Leitsatz (amtlich)

Einem aus dem Finanzverwaltungsdienst des Landes Niedersachsen ausgeschiedenen Beamten oder Angestellten darf nach geltendem Recht bei der Zulassung als Helfer in Steuersachen nicht die Auflage gemacht werden, er dürfe eine gewisse Zeit nicht für solche Steuerpflichtige tätig sein, für die er vor seinem Ausscheiden als Beamter oder Angestellter zur Bearbeitung ihrer Steuersachen zuständig gewesen war.

 

Normenkette

GG Art. 12 Abs. 1; AO § 107a Abs. 1; DV zu § 107a AO vom 11. Januar 1936 (RGBl I S. 11) § 2

 

Tatbestand

Der Bg. war bis 1956 als Steuerinspektor und Veranlagungssachbearbeiter beim Finanzamt B. tätig. Er schied am 29. Februar 1956 auf eigenen Wunsch aus der Finanzverwaltung aus und beantragte, ihn ohne Prüfung als Helfer in Steuersachen zuzulassen.

Das Finanzamt entsprach dem Antrag des Bg. mit Verfügung vom 1. März 1956, jedoch mit der Einschränkung, daß der Bg. bis zum 28. Februar 1959 nicht für solche Steuerpflichtige tätig werden dürfe, für die er seit dem 1. März 1953 als Sachbearbeiter beim Finanzamt B. zuständig gewesen sei.

Gegen diese Einschränkung der Erlaubnis legte der Bg. Beschwerde an die Oberfinanzdirektion ein. Er bezog sich unter anderem auf Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Beschwerde blieb erfolglos. Auf die Berufung hob das Finanzgericht die Beschwerdeentscheidung auf; es verneinte eine gesetzliche Grundlage für die Beschränkung der Tätigkeit des Bg. und sprach in dem Urteil aus, daß der Bg. ohne Einschränkung als Helfer in Steuersachen zuzulassen sei.

Gegen dieses Urteil hat die Oberfinanzdirektion Rb. eingelegt. Die Bfin. ist insbesondere der Ansicht, daß die Vorinstanz den Begriff der persönlichen Eignung verkannt habe, deren Vorliegen für eine Zulassung zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 107a Abs. 1 AO, § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung (DV zu § 107a AO) vom 11. Januar 1936, RGBl 1936 I S. 11, RStBl 1936 S. 65, erforderlich ist. Die Oberfinanzdirektion beantragt, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Rechtmäßigkeit der dem Bg. auferlegten Tätigkeitseinschränkung zu bestätigen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.

Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, weil der Termin, bis zu dem die Betätigungseinschränkung vom Finanzamt ausgesprochen war, verstrichen ist. Es ist somit nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden, und zwar so, wie wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht erledigt wäre.

1. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet dem einzelnen Staatsbürger das Grundrecht der Berufsfreiheit. Dieses Grundrecht kann nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz geregelt werden. In Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377 ff., 402 ff., geht der erkennende Senat von den nachstehenden grundsätzlichen Erwägungen aus:

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist ein einheitliches Grundrecht jedenfalls in dem Sinne, daß der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sich "dem Grunde nach" sowohl auf die Berufs ausübung wie auf die Berufs wahl erstreckt. Die Befugnisse des Gesetzgebers hinsichtlich jeder dieser "Phasen" der Berufstätigkeit gehen aber inhaltlich nicht gleich weit. Die Freiheit der Berufsausübung -- des "Wie", der "Modalitäten" der beruflichen Tätigkeit -- darf nach dem Leitsatz 6 a des genannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen. Die gesetzliche Beschränkung kann durch formelles Gesetz geschehen.

Bis zum Inkrafttreten des GG konnte sie grundsätzlich auch durch Rechtsverordnung, die auf gesetzlicher Grundlage ergangen war, vorgenommen sein (vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 100/57 vom 7. Januar 1959, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 9 S. 73 ff., besonders Rechtssatz 2). Die Freiheit der Berufswahl -- des "Ob" der beruflichen Betätigung, der "Substanzverwirklichung" eines Berufs (vgl. v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, I 1957 Bem. IV 2b zu Art. 12) -- darf nach dem Leitsatz 6 b des Urteils des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 gesetzlich nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Macht das Gesetz die Aufnahme (und die Fortsetzung) der Berufstätigkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig, so sind zu unterscheiden: subjektive Zulassungsvoraussetzungen, die nur diejenigen Anforderungen "konkretisieren" und "formalisieren", die der Berufsbewerber zur ordnungsmäßigen Ausübung seines Berufs ohnehin erfüllen müßte (vgl. Bachof, Juristenzeitung 1958 S. 470 VI), und objektive Zulassungsvoraussetzungen, deren Erfüllung dem Einfluß des Einzelnen schlechthin entzogen ist. Die Regelungsbefugnis hinsichtlich der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen "legitimiert sich aus der Sache heraus", erweist sich "als das adäquate Mittel zur Verhütung möglicher Nachteile und Gefahren" und unterliegt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, daß "die vorgeschriebenen subjektiven Voraussetzungen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen dürfen" (vgl. Bundesverfassungsgericht im angeführten Urteil 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 S. 407). An die gesetzliche Aufstellung etwaiger objektiver Zulassungsvoraussetzungen sind dagegen ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts a. a. O. S. 408).

