Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch die Rechtsprechung bei der Körperschaftsteuer anerkannte Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag wird aufrechterhalten.

Hat das Organ eine Schachtelbeteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 KStG, so kann nur das Organ als unmittelbar beteiligte Gesellschaft das Schachtelprivileg beanspruchen. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen sind die Schachteleinnahmen beim Organ als steuerfrei zu behandeln; die Schachteleinnahmen sind in die Zurechnung beim Organträger nicht einzubeziehen.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Die H.-Gesellschaft (im folgenden Organträger) schloß mit ihrer Tochtergesellschaft, einer AG (im folgenden Organ), am ... 1951 mit Wirkung vom 1. Januar 1951 für die Dauer von ... Jahren einen im Organverhältnis beruhenden Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Durch Beschluß der Hauptversammlung des Organs vom ... 1952 wurde ihr Vermögen nach § 45 DMBG mit Wirkung vom 1. Januar 1952 im Wege der Umwandlung auf den Organträger übertragen.

Streitig ist bei der Körperschaftsteuerveranlagung des Organträgers für 1952 die Berechnung der sich aus den Vorjahren, insbesondere aus dem Jahr 1951, ergebenden abzugsfähigen Verluste.

Das Organ erzielte im Jahre 1951 einen unstreitigen Steuerbilanzgewinn von 78 000 DM, in dem schachtelbegünstigte Einnahmen in Höhe von 84 000 DM enthalten waren, die das Organ von anderen Kapitalgesellschaften bezogen hatte. Die nicht abzugsfähigen Ausgaben des Organs im Jahre 1951 betrugen 4 000 DM, so daß sich bei dem Organ für 1951 ein Einkommen von 82 000 DM ergab. Da das eigene Einkommen des Organs in Höhe von 4 000 DM durch Verlustabzüge aus Vorjahren beseitigt wurde, ging das Finanzamt davon aus, daß das Organ den vollen steuerlichen Bilanzgewinn in Höhe von 78 000 DM auf Grund des EAV an den Organträger abgeführt habe. Damit gelangte der Organträger nach Auffassung des Finanzamts auf Grund der Ergebnisabführung in den Besitz der schachtelbegünstigten Einnahmen des Organs mit der Folge, daß diese Einnahmen bei dem Organträger zwar nicht zu einem steuerpflichtigen Einkommen führen dürften, wohl aber die Verluste der Vorjahre des Organträgers mindern müßten. Da der Organträger im Jahr 1951 einen Steuerbilanzgewinn von 23 000 DM erzielte und seine Verluste aus II/948 37 000 DM und aus 1949 und 1950 80 000 DM, zusammen also 117 000 DM betrugen, berechnete das Finanzamt den im Streitjahr 1952 abzugsfähigen Verlust des Organträgers aus 1951 wie folgt:

Steuerbilanzgewinn - - - - - 23.000 DM Verluste aus Vorjahren - - - 117.000 DM bleibt Verlust - - - - - - - 94.000 DM abzüglich vom Organ abgeführte Schachteleinnahmen - - - - - 78.000 DM abzugsfähiger Verlust aus 1951 16.000 DM.Der Organträger war der Auffassung, daß die schachtelbegünstigte Einnahme des Organs lediglich die eigenen Verluste des Organs ausgleichen könne, daß aber der infolge des Schachtelprivilegs beim Organträger nicht steuerpflichtige Mehrbetrag des abgeführten Handelsbilanzgewinns des Organs die Verluste des Organträgers der Vorjahre nicht tilgen könne. Denn es handle sich bei dem Organträger nicht um Schachteleinnahmen, sondern um ein bei ihm auf Grund besonderer steuerlicher Vorschriften nicht steuerpflichtiges, vom Organ abgeführtes Ergebnis. Daraus ergebe sich, daß die Verluste des Organträgers aus 1949 und 1950 (eine Abzugsfähigkeit des Verlustes II/1948 scheidet wegen Fristablaufs aus) bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1952 des Organträgers in voller Höhe mit 80 000 DM angerechnet werden müßten.

