Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungskosten und Betriebseinnahmen im Zwangsversteigerungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

Zu den Anschaffungskosten beim Erwerb eines betrieblichen Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren gehören das Gebot und die Kosten. Die in dem Gebot enthaltenen Zinsen sind mit dem Zuschlag als Betriebseinnahmen im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG zugeflossen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielen als Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft Einkünfte aus der forstwirtschaftlichen Nutzung einer Parzelle. Die Gesellschaft ermittelt den Gewinn aus Forstwirtschaft durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahrs.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. April 1978 erwarben die Kläger von dem Landwirt U das 37 550 qm große Waldgrundstück in der Gemarkung A zu einem Kaufpreis von 25 000 DM. Die am 1. Mai 1978 vorgesehene Übergabe des Grundstücks scheiterte, weil das Amt für Land- und Wasserwirtschaft die nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Grundstücksverkehrsgesetzes (GrdstVG) erforderliche Genehmigung versagte.

Am 23. Juni 1979 gab U ein notariell beurkundetes Angebot zugunsten der Kläger ab, das die Veräußerung der Waldparzelle zu einem Preis von 55 000 DM zum Gegenstand hatte. Danach sollten die mit dem Grundstück verbundenen Rechte und Nutzungen einen Monat nach Erklärung der Annahme auf die Erwerber übergehen; der Kaufpreis sollte einen Monat nach Eingang der Mitteilung des Notars fällig werden, wonach sämtliche zur Umschreibung erforderlichen Unterlagen vorlägen. Gleichzeitig bestellte U eine vom 1. Juli 1979 an mit 10 v. H. zu verzinsende Eigentümergrundschuld in Höhe von 55 000 DM; diese für vollstreckbar erklärte Eigentümergrundschuld trat U an die Kläger zur Sicherung ihrer Ansprüche aus dem Kaufvertrag ab.

Zum 1. Juli 1979 überließ U das Grundstück den Klägern zur Nutzung; ein schriftlicher Nutzungsvertrag wurde allerdings erst am 1. März 1980 abgeschlossen. Danach verpflichteten sich die Kläger, bereits zum 15. März 1980 eine Vorauszahlung von 55 000 DM auf den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und verzichteten zugleich auf die vorgesehene 10 %ige Verzinsung des Kaufpreises als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung. Der Verzicht wurde unter der Bedingung erklärt, daß ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommt. Den Klägern wurde ein Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlung, Verzinsung dieses Betrags, Aufwendungsersatz und Erstattung des während der Nutzung eingetretenen Holzzuwachses ein geräumt. Man kam überein, daß die Summe dieser Ansprüche dem Verkehrswert der Parzelle entsprechen sollte, falls das Nutzungsverhältnis beendet werden sollte, weil ein wirksamer Kaufvertrag nicht abgeschlossen werden könne.

Nachdem die Kläger die Vorauszahlung geleistet und das Kaufangebot angenommen hatten, versagte das Amt für Land- und Wasserwirtschaft abermals die Genehmigung nach dem GrdstVG. Auf Antrag der Kläger ordnete das Amtsgericht mit Beschluß vom 29. Mai 1984 wegen der Forderung von 55 000 DM und ihrer 10 %igen Verzinsung aufgrund der vollstreckbaren Urkunde vom 23. Juni 1979 die Zwangsversteigerung des Forstgrundstücks an. Der Verkehrswert des Grundstücks nach § 74 a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) wurde durch Beschluß vom 25. Februar 1985 auf 67 600 DM festgesetzt.

Im Zwangsversteigerungstermin meldeten die Kläger ihre Ansprüche aus der Grundschuld mit 55 000 DM zuzüglich Zinsen vom 1. Juli 1979 bis 21. Juni 1985 in Höhe von 32 847,21 DM und Zustellungskosten von 36,60 DM (insgesamt 87 883,81 DM) an. Mit Beschluß des Amtsgerichts vom gleichen Tage erhielten die Kläger für das von ihnen abgegebene Gebot von 87 883,81 DM den Zuschlag.

Die Kläger bezahlten die Grunderwerbsteuer nach dem im Zuschlagsbeschluß genannten Gebot.

Während einer die Jahre 1980 bis 1985 umfassenden Außenprüfung reichten die Kläger Feststellungserklärungen für die Streitjahre 1984 und 1985 ein, in denen sie Anschaffungskosten für das Grundstück in Höhe von 55 000 DM ansetzten. Der Beklagte und Revisionbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ging, dem Außenprüfer folgend, davon aus, daß die Anschaffungskosten mit dem Gebotsbetrag in Höhe von 87 883,81 DM anzusetzen seien; durch den Erwerb des Grundstücks zu diesem Gebot und die erteilte Befriedigungserklärung seien den Klägern Zinsen in Höhe von 32 847,21 DM im Wirtschaftsjahr 1984/85 zugeflossen. Diese Zinsen wurden mit 8 221 DM (1/4 von 32 884 DM) im Feststellungsbescheid 1984 und mit 24 663 DM (3/4 von 32 884 DM) im Feststellungsbescheid 1985 erfaßt.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung der § 4 Abs. 3 und § 6 EStG.