2. Bei der Verfügung des Finanzamts vom 1. März 1956 handelt es sich nicht um eine in die Freiheit der Berufswahl eingreifende Zulassungsbeschränkung. Es ist dem Finanzgericht darin beizupflichten, daß eine nach Sachgegesichtspunkten begrenzte (partielle) Erlaubniserteilung an Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, auch der gesetzlichen Grundlage bedürfte, eine solche ausdrückliche gesetzliche Regelung von Ausnahmen für Fälle der streitigen Art jedoch nicht besteht. Insbesondere kennen die Vorschriften des § 107 a Abs. 1 AO und des § 2 DV zu § 107 a AO den Begriff einer partiellen persönlichen Eignung für den Beruf als Helfer in Steuersachen nicht. In der Verfügung vom 1. März 1956 ließ das Finanzamt den Bg. auch nicht sachlich nur zum Teil zu. Es machte vielmehr lediglich eine Auflage für die Berufs ausübung. Auch eine solche Beschränkung der Berufsausübung bedurfte nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG aber der gesetzlichen Grundlage. Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, daß nach dem derzeit in Niedersachsen geltenden Recht eine gesetzliche Ermächtigung für die Verfügung des Finanzamts vom 1. März 1956 nicht gegeben ist. Wenn die Bfin in Ziff. 2 a am Ende ihrer Rechtsbeschwerdebegründung von einer milden Handhabung ihres "Ermessens" spricht, so kann dem nicht zugestimmt werden. Die Verwaltung bedarf, wie ausgeführt, einer gesetzlichen Ermächtigung für ihr Handeln (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG; Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Sie hat auch einen etwaigen Ermessensspielraum nur auf der Grundlage und im Rahmen des Gesetzes. Das gilt sowohl für die Regelung der Berufsausübung wie der Berufszulassung. Die Vorschriften des § 107a Abs. 1 AO und des § 2 DV zu § 107a AO -- letztere mit Ausnahme der Bedürfnisprüfung -- regeln in einer diesen Erfordernissen entsprechenden Weise die Voraussetzungen für die Zulassung. Allerdings hat der die Erlaubnis Nachsuchende bei Erfüllung dieser gesetzlichen Voraussetzungen (persönliche Eignung, Zuverlässigkeit und genügende Sachkunde) ein Recht auf die Zulassung; die Zulassung als solche steht dann nicht mehr im Ermessen des Finanzamts. Ein Ermessensspielraum wird für die Fälle der Erteilung der allgemeinen Erlaubnis nach § 107 a Abs. 1 AO lediglich in ganz engen Grenzen gegeben sein, so dann, wenn der Bewerber die nach § 3 Abs. 1 DV zu § 107 a AO mögliche Erweiterung der Zulassung über den normalen örtlichen Bereich hinaus beantragt.

3. Die Bfin. meint, es sei eine gesetzliche Grundlage für ihre Verfügung gegeben, welche die Ausübung der Tätigkeit des Bg. durch die dreijährige partielle Sperrfrist beschränkte. Der Senat vermag sich den entsprechenden Rechtsausführungen der Bfin. nicht anzuschließen.

a) Aus beamtenrechtlichen Vorschriften kann die Rechtsgrundlage dafür nicht hergeleitet werden. Die Vorinstanz hat nicht verkannt, daß insbesondere die Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses den Beamten auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt weiterhin bindet. Es trifft andererseits aber auch zu, daß die beamtenrechtlichen Vorschriften als solche keine ausdrückliche Bestimmung enthalten, die eine befristete, teilweise Einschränkung der Betätigung des Bg. rechtfertigen könnten.

b) Auch der Hinweis auf § 67 (besonders Abs. 1 Nrn. 3 und 5) AO kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Der Rechtsgedanke der Vorschrift des § 67 Abs. 1 (insbesondere der Nr. 3) AO läßt sich nicht ohne weiteres auf umgekehrte Fälle anwenden, zumal die Vorschrift des § 67 AO nur die Ausschließung von Amtsträgern betrifft (vgl. auch die Überschrift des Fünften Abschnitts des Ersten Teils der AO).

c) Ferner ist die Vorschrift des § 356 des Strafgesetzbuches (StGB) über den Parteiverrat von Rechtsanwälten und Rechtsbeiständen nicht geeignet, die angeordnete Tätigkeitsbeschränkung zu rechtfertigen. Eine gesetzliche Grundlage für die ausgesprochene Tätigkeitsbeschränkung des Bg. kann entgegen der Auffassung der Bfin auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 356 StGB entnommen werden.

d) Auch die beabsichtigte Neuregelung im § 33 des Enwurfs eines Steuerberatungsgesetzes (Bundestag 3. Wahlperiode Drucksache Nr. 128 vom 10. Januar 1958) kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Bundesfinanzhof kann seine Entscheidung nur nach dem geltenden Recht treffen. Die in der Fassung des § 33 des Entwurfs zum Steuerberatungsgesetz geplante Vorschrift ist auch nicht als der Niederschlag eines allgemeinen Rechtsgedankens anzusehen (vgl. die Begründung zu § 33 des Entwurfs, die Änderungsvorschläge des Bundesrates, die abweichende Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 4 der -- auf Grund gesetzlicher Ermächtigung ergangenen -- bayerischen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes Nr. 105 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 15. Dezember 1948, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1949 S. 4 ff., 8, sowie die andersartige Regelung für Rechtsanwälte in § 20 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959, BGBl 1959 I S. 565 ff.).