Die Berufung des Organträgers hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Nicht der Organträger, sondern das Organ habe im Jahre 1951 Schachtelgewinne in Höhe von 84 000 DM bezogen. Das Organ habe diese Schachtelgewinne auch nicht etwa als solche an den Organträger abgeführt. Sie seien vielmehr in das Geschäftsergebnis 1951 des Organs eingegangen und erst mit diesem auf den Organträger übergegangen. Dem Organträger habe deshalb für 1951 die Schachtelvergünstigung für diese Ergebnisübertragung nicht unmittelbar zugestanden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 439/32 vom 18. Februar 1933, RStBl 1933 S. 647). Es sei vielmehr zunächst das steuerlich maßgebende Ergebnis 1951 des Organs nach den Vorschriften des KStG, also unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 1 KStG, zu ermitteln. Erst der so ermittelte Gewinn des Organs könne dem Organträger zugerechnet und mit seinen Verlusten ausgeglichen werden. Das steuerlich maßgebende Ergebnis 1951 des Organs betrage nach Ausscheidung seiner nicht abzugsfähigen Ausgaben nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 109/53 U vom 24. November 1953 (BStBl 1954 III S. 21, Slg. Bd. 58 S. 281) 4 000 DM und nach Anwendung des § 9 Abs. 1 KStG 78 000 DM abzüglich 84 000 DM = 0 DM. Der EAV habe sich also für 1951 bei dem Organträger steuerlich nicht ausgewirkt. Es sei zwar richtig, daß, wenn ein EAV nicht bestünde, eine nach § 9 Abs. 1 KStG steuerfreie Gewinnausschüttung 1951 des Organs an den Organträger den Verlustabzug des Organträgers aus 1949/1950 gemindert hätten. Daraus folge jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts nicht, daß die in dem abgeführten handelsbilanzmäßigen Mehrgewinn 1951 enthaltenen Schachtelgewinne des Organs die gleiche Auswirkung haben müßten. Denn diese von dritten Gesellschaften bezogenen Schachtelgewinne des Organs könnten der nach § 9 Abs. 1 KStG begünstigten Ausschüttung des Organs an den Organträger nicht gleichgesetzt werden.

Gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts legte der Vorsteher des Finanzamts Rb. ein. Der Bundesminister der Finanzen trat dem Verfahren auf Anregung des Senats bei und trug u. a. vor, der Reichsfinanzhof habe in seinem Urteil I A 439/32 vom 18. Februar 1933, RStBl 1933 S. 647, den Grundsatz aufgestellt, daß das Schachtelprivileg dem Organträger nicht unmittelbar zustehe. Die Vergünstigung sei vielmehr lediglich bei Ermittlung des Ergebnisses anzuwenden, das dem Organträger zur Besteuerung zuzurechnen sei. Dieser Auffassung stimme er zu. Die Tatsache, daß sich das dem Organ zustehende Schachtelprivileg auf dem Weg über die steuerrechtliche Zurechnung mittelbar beim Organträger auswirke, mache es notwendig, auch die sonstigen steuerrechtlichen Auswirkungen, die mit den schachtelbegünstigten Einnahmen verknüpft seien, beim Organträger eintreten zu lassen. Zu diesen Auswirkungen zähle auch die Minderung des Verlustabzugs. Er ist ebenso wie das Finanzamt der Auffassung, aus dem Sinn und Zweck des EAV ergebe sich, daß die von dem Organ vereinnahmten Schachtelgewinne, soweit sie einerseits den abzuführenden, beim Organträger steuerpflichtigen Gewinn des Organs gemindert hätten, andererseits aber tatsächlich auf Grund der Ergebnisabführung dem Organträger zugeflossen seien, die Verlustabzüge des Organträgers aus den Vorjahren minderten. Das Finanzamt bezieht sich dafür insbesondere auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 370/42 vom 1. September 1943 (RStBl 1943 S. 765). In diesem Urteil habe der Reichsfinanzhof eine aus dem Sinn und Zweck des EAV hergeleitete Ausnahme von dem Grundsatz der getrennten Verrechnung der Gewinne des Organs und des Organträgers für den Fall gemacht, daß der Organträger nicht körperschaftsteuerpflichtig sei. In diesem Fall stehe dem Organ die Schachtelbegünstigung des § 9 Abs. 1 KStG nicht zu, weil der Gewinn nicht bei ihm, sondern beim Organträger versteuert werde, der das Schachtelprivileg nicht genieße. Der Organträger hält dem entgegen, die Ausscheidung der Schachtelgewinne des Organs aus dem dem Organträger zuzurechnenden Ergebnis folge aus den Rechtssätzen der Entscheidung des Reichsfinanzhofs IA 207/37 vom 17. September 1937, RStBl 1937 S. 1303. Dort finde sich die Feststellung, daß sachlich befreite Einkommensteile des Organs im Sinne der §§ 8 ff. KStG abzusetzen seien und nur der verbleibende Betrag dem Organträger zugerechnet werden könne.

Im Schrifttum hat u. a. Hübl in "Die steuerliche Betriebsprüfung" 1962 S. 118 ff. auf die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten für die Behandlung von Schachteldividenden des Organs hingewiesen.