Die Kläger tragen im wesentlichen vor, das FG habe den Begriff der Betriebseinnahmen verkannt. Die auf das formale Gebot abstellende Beurteilung des FG lasse unberücksichtigt, daß die Zwangsversteigerung im Einvernehmen zwischen ihnen, den Klägern, und dem Voreigentümer nur deshalb betrieben worden sei, damit ihnen das Eigentum an der Parzelle verschafft werde. Da dies mangels Genehmigung nach dem GrdstVG durch Kauf nicht möglich gewesen sei, stelle sich die Zwangsversteigerung nur als Fortführung der vertraglichen Vereinbarung dar, auf die allein abzustellen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat die von den Klägern in der Zwangsversteigerung angemeldeten Zinsen zu Recht als Betriebseinnahmen beurteilt, die ihnen mit dem Zuschlag des Grundstücks bei der Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zugeflossen sind.

1. Die Kläger ermitteln den Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ihrer Gesellschaft (§ 4 Abs. 3 EStG). Zwar enthält das EStG keine gesetzliche Definition des in § 4 Abs. 3 EStG verwendeten Einnahmebegriffs. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann der Begriff jedoch im Umkehrschluß zum Begriff der Betriebsausgabe in § 4 Abs. 4 EStG und unter Heranziehung der Einnahmedefinition des § 8 Abs. 1 EStG bestimmt werden (vgl. Urteile des BFH vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526, und vom 11. Februar 1987 I R 124/83, BFH/NV 1987, 497). Danach fallen unter die Betriebs einnahmen i. S. des § 4 Abs. 3 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Betriebsvermögen betrieblich veranlaßt zufließen (s. auch Senatsurteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607).

a) Nach den Feststellungen des FG, die mit Revisionsrügen nicht angefochten wurden und die deshalb den erkennenden Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), haben die Kläger dem U ein als "Vorauszahlung auf den Kaufpreis" bezeichnetes verzinsliches Darlehen gegeben, das entweder auf den Kaufpreis angerechnet werden sollte oder mit Zinsen zurückzuzahlen war, falls ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande kommen sollte. Aus dieser betrieblich veranlaßten und dinglich gesicherten Forderung (s. auch BFH-Urteil vom 12. Juni 1974 I R 212/73, BFHE 113, 279, BStBl II 1974, 734) wurde die Zwangsversteigerung betrieben.

b) Den Klägern ist mit dem Erlöschen ihrer Darlehensforderung einschließlich Zinsen durch den Zuschlag (§ 91 ZVG) in der Form des ersteigerten Grundstücks ein Sachwert als Einnahme bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zugeflossen. Diese Einnahme war mit den Anschaffungskosten zu bewerten (BFH in BFH/NV 1987, 497). Zutreffend hat das FG die Anschaffungskosten für das ersteigerte Grundstück, die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG in ein Verzeichnis aufzunehmen sind, in Höhe des Bargebots mit 87 884 DM bemessen (BFH-Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424 und in BFH/NV 1987, 497). Es hat weiter zutreffend den Darlehensbetrag von 55 000 DM von dem Betrag der Anschaffungskosten abgezogen und damit berücksichtigt, daß sich bei der Überschußrechnung weder der Abfluß noch der Zufluß der Darlehensvaluta steuerlich auswirkt (BFH-Urteile vom 8. Oktober 1969 I R 94/67, BFHE 97, 76, BStBl II 1970, 44, und vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72, BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293). Als Betriebseinnahme war daher nur der Betrag von 32 884 DM anzusetzen. Dieser Betrag ist das Entgelt für eine betriebliche Leistung, denn es handelt sich um Zinsen für die Darlehensgewährung der Kläger.

2. a) Die Kläger haben hiergegen im wesentlichen eingewandt, aus dem Gebot und dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren könne nicht auf die Anschaffungskosten des Grundstücks geschlossen werden, weil sie zuvor schon zu einem geringeren Kaufpreis das wirtschaftliche Eigentum erworben hätten und der Zuschlag nur die formale Eigentumsbestätigung gewesen sei. Das FG hat hierzu entschieden, daß die Kläger erst mit dem Zuschlag Eigentum erworben haben (§ 90 Abs. 1 ZVG) und nicht bereits mit dem Abschluß der Nutzungsvereinbarung am 1. März 1980 wirtschaftliche Eigentümer geworden sind. In einem vergleichbaren Sachverhalt, der allerdings die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung zum Gegenstand hatte, ist der Senat demgegenüber davon ausgegangen, daß der Ersteigerer bereits mit der Inbesitznahme eines landwirtschaftlichen Anwesens vor dem Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung wirtschaftlicher Eigentümer geworden ist (Urteil vom 26. April 1979 IV R 199/74, BFHE 128, 358, BStBl II 1979, 667). Im Streitfall kommt es hierauf indessen nicht an. Denn selbst wenn die Kläger bereits vor der Zwangsversteigerung wirtschaftliches Eigentum erworben hätten, stünde dies im Zeitpunkt des Zuschlags weder der Erfassung der vereinnahmten Zinsen noch der Annahme nachträglicher Anschaffungskosten für das Grundstück entgegen.

b) Soweit die Kläger demgegenüber vorgetragen haben, als Anschaffungskosten seien nur der bezahlte Kaufpreis von 55 000 DM und die Versteigerungskosten anzusetzen, weil für den vom FA angesetzten höheren Wert kein wirtschaftlicher Aufwand getätigt worden sei und insbesondere kein Anspruch auf die Zinsen bestanden habe, widerspricht das der Nutzungsvereinbarung, nach der die Beteiligten davon ausgegangen sind, daß die Summe aus Kaufpreisvorauszahlung, Zinsen und sonstigen Aufwendungen mit dem Verkehrswert der Parzelle im Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsvertrags übereinstimmt (§ 5 Abs. 1 des Nutzungsvertrags vom 1. März 1980).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420760

BFH/NV 1996, 26

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