Leitsatz (amtlich)

1. Tauschvorgänge in der Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG.

2. Der Erwerb von Feingold durch einen Zahnarzt ist nicht betrieblich veranlaßt.

 

Orientierungssatz

1. Ein Steuerpflichtiger (hier: Zahnarzt) erzielt aus der Lieferung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts (hier: Edelmetallabfälle) im Tausch gegen ein anderes Wirtschaftsgut unabhängig davon eine Betriebseinnahme i.S. von § 4 Abs. 3 EStG, ob der Gegenwert in das Betriebsvermögen oder Privatvermögen des Steuerpflichtigen gelangt. Gelangt die Gegenleistung in das Betriebsvermögen, so muß im Zeitpunkt des Zugangs des Sachwerts eine Betriebsausgabe angesetzt werden (Ausnahmen: bei abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens). Gelangt die Gegenleistung in das Privatvermögen, so kann der Steuerpflichtige hierfür keine Betriebsausgabe ansetzen. Ausführungen und BFH-Rechtsprechung zum Begriff Betriebseinnahme, zur Annahme von Betriebseinnahmen beim betrieblich veranlaßten Erhalt von Sachleistungen sowie zum Zeitpunkt der Erfassung der Sacheinnahmen als Betriebseinnahmen.

2. Überlassen die Patienten dem Zahnarzt die alten Goldbrücken und Goldfüllungen, so handelt es sich unabhängig davon, ob die Patienten diese Gegenstände dem Zahnarzt, zivilrechtlich gesehen, schenkweise oder als zusätzliches Entgelt für die Behandlung überlassen haben, um betrieblich veranlaßte Zugänge mit Geldeswert, die als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen sind. Sind die Goldabfälle zur Veräußerung bestimmt, so gehören sie zum Betriebsvermögen des Zahnarzts und zur gewinnmäßigen Darstellung (§ 4 Abs. 3 EStG) kann in Höhe des Goldwertes eine Betriebseinnahme und gleichzeitig eine Betriebsausgabe gebucht werden.

3. Die Sonderstellung, die Angehörige der freien Berufe gegenüber Gewerbetreibenden genießen, hat auch zur Folge, daß sie Betriebsvermögen nur in dem Rahmen bilden können, der durch das freiberufliche Berufsbild geprägt ist (BFH). Geldgeschäfte zur dauerhaften oder spekulativen Vermögensanlage (hier: Feingold eines Zahnarzts) sind der Ausübung des freien Berufs wesensfremd und können nicht zur Begründung von (gewillkürtem) Betriebsvermögen führen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3-4, 1, § 12 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 27.01.1984; Aktenzeichen I 203/83)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der klagende Ehemann (Kläger) ist als Zahnarzt freiberuflich tätig. Seinen Gewinn ermittelt er durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kläger hat nach seinen Angaben bis 1973 Zahnersatz in einem eigenen Labor angefertigt. Danach habe er die Anfertigung gewerblichen Labors überlassen, denen er noch bis 1976 das Zahngold zur Verfügung gestellt habe. Nach einer Betriebsprüfung wurde zwischen dem Kläger und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Behandlung von Goldgeschäften streitig.

Der Kläger erwarb im Jahre 1978 von einer Scheideanstalt Feingoldband im Werte von 1 487 DM. Der Prüfer erkannte diesen Betrag nicht als Betriebsausgabe an, da der Kläger in seinem Betrieb Feingoldband nicht verwende. Im Jahre 1979 lieferte der Kläger Altgoldabfälle aus seinem früheren Labor, Silberamalgamreste aus der Behandlung von Patienten sowie alte Goldzähne und -füllungen, die ihm Patienten überlassen hatten, an die Scheideanstalt. Der Kläger erhielt dafür Feingold im Werte von 2 061 DM. Der Prüfer setzte hierfür eine Betriebseinnahme an. Im Jahre 1980 lieferte der Kläger für 5 599 DM Altgold und erhielt dafür wiederum Feingoldband. Der Kläger hat den Gegenwert als Betriebseinnahme und gleichzeitig als Betriebsausgabe erfaßt. Der Prüfer erkannte die Betriebsausgabe nicht an.

Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1980 entsprechend der Auffassung des Prüfers. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß das Feingold beim Kläger nicht Betriebsvermögen geworden sei; seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 447 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger aus der Verwertung der Edelmetallabfälle Betriebseinnahmen erzielt hat und daß die Aufwendungen für die Beschaffung von Feingold keine Betriebsausgaben sind.

1. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger an die Scheideanstalt vor allem Altgold in Form von Brücken, Kronen und Zahnfüllungen geliefert, die ihm von Patienten anläßlich ihrer Behandlung überlassen worden waren. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang Betriebseinnahmen erzielt.

a) Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben seines Betriebs.

Dies bedeutet, daß Ertrag und Aufwand aus erfolgswirksamen Vorgängen schon oder erst bei Eingang oder Ausgang der dadurch verursachten Zahlungen erfaßt werden. Hiervon muß abgegangen werden, wenn solche Vorgänge nicht mit Zahlungen, sondern allein mit dem Zu- und Abgang von Sachgütern verbunden sind; diese Zu- und Abgänge müssen als Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben behandelt werden. Hierzu kommt es insbesondere, wenn Leistungen des Betriebs nicht mit Geld, sondern mit Sachwerten abgegolten werden. Derartige Betriebserträge können nicht unbeachtet bleiben.

Die Rechtsprechung bezeichnet als Betriebseinnahmen alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlaßt sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526; vom 18.März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587). Dementsprechend sind Betriebseinnahmen insbesondere beim betrieblich veranlaßten Erhalt von Sachleistungen anzunehmen (BFH-Urteile vom 21.November 1963 IV 345/61 S, BFHE 78, 475, BStBl III 1964, 183; vom 13.Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210). Wie Geldzugänge sind derartige Sacheinnahmen in dem Zeitpunkt als Betriebseinnahme zu erfassen, in dem der Sachwert zugeht.

Andererseits kann auch nicht unbeachtet bleiben, wie der erlangte Sachwert verwendet wird. Hat ihn der Steuerpflichtige für private Zwecke eingesetzt, bewendet es beim Ansatz der Betriebseinnahme. Soll der Sachwert aber für betriebliche Zwecke eingesetzt und hierfür verbraucht oder veräußert werden, muß dem bereits jetzt durch den Ansatz einer Betriebsausgabe Rechnung getragen werden. Wäre der Sachwert nämlich für diesen Zweck käuflich erworben worden, hätte der Geldabfluß zu einer erfolgswirksamen Ausgabe geführt. Der Erwerb von betrieblich verwendeten Sachgütern gegen eine Betriebsleistung kann nicht anders behandelt werden, als wären für die Betriebsleistung Zahlungsmittel erlangt und diese für die Beschaffung des Sachwerts verwendet worden. Der spätere Verbrauch des Sachguts wirkt sich gewinnmäßig nicht mehr aus; bei einer späteren Veräußerung tritt nur der erzielte Erlös in Erscheinung. Abweichungen von diesem Grundsatz sind in § 4 Abs.3 Sätze 3 und 4 EStG nur für abnutzbare und nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vorgesehen, um die es im Streitfall nicht geht.

b) Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß der Kläger bereits bei der Behandlung seiner Patienten ein als Betriebseinnahme zu berücksichtigendes zusätzliches Entgelt erlangt hat, als diese ihm die zuvor entfernten alten Goldbrücken und -füllungen überließen (ebenso Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., § 18 Anm.27). Diese Gegenstände verkörperten, wie erfahrungsgemäß auch den Patienten bekannt war, einen gewissen, wenn im Einzelfall vielleicht auch geringen Wert. Ob die Patienten diese Gegenstände dem Kläger, zivilrechtlich gesehen, schenkweise oder, was näherliegt, als zusätzliches Entgelt für die Behandlung überlassen haben, kann dahinstehen. In jedem Fall handelte es sich um betrieblich veranlaßte Zugänge mit Geldeswert, die als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen waren. Da der Kläger diese Abfälle zur Lieferung an eine Scheideanstalt sammelte, waren sie bei ihm zur Veräußerung bestimmt und nicht Privatvermögen; daß der Kläger sonst Gewinne durch seine Dienstleistungen, nicht aber durch die Veräußerung von Gegenständen erzielen wollte, steht dem nicht entgegen. Die Goldabfälle standen wegen ihrer Herkunft in engem Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers und gehörten deshalb zum Betriebsvermögen seiner Praxis. Zur gewinnmäßigen Darstellung hätte der Kläger demnach in Höhe des Goldwertes eine Betriebseinnahme und gleichzeitig eine Betriebsausgabe buchen können. Wenn er beides unterließ, ergab sich daraus keine fehlerhafte Erfolgsdarstellung.

Soweit der Kläger auch Abfälle aus seinem früheren Labor oder aus der Anfertigung von Amalgamfüllungen für seine Patienten gesammelt hat, bedurfte es keiner Buchung, weil hierfür bereits früher Betriebsausgaben angesetzt worden waren.

Durch die Lieferung der zum Betriebsvermögen gehörenden Edelmetallabfälle im Tausch gegen Feingold hat der Kläger wiederum eine Betriebseinnahme i.S. von § 4 Abs.3 EStG realisiert, da ihm dadurch ein geldwerter Gegenstand zugegangen ist und dieser Zugang im Hinblick auf die Aufgabe von Betriebsgegenständen betrieblich veranlaßt ist. Ob die erlangte Gegenleistung in den betrieblichen oder in den privaten Bereich des Klägers gelangt ist, hat dafür keine Bedeutung. Eine Betriebseinnahme setzt nicht voraus, daß die erlangte Leistung Betriebsvermögen wird (vgl. auch BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210).

2. Der Kläger hat im Jahre 1978 Feingoldband von einer Scheideanstalt bezogen und im Jahre 1979 als Gegenlieferung für Altgold erhalten. Er kann hierfür keine Betriebsausgabe ansetzen und damit auch nicht die Betriebseinnahme aus der Altgoldlieferung ausgleichen, weil das Feingold nicht für betriebliche, sondern für private Zwecke erworben wurde.

a) Anschaffungsvorgänge führen nur dann zu Betriebsausgaben, wenn sie betrieblich veranlaßt sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517). Dies wäre vorliegend der Fall, wenn das Feingold in der Weise zum Einsatz im Betrieb bestimmt gewesen wäre, daß der Kläger es selbst zur Herstellung von Zahnfüllungen oder Zahnersatz verwenden oder es einem Zahnlabor für derartige Zwecke im Interesse seiner Praxis überlassen wollte. Dies kam jedoch nicht in Betracht.

Wie auch der Kläger einräumt, kommt in der Zahnprothetik nicht Feingold, sondern sog. Zahngold zum Einsatz, das durch eine Legierung von Gold mit Seltenmetallen gewonnen wird und teurer ist als eine entsprechende Goldmenge. Für einen unmittelbaren Einsatz in der Praxis wäre demnach nur Zahngold in Frage gekommen. Ob ausnahmsweise für bestimmte Verwendungen auch Feingold in Betracht kommt, kann dahinstehen, weil der Kläger für eine derartige Verwendung nichts vorgetragen hat. Nach den unwidersprochenen Feststellungen des FG unterhält der Kläger kein eigenes Labor mehr und hat in den Streitjahren auch den mit ihm verbundenen Zahnlabors kein Material beigestellt, wofür ohnehin nur Zahngold, nicht aber Feingold in Frage gekommen wäre.