Der Senat hat in einem Schreiben vom 4. April 1962 (Der Betriebs-Berater - BB - 1962 S. 438) an den Bundesminister der Finanzen Bedenken geäußert, ob die immer größer gewordene Bedeutung des Rechtsinstituts der Organschaft und der Ergebnisabführung im Körperschaftsteuerrecht und die zweifelhaft gewordenen, sehr bedeutsamen, weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung mit hinreichender Sicherheit zu lösenden Rechtsfragen (z. B. Bildung und Auflösung von offenen Rücklagen beim Organ, Schachtelprivileg und Ergebnisabführung) die weitere Aufrechterhaltung eines Rechtsinstituts durch die Rechtsprechung ermöglichen, dessen einzige gesetzliche Grundlage § 1 Abs. 2 StAnpG bilde. Es sei zweifelhaft, ob bei Bejahung der subjektiven Steuerpflicht des Organs § 1 Abs. 2 StAnpG eine ausreichende Grundlage dafür biete, daß die Einkünfte des Organs, wie es in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs überwiegend geschehen sei, dem Organträger zugerechnet werden. Es bestünden Bedenken, ob diese Vorschrift eine ausreichende Grundlage dafür biete, einen EAV wie einen betrieblichen Vorgang zu behandeln.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

I. Nachdem das preußische Oberverwaltungsgericht für den Bereich der Gewerbesteuer angenommen hatte, daß eine juristische Person als Angestellte für einen anderen tätig sein könne (Urteil V a 76/08 vom 30. Januar 1909, Oberverwaltungsgericht in Staatssteuersachen Bd. 14 S. 320), bestätigte der Reichsfinanzhof im Urteil I A 10/22 vom 31. März 1922, Slg. Bd. 9 S. 167, daß eine GmbH als Angestellte eines Gewerbetreibenden Einkommen aus Arbeit beziehen könne. Abgelehnt wurde stets die Zusammenfassung der an der Organschaft beteiligten Glieder zu einer steuerlichen Einheit (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs I D 2/31 und III D 2/32 vom 26. Juli 1932, RStBl 1933 S. 136). Auch eine einheitliche Ermittlung des Einkommens von Organ und Organträger wurde nicht zugelassen; das "steuerliche Ergebnis" des Organs sollte für sich ermittelt und dem Organträger zur Besteuerung zugerechnet werden (vgl. u. a. Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 401/32 vom 22. Januar 1935, RStBl 1935 S. 517). Damit war das Organ bilanzmäßig ohne Gewinn und Verlust, da Zu- und Absetzungen beim Handelsbilanzgewinn für die Zwecke der Steuerbilanz beim Organträger erfaßt wurden; darüber hinaus war aber das Organ auch steuerlich ohne (positives oder negatives) Einkommen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 439/32 vom 18. Februar 1933, RStBl 1933 S. 647). Diese Zurechnung wurde durch Urteil des Bundesfinanzhofs I 109/53 U vom 24. November 1953, BStBl 1954 III S. 21, Slg. Bd. 58 S. 281, dahin eingeschränkt, daß die vom Organ gezahlten Personensteuern nicht zu dem dem Organträger zuzurechnenden und von diesem zu versteuernden Betrag gehören, sondern als Teil des eigenen Einkommens des Organs von ihm selbst zu versteuern sind. Der Bundesfinanzhof hat damit der rechtlichen Selbständigkeit des Organs steuerlich ein größeres Gewicht beigemessen als der Reichsfinanzhof, dessen Rechtsprechung sich in den Auswirkungen der von ihm selbst stets abgelehnten Einheitstheorie näherte. Aus dem Charakter des Organs als Steuersubjekt folge notwendigerweise, daß es, trotz der wirtschaftlichen Eingliederung, auch Einkommen haben und objektiv steuerpflichtig sein müsse (Urteil I 73/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 151, Slg. Bd. 62 S. 407, und Gutachten I D 1/56 S. vom 27. November 1956, BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368). Im Urteil I 73/54 U vom 8. März 1955, BStBl 1955 III S. 187, Slg. Bd. 60 S. 489, wurde gesagt, daß der Muttergesellschaft nicht, der handelsbilanzmäßige Gewinn, sondern der nach den Grundsätzen des Steuerrechts ermittelte Gewinn der Organgesellschaft zuzurechnen ist, soweit er ohne Verletzung gesetzlicher Vorschriften nach den vertraglichen Vereinbarungen an die Muttergesellschaft abzuführen wäre, falls er in der Handelsbilanz ausgewiesen würde. Hiernach wird das steuerliche Mehrergebnis gegenüber dem Ergebnis der Handelsbilanz dem Organträger zugerechnet.