4. Auch soweit die Bfin. vor allem bemängelt, daß die Vorinstanz den Begriff der persönlichen Eignung verkannt habe, kann der Rb. nicht gefolgt werden. Der auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erlassene, insoweit mit dem GG im Einklang stehende § 2 DV zu § 107 a AO fordert als subjektive Zulassungsvoraussetzung unter anderem das Vorliegen der persönlichen Eignung des Bewerbers. Daß diese bei dem Bg. gegeben ist, hat das Finanzgericht ohne Tatsachen- und Rechtsverstoß bejaht.

a) Wie oben unter Ziffer 2 dargelegt wurde, kennen die Vorschriften des § 107 a AO und des § 2 DV zu § 107 a AO den Begriff einer partiellen persönlichen Eignung für den Beruf als Helfer in Steuersachen nicht. Nach der zur Zeit für Niedersachsen geltenden gesetzlichen Regelung hätte der Bg., wenn die Ansicht zuträfe, daß er in gewisser Beziehung -- partiell -- für eine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nicht geeignet sei, überhaupt nicht zugelassen werden dürfen. Schon dieses Ergebnis, das gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen würde, zeigt, daß die Meinung der Bfin. nicht zutreffen kann. Im übrigen ist es zwar richtig, daß es bei der Beurteilung der persönlichen Eignung auf die objektiven Verhältnisse ankommt; es handelt sich nicht um eine Frage des Verschuldens. Der objektive Maßstab ist aber mit Bezug auf den einzelnen Fall anzulegen; auf die Verhältnisse in diesem Fall ist abzustellen. Unstreitig hat sich der Bg. als Beamter untadelhaft geführt. Es besteht auch kein Anlaß, an seiner persönlichen Eignung als Helfer in Steuersachen zu zweifeln, etwa anzunehmen, daß er die fortwirkende Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses nicht weiterhin -- auch seinen Mandanten gegenüber -- einhalten werde. Es trifft, wenn der ausgeschiedene Beamte die erforderlichen Grenzen einhält, auch nicht zu, daß der Helfer in Steuersachen der Finanzverwaltung und seinen Mandanten gegenüber nicht die notwendige Freiheit haben könne. Die Gründe, welche die Bfin. für ihre gegenteilige Meinung anführt, mögen für eine gesetzliche Änderung -- etwa im Sinne des § 33 des Entwurfs zum Steuerberatungsgesetz -- von Bedeutung sein; vom Standpunkt des geltenden Rechts sind sie nicht durchschlagend.

b) Es wird künftig aber noch folgendes zu beachten sein:

Derjenige, der sich um die Erteilung der Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen bemüht, und derjenige, der sie erwirkt hat, muß die Grenzen einhalten, die das Gesetz durch die Zulassungserfordernisse: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit zieht. Seine persönliche Eignung würde nicht (mehr) gegeben sein, wenn er diese Grenzen überschritte. Das würde z. B. dann der Fall sein können, wenn er etwa bereits während der Zeit, in der er als Beamter im öffentlichen Dienst stand, mit Dritten die Hilfeleistung in Steuersachen für die Zeit nach seinem Ausscheiden als Beamter vereinbarte oder wenn er die Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses nicht auch weiterhin einhielte. Die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung würden vor allem dann zu verneinen sein, wenn er in der gleichen Rechtssache, in der er vor seinem Ausscheiden tätig -- nicht nur: für die er, ohne in ihr tätig zu sein, zuständig -- war, nunmehr für den Steuerpflichtigen in dem entgegengesetzten Interesse tätig würde (vgl. dazu auch § 45 Nrn. 1 und 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung, zum früheren Recht: Friedlaender, Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, 3. Aufl., 1930, Bem. 4 zu § 31 Ziff. 2). Der ausgeschiedene Beamte darf daher insbesondere gegenüber einer bestimmten Steuerveranlagung, die er mit bearbeitet hat, nicht das Rechtsmittel für den Steuerpflichtigen durchführen. Bei Verstoß gegen diese Grundsätze muß er mit einer Entziehung der Zulassung rechnen.

5 Da im Ergebnis -- ohne die Erledigung der Hauptsache -- die Rb. der Oberfinanzdirektion (Bfin.) als unbegründet hätte zurückgewiesen werden müssen, waren die Kosten dem Lande aufzuerlegen (§§ 307, 309 AO).

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 123

BFHE 1960, 330

NJW 1960, 792

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