Leitsatz (amtlich)

Hat eine Kapitalgesellschaft den Buchwert einer Beteiligung an einer GmbH gemäß § 4 Abs. 3 des 3. DMBEG nach dem Substanzwert angesetzt und besteht mit dieser GmbH ein steuerrechtlich anerkannter Ergebnisabführungsvertrag, so kann sie regelmäßig wegen der Verluste der GmbH keine Abschreibung auf einen niedrigeren Teilwert der Beteiligung machen.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige - eine GmbH - besitzt aus der Zeit vor der Währungsreform sämtliche Anteile an der V-GmbH. Im Oktober 1951 schloß die Steuerpflichtige mit der V-GmbH einen Organschaftsvertrag mit Ergebnis-Ausschließungsvereinbarung ab. Infolgedessen trug die Steuerpflichtige in den Jahren 1952 bis 1955 die Verluste der V-GmbH in Höhe von insgesamt rund 509 000 DM. In den Jahren 1956 und 1957 übernahm sie weitere Verluste der V-GmbH und die Vermögensabgabe in Höhe von insgesamt rund 222 000 DM. Mit Verträgen vom November 1957 wurde der gesamte Produktionsapparat (Geschäftsgrundstücke, Maschinen, maschinelle Anlagen und Geschäftsausstattungen) und die Warenvorräte der V-GmbH an die G-GmbH zum Preise von rund 264 000 DM verkauft. Zusätzlich zum Kaufpreis übernahm die Käuferin eine Pensionsverpflichtung der V-GmbH im Wert von rund 60 500 DM sowie die Vermögensabgabe in Höhe von rund 40 000 DM. Verblieben sind bei der V-GmbH aktive und passive Wirtschaftsgüter im Werte von 10 992 DM.

In der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) und in den Bilanzen bis zum 31. Dezember 1954 hatte die Steuerpflichtige den Wert ihrer Beteiligung an der V-GmbH mit 28 000 DM ausgewiesen. Gemäß § 4 Abs. 3 3. DMBEG (BStBl I 1955, 222) setzte die Steuerpflichtige dann den endgültigen Wert ihrer Beteiligung an der V-GmbH in diesen Bilanzen mit 330 800 DM an. Diese Summe ergab sich aus dem Stammkapital am 21. Juni 1948 mit 100 000 DM und den Rücklagen an diesem Tag mit 230 800 DM. In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1955 bewertete die Steuerpflichtige ihre Beteiligung wegen der ständigen Verluste der V-GmbH mit einem Teilwert von 100 000 DM.

Der Revisionsbeklagte (FA) ließ bei der Veranlagung die beantragte Teilwertabschreibung nicht, im Einspruchsverfahren nur in Höhe von 65 000 DM (übernommene Vermögensabgabe) zu, so daß der Buchwert nunmehr 265 800 DM betrug. Die Steuerpflichtige meinte dagegen, die Teilwertabschreibung der Beteiligung sei wegen der laufenden Verluste der V-GmbH und der schwierigen Situation des Industriezweigs nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung notwendig gewesen. Der Substanzwert der V-GmbH sei für die Bewertung der Beteiligung nicht in erster Linie maßgebend. Von entscheidender Bedeutung bei der Bewertung von Beteiligungen sei vielmehr wie bei der Bewertung ganzer Unternehmen der Ertragswert der Organfirma, während der Substanzwert nur einen Korrekturposten darstelle. Arbeite die Organfirma seit Jahren mit Verlust und seien auch für die Zukunft nur Verluste zu erwarten, müsse eine Abschreibung des Beteiligungswerts bis auf eine Höhe zulässig sein, die unter dem zutreffend ermittelten Buch- bzw. Substanzwert der Organfirma liege. Denn im Streitfall beruhten die Verluste nicht auf einer Gewinnmanipulation, sondern allein auf der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Betriebs, und sie könnten nicht mit sofortiger Wirkung verhindert werden, weil die V-GmbH sich, wenn überhaupt, im ganzen nicht kurzfristig verkaufen lasse. Dieser Nachteil würde einen Käufer der Steuerpflichtigen ohne Zweifel zu einer Abschreibung des Werts der Beteiligung veranlassen.

Die Zulässigkeit einer solchen Abschreibung werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Steuerpflichtige durch einen Ergebnisabführungsvertrag verpflichtet sei, alle Verluste der V-GmbH zu übernehmen, und der geringe Wert der V-GmbH sich dadurch für sie unmittelbar auswirke.

Aus der Höhe des Verkaufserlöses für das Anlagevermögen und die Warenvorräte könne nicht geschlossen werden, daß die Abschreibung unberechtigt vorgenommen worden wäre. Denn der Verkauf sei erst zwei Jahre nach der Abschreibung erfolgt, nachdem die Steuerpflichtige noch Verluste von 170 062 DM und die restliche Vermögensabgabe von 52 687 DM habe übernehmen müssen. Selbst wenn jedoch der Substanzwert als Untergrenze für die Bewertung der Beteiligung angenommen würde, müßte noch der Zeitwert der Vermögensabgabe zum 31. Dezember 1955 in Höhe von 107 781 DM abgesetzt werden.