II. Auf die oben bezeichnete Anfrage in dem Schreiben des Senats vom 4. April 1962 haben in einer gemeinsamen Stellungnahme der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie- und Handelstag die Auffassung vertreten, daß in bezug auf die steuerrechtliche Beurteilung der Organschaft mit Ergebnisabführung Gewohnheitsrecht vorliege, da eine ständige übung und eine allgemeine Rechtsüberzeugung bei den beteiligten Kreisen vorliege. Der Bundesminister der Finanzen hat es dahingestellt sein lassen, ob dieser Rechtsansicht zu folgen sei.

Die Rechtsprechung hat stets die Möglichkeit bejaht, für die Körperschaftsteuer eine an sich rechtlich selbständige Gesellschaft als Organ eines sie beherrschenden Unternehmens anzusehen. Liegt ein solches Organverhältnis vor, so ist die Möglichkeit anerkannt, die mehrfache Belastung des Gewinns mit Körperschaftsteuer beim Organ und Organträger durch den Abschluß eines EAV auszuschließen und Verluste des Organs vom Organträger ausgleichen zu lassen (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 2/31 und III D 2/32 vom 26. Juli 1932, RStBl 1933 S. 136, und Urteil I A 439/32 vom 18. Februar 1933, RStBl 1933 S. 647, mit Angabe der früheren Rechtsprechung). Wie dieser Ausschluß zu qualifizieren ist, ist von der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt worden (vgl. Hübl in Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A 1965 S. 17 ff.); gleichwohl ist das Ergebnis aller Modifikationen, daß der Verlustausgleich zugelassen und der Gewinn des Organs nur einmal zur Körperschaftsteuer heranzuziehen ist. Dieses Institut der Organschaft mit EAV ist auch vom Bundesfinanzhof grundsätzlich anerkannt worden (vgl. Gutachten I D 1/56 S vom 27. November 1956, BStBl 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368).

Wie schon unter I. gesagt, ist die Abführung des gesamten Ergebnisses des Organs nicht zulässig, weil das Organ aus dem Gewinn noch eigene Steuern zu bezahlen hat. Was "tatsächlich" abzuführen ist, bestimmt sich nicht nach Steuerrecht, sondern nach dem EAV. Wenn auch nach allgemeinen Regeln ein Vertrag möglichst so auszulegen ist, daß die mit ihm beabsichtigten Rechtsfolgen legal eintreten können, treten die beabsichtigten steuerlichen Folgen nur ein, wenn die Parteien dementsprechend verfahren und keine steuerlich unabdingbaren Grundsätze verletzt werden. Ist so grundsätzlich vom Inhalt und der Durchführung des EAV auszugehen, so müssen vom Steuerrecht her u. a. Manipulationsmöglichkeiten, die für die Handelsbilanz bestehen, begrenzt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 73/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 151, Slg. Bd. 62 S. 407).

Nach Handelsbilanz und Steuerbilanz ergibt sich in Durchführung des EAV beim Organ eine Gewinnminderung zugunsten des Organträgers; dies wäre - da auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage beruhend - steuerlich eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn eine solche Beurteilung nicht durch das Rechtsinstitut der anerkannten Organschaft mit EAV ausgeschlossen wäre. Die steuerliche Anerkennung der Ergebnisabführung bewirkt, daß die Körperschaftsteuer beim Organ nicht zur Entstehung kommt.

Die mehr als 40jährige Rechtsprechung ist von den beteiligten Wirtschaftskreisen beachtet und zur Grundlage bedeutsamer unternehmerischer Entscheidungen gemacht worden. Auch der Gesetzgeber ist wiederholt von der Gültigkeit des Rechtsinstituts der Organschaft ausgegangen, indem er sie wiederholt zum Anknüpfungspunkt von gesetzlichen Vorschriften gemacht hat. Beispiele hierfür sind § 67 des Gesetzes über die Einführung des deutschen Rechts auf dem Gebiet der Steuern, Zölle und Finanzmonopole im Saarland vom 30. Juni 1959 (BGBl I S. 339, 352) und § 3 Abs. 1 des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 (BGBl I S. 502). Es wurde darum allgemein als Rechtens empfunden, daß im Falle der organschaftlichen Abhängigkeit in Verbindung mit einem EAV die doppelte Heranziehung zur Körperschaftsteuer vermieden werden kann, d. h., daß der Gewinn beim Organ nicht der Körperschaftsteuer unterliegt, wenn er beim Organträger zur Körperschaftsteuer heranzuziehen ist. Der Senat ist der Ansicht, daß durch den Gerichtsgebrauch bei den beteiligten Kreisen eine Rechtsüberzeugung dahin begründet worden ist, daß gleichartige Fälle in diesem Sinne entschieden werden; diesem Umstand ist ein so starkes Gewicht beizumessen, daß im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung das Institut der Organschaft mit EAV anzuerkennen ist.

