Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Beiträge zu einer allgemeinen Unfallversicherung sind bei einem praktischen Arzt in der Regel keine abzugsfähigen Betriebsausgaben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Tatbestand

Die Bfin., eine praktische ärztin, hat ihren Gewinn 1955 gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ermittelt. In der Einkommensteuererklärung 1955 hat sie eine Prämie in Höhe von 5.115,15 DM für eine Berufsunfallversicherung mit Prämienrückgewähr, die sie für die Zeit vom 1. Dezember 1953 bis 1. Dezember 1963 abgeschlossen hatte, als Betriebsausgabe abgesetzt.

Das Finanzamt erkannte die geltend gemachte Prämie in der Einspruchsentscheidung nur in Höhe von 139 DM gewinnmindernd an, da die Prämie für die reine Unfallversicherung ohne Prämienrückgewähr nur so viel betrage.

Das Finanzgericht ließ hingegen die für die Unfallversicherung gezahlte Versicherungsteuer und sonstige Kosten in Höhe von 244 DM als Betriebsausgabe zum Abzug zu, während es den Rest von 4.871 DM im Rahmen des Sonderausgabenhöchstbetrages (§ 10 Abs. 3 Ziff. 3 EStG) als Sonderausgabe behandelte. Es ließ sich dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:

Wohl sei die Unfallversicherung von der Bfin. als ärztin im betrieblichen Interesse abgeschlossen worden. Die von der Bfin. zur Unfallversicherung geleistete Zahlung stelle aber eine gewinnmindernde Betriebsausgabe nur in der Höhe dar, als die Bfin. keinen Rückgewähranspruch besitze. Das sei nur für die geleistete Versicherungsteuer und für sonstige Gebühren in Höhe von 244 DM der Fall. Soweit die Prämienzahlung aber keine Betriebsausgabe darstelle, sei sie eine Sonderausgabe im Sinne von § 10 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1955. Dies gelte auch für eine Prämie mit Rückgewähr zu einer Unfallversicherung in voller Höhe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Prämienzahlungen für eine allgemeine Unfallversicherung zu eigenen Gunsten stellen im allgemeinen Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1955 dar, soweit es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt. Die Prämienzahlungen können jedoch nur dann Betriebsausgaben bilden, wenn der Versicherungsvertrag als solcher Betriebsvermögen darstellt (notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen). Notwendiges Betriebsvermögen wird nur dann gegeben sein, wenn es sich um einen Betrieb handelt, bei dem in erheblichem Umfang mit Betriebsunfällen gerechnet werden muß und die Betriebsunfälle die Veranlassung zu dem Abschluß der Versicherung waren, wie dies auf Personen mit besonders gefahrerhöhender Tätigkeit, z. B. auf Bauten, Dächern, Gerüsten, in Bergwerken, Steinbrüchen, bei Spreng- und Räumpersonal für Kriegsmunition, Berufs- und Vertragsfußballspielern, Boxern, Tauchern u. ä. zutrifft. Ist die spezifisch betriebliche Unfallgefahr des Betriebs dagegen sehr gering und im Rahmen der Beurteilung der Gesamtgefährdung des Versicherten ohne beachtliche Bedeutung, so liegt notwendiges Privatvermögen vor. Werden in diesem Fall Versicherungsleistungen zu Lasten des Betriebs gezahlt, so handelt es sich um Privatentnahmen, die bei Ermittlung des Betriebsergebnisses auszuscheiden sind. Sind für den Abschluß der Versicherung beachtliche private und beachtliche betriebliche Gründe maßgebend, so sind die für gewillkürtes Betriebsvermögen aufgestellten Grundsätze anzuwenden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 318/39 vom 14. Juni 1939, RStBl 1939 S. 910).

Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten vermag der Senat der Vorinstanz darin nicht zu folgen, daß die Unfallversicherung von der Bfin. im betrieblichen Interesse abgeschlossen worden ist. Es kann zumindest bei der Tätigkeit einer praktischen ärztin nicht von einer solchen besonders gefahrerhöhender Art im oben angeführten Sinne die Rede sein. Hierfür würde nicht einmal der Umstand sprechen, daß die Bfin. in gewissem Umfang auch aus beruflichen Gründen mit ihrem PKW am Straßenverkehr teilnimmt und damit den sich hieraus ergebenden Risiken unterliegt. Diesen Gefahren unterliegt jeder Kraftfahrer, gleich ob er mehr oder weniger beruflich oder privat an ihm teilnimmt. Es ist durchaus denkbar, daß private Kraftfahrer eine wesentlich größere Jahreskilometerleistung mit dem PKW als etwa ein Arzt, Rechtsanwalt oder auch ein Arbeitnehmer aus betrieblichen oder beruflichen Gründen zurücklegen, ohne daß sie deswegen zu einer erhöhten Prämie herangezogen werden. Jedenfalls handelt es sich hierbei nicht um ein spezifisch betriebliches bzw. berufliches Unfallrisiko. Dies ergibt sich im übrigen aus der Tarifstaffelung für die Unfallversicherung, nach der zu den Personen mit besonders gefahrerhöhender und deswegen wesentlich höhere Prämien auslösender Teilnahme am Straßenverkehr nur Berufskraftfahrer auf PKW und LKW zu rechnen sind. Dieses sich allgemein aus der Teilnahme am Straßenverkehr ergebende Unfallrisiko bleibt in der Tarifgestaltung unberücksichtigt. Die Prämienzahlungen können daher im Hinblick auf dieses Risiko auch steuerlich nicht unterschiedlich behandelt werden, etwa danach, ob ein Steuerpflichtiger das Kraftfahrzeug als Arzt für seine Patientenbesuche, als Arbeitnehmer für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder für Privatfahrten benutzt. Die vom Straßenverkehr ausgehende Gefahr ist vielmehr insoweit privater, nicht betrieblicher bzw. beruflicher Natur.

Aber auch sonst kann zumindest der praktische Arzt für den Bereich der Unfallversicherung nicht zu dem Personenkreis mit besonders gefahrerhöhender Tätigkeit gerechnet werden. Hierbei kann nicht unbeachtet bleiben, daß die für einen Arzt wohl häufigsten Risiken, nämlich Gefährdung durch die Berührung mit Krankheiten, Heilmitteln und Heilmethoden (insbesondere z. B. Strahlen) fast völlig aus dem Versicherungsschutz ausdrücklich ausgenommen sind (§ 2 Abs. II Ziff. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Wohl ist der Ausschluß sämtlicher Infektionskrankheiten durch die besonderen Vertragsbedingungen insofern etwas gemildert, als in Ausübung der versicherten Berufstätigkeit entstandene Infektionen als Unfälle dann gelten, wenn die Krankheitserreger durch eine Beschädigung der Haut - dabei muß mindestens die äußere Hautschicht durchtrennt sein - oder durch Einspritzen infektiöser Massen in Auge, Mund oder Nase in den Körper gelangt sind. Anhauchen, Anniesen oder Anhusten erfüllen den Tatbestand des Einspritzens nicht; Anhusten nur dann, wenn durch den Hustenstoß eines Diphtheriekranken infektiöse Massen in Auge, Mund oder Nase geschleudert werden. Alle diese Möglichkeiten sind aber gerade bei einem praktischen Arzt äußerst selten.

Es ist demnach davon auszugehen, daß der wesentliche Teil der Betriebsgefahr nicht, wohl aber die Gesamtgefährdung des Versicherten in der Privatsphäre durch den Unfallversicherungsvertrag gedeckt ist. Der versicherte Anteil an der Betriebsgefahr ist im Verhältnis zur Gesamtgefährdung der Bfin. so unerheblich, daß die Aufwendungen für den Unfallversicherungsvertrag bei Anlegung eines strengen Maßstabes in seiner Gesamtheit in die Privatsphäre der Bfin. gehören (vgl. § 12 Ziff. 1 EStG). Der Vertrag kann infolgedessen auch nicht zum Gegenstand des gewillkürten Betriebsvermögens gemacht werden, selbst wenn sonst hierfür alle anderen Voraussetzungen bei der Bfin. erfüllt wären. Die Prämienzahlungen einschließlich Versicherungsteuer und Gebühren sind demzufolge steuerlich nicht als Betriebsausgaben zu behandeln, ohne daß es noch eines Eingehens auf die Frage bedarf, ob bzw. in welchem Umfang die überhöhten Prämien bei einer Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr steuerlich Betriebsausgaben darstellen.

Ferner erscheint es mit Rücksicht auf das offensichtliche übergewicht des Sparcharakters des Unfallversicherungsvertrages zumindest zweifelhaft, ob die Prämienzahlungen im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 18/60 U vom 11. Januar 1963, BStBl 1963 III S. 234). Es bedarf jedoch im Streitfall weder einer Richtigstellung der Betriebsausgaben um die vom Finanzgericht zu Unrecht abgesetzten 244 DM für Versicherungsteuer und Gebühren noch einer näheren Prüfung der Frage der Berücksichtigung der Prämien als Sonderausgabe, da der Senat wegen der nur geringfügigen steuerlichen Auswirkung auf jeden Fall von einer Verböserung absehen würde.

Die Rb. war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410832

BStBl III 1963, 399

BFHE 1964, 217

BFHE 77, 217

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