Das FG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Eine Teilwertabschreibung sei nicht gerechtfertigt, weil infolge des Ergebnisabführungsvertrags die Steuerpflichtige verpflichtet sei, die Verluste des Organs zu übernehmen. Solange das geschehe, werde die den Buchwert meist noch übersteigende Substanz der Organgesellschaft nicht angegriffen, weil die Muttergesellschaft unter Verringerung ihrer eigenen Substanz stets für einen Ausgleich sorge.

Auch eine Rückstellung wegen der zu erwartenden Verluste sei nicht gerechtfertigt, da die mit dem Ergebnisabführungsvertrag verbundenen Risiken mit den stillen Reserven ausgeglichen werden könnten, die in den einzelnen Wirtschaftsgütern der Organgesellschaft steckten. Der Einwand der Steuerpflichtigen, daß das Vermögen der GmbH unter besonders günstigen Verhältnissen habe veräußert werden können, sei nicht stichhaltig; denn es sei nicht anzunehmen, daß die Erwerber ihrerseits etwas verschenkt hätten.

Es sei auch gerechtfertigt, bei der Abschreibung von einem Teilbetrag der Vermögensabgabe in Höhe von 67 896 DM auszugehen, weil die GmbH nicht alle Wirtschaftsgüter verkauft habe.

Mit der Rechtsbschwerde, die als Revision zu behandeln ist, trägt die Steuerpflichtige vor, das Bewertungsproblem konzentriere sich allein auf die Frage, welchen Wert ein gedachter fremder Käufer der Beteiligung im Rahmen einer Gesamtbeurteilung des Vermögens der Obergesellschaft beigemessen hätte. Dieser gedachte Käufer hätte davon ausgehen müssen, daß diese Beteiligung nicht nur ertraglos, sondern auch noch auf Grund des bestehenden Organvertrages mit erheblichen jährlichen Verlustübernahmen belastet war. Ein gedachter Käufer des Unternehmens würde beim Erwerb der Beteiligung nicht die Buchwerte der in der ertraglosen GmbH befindlichen Wirtschaftsgüter bezahlen, sondern allenfalls den Liquidationswert; dieser sei erfahrungsgemäß geringer als der Buchwert. Außerdem erfordere die Versilberung solcher Werte einen Zeitraum von etwa zwei Jahren. Es sei darum gerechtfertigt, die in den jahren 1956 und 1957 nachweislich erlittenen Verluste von rund 170 000 DM bei der Bemessung des Teilwertes zu berücksichtigen. Die Rückstellung, die das FG erwähnte, habe sie nicht begehrt, zumal sie bereits aus der zeitlichen Sicht des Einspruchsverfahrens (1962) ohne jeden steuerlichen Effekt wäre.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind Beteiligungen mit den Anschaffungskosten oder dem niedrigeren Teilwert anzusetzen. Der auf Grund des § 4 Abs. 3 des 3. DMBEG eingesetzte Wert entspricht nach § 5 Abs. 3 des 3. DMBEG den Anschaffungskosten. Ob ein niedrigerer Teilwert der Beteiligung gegeben ist, ist danach zu beurteilen, ob ein gedachter Erwerber des ganzen Unternehmens der Steuerpflichtigen am Bilanzstichtag im Rahmen des Gesamtkaufpreises unter der Annahme der Betriebsfortführung für die Beteiligung an der GmbH einen niedrigeren Wert als den Buchwert ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Ob und unter welchen Umständen die Ertraglosigkeit von Beteiligungen allgemein Anlaß zu einer Teilwertabschreibung sein kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Insbesondere kann unentschieden bleiben, ob allgemein der Substanzwert der Beteiligung die entscheidende Rolle spielt und der Ertragswert von untergeordneter Bedeutung ist, wie der BdF meint. Denn im vorliegenden Falle ist der Buchwert nach § 4 Abs. 3 des 3. DMBEG ausschließlich nach der Substanz der GmbH - nämlich dem Stammkapital zuzüglich der Rücklagen - ermittelt worden. Diese der Aufstockung zugrundegelegte Substanz hat bis zum Bilanzstichtag keine Einbuße erlitten. Denn durch den Ergebnisabführungsvertrag wird das positive und negative Einkommen der V-GmbH der Steuerpflichtigen zugerechnet; damit kann ein Anspruch der Steuerpflichtigen auf Gewinn gegenüber der V-GmbH nicht mehr entstehen, weil der Steuerpflichtigen Gewinne der V-GmbH auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages zufließen. Darüber hinaus ist die Steuerpflichtige durch den Ergebnisabführungsvertrag verpflichtet, bei der V-GmbH entstandene Verluste auszugleichen. Verluste der V-GmbH wirken sich dadurch unmittelbar bei der Steuerpflichtigen als Gewinnminderung aus (vgl. Urteil des BFH I 249/61 S vom 4. März 1965, BFH 82, 233, BStBl III 1965, 329); andererseits kann aus dem gleichen Grunde bei der V-GmbH kein Verlust eintreten, der zu einer Substanzminderung bei ihr führen könnte. Die Verlustübernahme durch die Steuerpflichtige führt bei der V-GmbH zu einer Substanzerhaltung oder, wie Rose es in "Der Betrieb" 1960 S. 1164 formuliert hat, dazu, daß der Substanzwert des Organunternehmens während der Dauer der Ergebnisabführungsvereinbarung erstarrt.