Andererseits kann nicht verkannt werden, daß die Auffassungen über die Wirkungen des EAV nicht unerheblich voneinander abweichen und auch die Rechtsprechung bei seiner Beurteilung nicht immer einheitlich verfahren ist. Da sich bei steuerlicher Anerkennung der Organschaft mit EAV auch den Steuerpflichtigen belastende Momente ergeben können, erscheint es dem Senat geboten, daß der Gesetzgeber in angemessener Zeit die Organschaft mit EAV gesetzlich regelt. Das Steuerrecht ist Eingriffsrecht und erfordert klare Rechtssätze, zumal dem Problem auch wesentliche Bedeutung für die Wirtschaftspolitik zukommt. Wenn auch zur Zeit an diesem allein von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsgebilde festzuhalten geboten ist, so erscheint es zweifelhaft, ob der Grundsatz der Rechtssicherheit dies für eine unbeschränkte Zukunft gestattet.

III. Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt im Jahre 1951 dem Organträger den gesamten Bilanzgewinn des Organs einschließlich der von diesem bezogenen Schachtelgewinne zugerechnet und dem Organträger hierfür die Schachtelvergünstigung des § 9 Abs. 1 KStG gewährt. Da Organ und Organträger keine Einheit bilden (Ablehnung der Einheitstheorie), vielmehr beide Gesellschaften nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gesondert zu besteuern sind, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des Schachtelprivilegs in bezug auf die Schachtelgewinne des Organs beim Organträger nicht vor; denn nach der zwingenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 KStG steht das Schachtelprivileg nur der Kapitalgesellschaft zu, die unmittelbar an einer anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Da der Organträger die Beteiligung nicht selbst hält, kann ihm die Schachtelvergünstigung auch nicht gewährt werden. Dies ist vom Finanzgericht zutreffend erkannt worden.

Dem Finanzgericht ist ferner darin beizutreten, daß vor der Zurechnung beim Organträger das steuerlich maßgebende Ergebnis des Organs zu ermitteln ist. Das Ergebnis der überlegungen zu I. und II. rechtfertigt es, die durch § 9 Abs. 1 KStG zugebilligte Steuerbefreiung der Schachteleinnahmen dem Organ zuzubilligen. Da nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 276/61 S. vom 3. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 464, Slg. Bd. 77 S. 394) das Schachtelprivileg eine sachliche Steuerbefreiung darstellt, sind die Schachteleinnahmen so zu behandeln, als wären sie steuerfrei vereinnahmt worden; sie mindern also den steuerlichen Gewinn des Organs. Infolgedessen konnte dem Organträger nur der um die steuerbefreiten Einnahmen geminderte Gewinn zugerechnet werden, während die steuerfreien Einnahmen mit den anderen dem Organ verbleibenden Gewinnen bei diesem zur Besteuerung herangezogen werden; dadurch kommt das Organ in den Genuß des Schachtelprivilegs. Das steuerlich maßgebende Ergebnis 1951 des Organs betrug im vorliegenden Fall 0 DM, so daß auf Grund des EAV dem Organträger nichts zuzurechnen war.

IV. Da nach dem oben bezeichneten Urteil I 276/61 S als Folge der Anerkennung des Schachtelprivilegs als sachliche Steuerbefreiung Schachteleinnahmen den abzugsfähigen Verlust der Organgesellschaft nicht mindern, kann sich das Finanzamt keinesfalls mehr darauf berufen, daß durch den Abzug der Schachteleinnahmen im Jahr 1951 der Verlustabzug aus den Vorjahren aufgezehrt sei.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1951 (in Verbindung mit § 6 KStG 1951 und § 15 KStDV 1951) können Verluste der drei vorangegangenen Veranlagungszeiträume abgezogen werden, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeglichen oder abgezogen worden sind. Im Jahr 1951 ist nur ein Teil des Verlustes aus II/1948 verbraucht worden. Dies hat zur Folge, daß die Verluste 1949 und 1950 noch nicht ausgeglichen und ungekürzt bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1952 abzusetzen sind. Die Vorentscheidung ist darum im Ergebnis zu bestätigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411565

BStBl III 1965, 329

BFHE 1965, 233

BFHE 82, 233

BB 1965, 575

BB 1965, 743

DB 1965, 728

DStR 1965, 342

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