b) Das FG hat auch dem Vortrag des Klägers keine Bedeutung beigelegt, er habe einen Goldvorrat für Krisenzeiten anlegen wollen, wenn Gold überhaupt nicht oder nur zu hohen Preisen erhältlich sei, um es dann selbst zu verwenden oder seinen Patienten zur Verfügung zu stellen. Das FG hat hierfür keine betriebliche Veranlassung gesehen, weil mit einer Rationierung von Gold nicht zu rechnen sei und im Falle von Preissteigerungen der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen den Patienten das Gold auch nur zum gestiegenen Preis überlassen wolle. Im Ergebnis hat das FG damit ausgeschlossen, daß die vom Kläger angegebenen Motive für die Beschaffung von Feingold ursächlich gewesen sein können. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Eine Vorratshaltung von Feingold wäre allenfalls für den Fall sinnvoll, daß Zahngold nicht mehr zu erhalten, wohl aber noch im Umtausch gegen Feingold zu erlangen ist. Diese Möglichkeit liegt so fern, daß sie ernstlich nicht als Motiv für die Vorratshaltung in Betracht zu ziehen war. Der Kläger hätte in diesem Fall auch Vorräte von anderen in seiner Praxis benötigten Hilfsmitteln und insbesondere von jenen Seltenmetallen anlegen müssen, die zur Herstellung von Zahngoldlegierungen benötigt werden, sofern diese Goldlegierungen überhaupt in einem Labor hergestellt werden können.

Demnach konnte das FG annehmen, daß für die Anschaffung des Feingolds Gründe der privaten Vermögensvorsorge ursächlich waren, zumal sich eine solche Anlage im Hinblick auf die starken Goldpreissteigerungen in den Jahren 1970 bis 1979 empfahl. Diese Würdigung entspricht der Erfahrungstatsache, daß Feingold als wichtiger Bestandteil einer privaten Vermögensanlage angesehen wird, gerade aber Angehörige von freien Berufen zu einer solchen Vermögensanlage Anlaß und Gelegenheit haben. Handelte es sich um eine nur spekulative Anlage, würde auch das gegen eine betriebliche Veranlassung sprechen (vgl. BFH-Urteil vom 5.März 1981 IV R 94/78, BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658).

c) Das FG hat mit seiner Würdigung der Verhältnisse nicht den Grundsatz verletzt, daß der Steuerpflichtige über Umfang und Art seiner Betriebsausgaben selbst bestimmen kann. Dieser Grundsatz gilt nur unter der Voraussetzung, daß für die Ausgabe tatsächlich ein betrieblicher Anlaß bestand. Hierfür trägt der Steuerpflichtige die Feststellungs- und Beweislast (vgl. BFH-Urteile vom 24.Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562; vom 7.Juli 1983 VII R 43/80, BFHE 138, 527, BStBl II 1983, 760). Das FG hat es als nicht erwiesen angesehen, daß der Kläger das Feingold allein aus betrieblichen Gründen angeschafft habe; dies wirkt sich zu seinem Nachteil aus.

Entgegen der Revisionsmeinung wird der Kläger dadurch auch nicht schlechtergestellt als ein Zahnarzt, der seinen Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt. Zwar mag bei Gewerbetreibenden auch eine Finanzanlage zu gewillkürtem Betriebsvermögen gemacht werden können, weil dadurch die Lebenskraft des Unternehmens gestärkt wird. Demgegenüber hat die Sonderstellung, die Angehörige der freien Berufe gegenüber Gewerbetreibenden genießen, auch zur Folge, daß sie Betriebsvermögen nur in dem Rahmen bilden können, der durch das freiberufliche Berufsbild geprägt ist (vgl. BFH-Urteile vom 22.Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564; in BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517, m.w.N.). Die Eingehung von Geldgeschäften zur dauerhaften oder spekulativen Vermögensanlage ist aber der Ausübung des freien Berufs wesensfremd und kann nicht zur Begründung von Betriebsvermögen führen. Ob der Kläger von anderen Erwägungen ausgegangen ist und wie sich dies ggf. auf eine steuerstrafrechtliche Würdigung des Sachverhalts auswirkt, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61466

BStBl II 1986, 607

BFHE 146, 419

BFHE 1986, 419

DB 1986, 1902-1903 (ST)

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