Auch die Frage, welche Werte im Falle einer Liquidation der GmbH durch einen Erwerber der Beteiligung zu erzielen wäre, braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Es ist zuzugeben, daß im Falle einer Liquidation nicht unter allen Umständen der Buchwert der bilanzierten Wirtschaftsgüter zu erzielen wäre. Dafür aber, daß die Wirtschaftsgüter der GmbH einen geringeren Liquidationswert als den Buchwert haben, ist von der Steuerpflichtigen nichts dargetan. Ihr Hinweis allein, daß dies der Erfahrung entspreche, kann jedenfalls den begehrten Teilwertabschlag nicht rechtfertigen. Da die Steuerpflichtige bei der Aufstockung nach § 4 Abs. 3 des 3. DMBEG von dem Eigenkapital der GmbH ausgehen mußte, durfte das FG annehmen, daß die in der Bilanz ausgewiesenen Werte auch realisierbar waren. Für einen geringeren Wert ergaben sich für das FG keine Anhaltspunkte. Es durfte auch bei dem ihm nach § 96 FGO zustehenden Recht der Beweiswürdigung zu der den BFH bindenden Feststellung gelangen, daß in den einzelnen Wirtschaftsgütern der V-GmbH noch stille Reserven enthalten waren. Das gilt insbesondere für die Grundstücke und Gebäude, auf deren Wertsteigerung besonders in den Jahren 1956 und 1957 der Prozeßbevollmächtigte der Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen hat. Ist aber in den Jahren 1956 und 1957 eine Wertsteigerung eingetreten, so läßt das den Schluß zu, daß der Grundbesitz auch in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum Bilanzstichtag an Wert gewonnen hat.

Richtig ist der Hinweis, daß für die Wertbestimmung der Beteiligung die Verhältnisse am Bilanzstichtag und nicht diejenigen im Zeitpunkt des späteren Verkaufs zu berücksichtigen sind. Das FG hat aber unabhängig von dem späteren Verkauf stille Reserven angenommen und für die Annahme in einem nachfolgenden Satz auf die späteren Veräußerungsvorgänge hingewiesen. Das bedeutet aber nicht, daß das FG etwa unzulässigerweise seine Feststellung nach dem Verkauf im Jahr 1957 getroffen hätte. Die Feststellung des FG wird auch nicht durch das Vorbringen der Steuerpflichtigen berührt, am Bilanzstichtag sei ein Kaufinteressent nicht bekannt gewesen; denn bei Behandlung der Frage, ob ein niedrigerer Teilwert vorliegt, wird im allgemeinen ein Erwerber unterstellt.

Erst recht kann die Steuerpflichtige einen niedrigeren Teilwert nicht mit den Verlusten in den Folgejahren 1956 und 1957 begründen; denn auch diese Verluste haben nicht den Wert der V-GmbH berührt. Sie haben vielmehr zu einer Gewinnminderung bei der Steuerpflichtigen geführt und können nicht darüber hinaus eine Abschreibung vom Buchwert der Beteiligung rechtfertigen.

Die vom BdF angeschnittene Frage, ob eine Teilwertabschreibung im Falle ständiger Verluste bei der Organgesellschaft z. B. dann in Frage kommen könnte, wenn sich mit der dauernden Verlustsituation angezeigt hat, daß der mit der Eingliederung des Unternehmens der Organgesellschaft verbundene wirtschaftliche Vorteil ganz oder zum Teil entfallen ist und damit die funktionale Bedeutung des Unternehmens der Organgesellschaft für das Unternehmen des Organträgers an Erheblichkeit verloren hat, kann hier unbeantwortet bleiben. Denn der Verlust einer solch funktionalen Bedeutung des Unternehmens der V-GmbH ist hier nicht vorgetragen.

Unter diesen Gesichtspunkten hat die Vorinstanz auch mit Recht ausgeführt, daß der von der Steuerpflichtigen begehrte Abzug der Vermögensabgabe mit dem höheren Zeitwert der Klage nicht zum Erfolg verhelfen kann; auch wenn dem Antrag der Steuerpflichtigen zu folgen wäre, ergäbe sich kein niedrigerer Teilwert der Beteiligung. Der Senat sieht auch keinen Anlaß, diese Frage zu vertiefen, weil die Steuerpflichtige in der Revisionsinstanz hierzu keine Ausführungen gemacht hat.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 48

BFHE 1970, 160

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