewerbesteuer u.a. den Gemeinden generell einen Ausgleich für die durch das Vorhandensein von Gewerbebetrieben verursachten besonderen Lasten bieten soll (Äquivalenzprinzip). Dann ist es auch sachgerecht, daß Gewerbekapital, Ertrag und Lohnsumme als Anhaltspunkte für die Größe eines Betriebs und damit für den Umfang der durch den Betrieb verursachten Lasten verwendet werden. Deshalb braucht für die Gewerbesteuer nicht berücksichtigt zu werden, ob und in welchem Umfang ein Betrieb mit Eigen- oder Fremdkapital ausgestattet ist, also ob die Erträge mit Fremd- oder Eigenkapital erzielt werden.

c) Das Abzugsverbot für Dauerschuldzinsen widerspricht auch nicht dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung; es ist sogar gerade mit Rücksicht auf diesen Grundsatz eingeführt worden (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gewerbesteuer-Rahmengesetzes – RT-Drucks. IV/1928 Nr. 568 S. 114). Ein nur mit Eigenkapital arbeitender Unternehmer muß eine angemessene Verzinsung dieses Kapitals erwirtschaften, die in den kalkulatorischen Zinsen ihren Ausdruck findet. Würde ein dem Betrag der Dauerschuldzinsen entsprechender Teil des Betriebsergebnisses nicht der Gewerbesteuer unterworfen, während der der kalkulatorischen Verzinsung entsprechende Teil des Gewinns wie bislang der Gewerbesteuer unterläge, so würde der Eigenkapital einsetzende Gewerbetreibende gegenüber dem mit Fremdkapital arbeitenden Gewerbetreibenden benachteiligt.

d) Mit dem Gleichheitsgrundsatz ist es auch vereinbar, daß das Abzugsverbot für Dauerschuldzinsen auch dann Platz greift, wenn die Zinszahlungen beim Kreditgeber wiederum als Gewerbeertrag der Gewerbesteuer unterliegen. Es handelt sich um Erträge, die von verschiedenen Gewerbetreibenden aus verschiedenen Gewerbebetrieben bezogen werden.

e) Das Abzugsverbot kann auch nicht deshalb als Verstoß gegen den Gleichheitssatz angesehen werden, weil in anderen Fällen, nämlich bei der Zahlung von Renten und dauernden Lasten, Gewinnanteilen eines stillen Gesellschafters und Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Anlagegüter (§ 8 Nr. 2, 3 und 7 GewStG), der Abzug ganz oder teilweise erlaubt ist, sofern die Beträge beim Empfänger zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind.

Es handelt sich bei diesen Regelungen – im Gegensatz zu der für den Abzug von Dauerschuldzinsen geltenden Vorschrift – um Abweichungen vom Objektsteuerprinzip, die eng umgrenzte Ausnahmefälle darstellen und für das Gewerbesteueraufkommen nur geringere Bedeutung haben (Wirtschaft und Statistik, a.a.O.). Keinesfalls wird dadurch die Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlichen Regelung berührt.

3. Die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 11 und Art. 12 Abs. 1 GG sind offensichtlich nicht verletzt. Steuergesetze können den in Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Bereich nur unter besonderen Umständen berühren, die hier nicht vorliegen.

III.

Aus den Gründen, die die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen verfassungsrechtlich rechtfertigen, folgt auch die Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnung von Dauerschulden zum Einheitswert des Betriebsvermögens zwecks Ermittlung des Gewerbekapitals. Diese Regelung führt auch nicht zu einer Doppelbesteuerung der betrieblichen Investitionen, wenn einmal das vorhandene Betriebsvermögen und zum andern die zur Beschaffung des Betriebsvermögens verwendeten Fremdmittel erfaßt werden. Die Hinzurechnung der als Dauerschulden anzusehenden Verbindlichkeiten erfolgt lediglich, weil sie bei der vorausgegangenen Einheitswertfeststellung abgezogen wurden und dieser Abzug dem Objektsteuerprinzip zuwiderlaufen würde.

IV.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Regelung über die Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der lediglich durch Hinzurechnungen veränderte einkommensteuerliche Gewinn wird vom Gesetzgeber in einigen Beziehungen als ungerechtfertigt hoch für die Berechnung des Gewerbeertrags angesehen. Deshalb sollen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) gewisse Beträge vom Gewinn (oder von der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen) abgezogen werden.

Kürzungen hält der Gesetzgeber vor allem dann für angezeigt, wenn im Betriebsvermögen Grundstücke enthalten sind. In diesem Fall umfaßt der Gewinn auch die Grundstückserträge. Ohne eine Kürzung des Gewinns würden diese Erträge sowohl mit Gewerbesteuer als auch mit Grundsteuer belastet sein (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 Nr. 3 GrStG); eine solche doppelte Realsteuerbelastung soll § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG vermeiden (BFH. Urteil vom 5. Oktober 1967, BStBl 1968 II S. 65). Diesem Zweck des Gesetzes entspricht es, wenn bei der Kürzung des Gewinns von den Werten ausgegangen wird, wie sie nach dem geltenden Recht für die Bemessung der Grundsteuer maßgebend sind. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß hierbei die Einheitswerte von 1935 zugrunde gelegt werden, obwohl diese Werte nicht mehr den wirklichen Grundstückswerten entsprechen (vgl. BVerfGE 23, 242 [252 f.]). Das gleiche gilt für den Pauschsatz von 3 v. H. Dieser Betrag stellt einen durchschnittlichen Wert dar, dessen Verwendung es überflüssig machen soll, den zu kürzenden Betrag nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu ermitteln (Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 1.–2. Aufl., § 9 Ziff. 1, Anm. 2). Mit der Kürzung um 3 v. H. soll lediglich die Doppelbelastung mit zwei Realsteuern einigermaßen ausgeglichen werden; sie dient nicht als allgemeiner Ausgleich für die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen überhaupt. Bei Prüfung, ob die in § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG enthaltene Regelung mit dem Grundgesetz übereinstimmt, darf also der enge Zusammenhang zwischen der Grundsteuerbelastung einerseits und der als Ausgleich für diese Belastung gedachten gewerbesteuerlichen Entlastung andererseits nicht außer Betracht bleiben.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 424

BVerfGE 26, 1

BVerfGE, 1

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