Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche und gesonderte Feststellung des Inlandsvermögens einer niederländischen Venootschap onder Firma

 

Leitsatz (NV)

1. Das Inlandsvermögen einer niederländischen Venootschap onder Firma (VoF) i. S. des § 121 Abs. 2 BewG ist gemäß § 180 Abs. 1 AO 1977 einheitlich und gesondert festzustellen. Denn es ist nicht der VoF, die selbst nicht beschränkt vermögensteuerpflichtig ist, sondern deren Gesellschaftern zuzurechnen. Diese unterliegen mit dem ihnen zuzurechnenden Anteil, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 2 VStG erfüllen, der unbeschränkten Steuerpflicht und, soweit sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VStG erfüllen, der beschränkten Steuerpflicht.

2. Verpachtet eine ausländische Gesellschaft inländischen Grundbesitz, liegt insoweit keine gewerbliche Tätigkeit im Inland vor; der verpachtete Grundbesitz stellt daher kein inländisches Betriebsvermögen i. S. des § 121 Abs. 2 BewG dar. Damit entfällt die gesonderte Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Statt dessen ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung der zum Inlandsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter sowie der damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 durchzuführen.

 

Normenkette

BewG §§ 3, 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 121 Abs. 2-3; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 180 Abs. 1 Nrn. 1, 3; VStG § 1 Abs. 1-2, § 2 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der ehemaligen X Vennootschap onder Firma (VoF), einer im Jahre 1977 gegründeten offenen Handelsgesellschaft (OHG) niederländischen Rechts, die Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden hatte. Gesellschafter der VoF waren die Klägerin zu 1 zu 99 v. H. und die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2 (Klägerin zu 2) zu 1 v. H. Im Dezember 1982 erwarb die Klägerin zu 1 die Beteiligung der Klägerin zu 2 und trat dadurch in vollem Umfang die Gesamtrechtsnachfolge der VoF an. Das Aktivvermögen der VoF bestand zu den im Streitfall maßgebenden Bewertungsstichtagen im wesentlichen aus im Inland belegenem Grundbesitz, der an die Klägerin zu 1 verpachtet war.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, daß die VoF nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) als Personenvereinigung im Sinne dieser Vorschrift beschränkt vermögensteuerpflichtig sei. Das FA lehnte deshalb die von den Gesellschaftern beantragte einheitliche und gesonderte Feststellung des Inlandsvermögens und dessen Aufteilung auf die Gesellschafter ab. Das FA ermittelte das Inlandsvermögen der VoF auf den 1. Januar 1978 und auf den 1. Januar 1979 mit ./. ... DM und auf den 1. Januar 1980 mit ./. ... DM und setzte dementsprechend die Vermögensteuer für die Jahre 1978 bis 1980 auf jeweils 0 DM fest. Auf den 1. Januar 1981 und 1982 hat das FA keine Vermögensteuerfestsetzungen vorgenommen. Auf die gegen die Vermögensteuerfestsetzungen 1978 bis 1980 nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) die Vermögensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1980 ersatzlos aufgehoben. Hiergegen hat das FA Revision eingelegt, die der Senat mit Entscheidung vom heutigen Tage Az. II R 24/91 als unbegründet zurückgewiesen hat.

Außerdem erhoben beide Klägerinnen als ehemalige Gesellschafter der VoF nach erfolglosem Einspruch gegen die Ablehnung einer einheitlichen und gesonderten Feststellung des Betriebsvermögens der VoF Klage, mit der sie geltend machten, das FA sei zu Unrecht von einer Vermögensteuerpflicht der VoF als Personenhandelsgesellschaft niederländischen Rechts ausgegangen.

Das FG gab der Klage statt und verpflichtete das FA, die Einheitswerte des inländischen Betriebsvermögens der VoF für die Stichtage 1. Januar 1978 bis 1. Januar 1982 einheitlich und gesondert festzustellen.

Das FG begründet seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß die VoF nicht selbständig beschränkt vermögensteuerpflichtig gewesen sei. Zwar spreche der reine Wortlaut des § 2 Abs. 1 VStG dafür, daß die VoF als Personenvereinigung mit ihrem im Inland belegenen Grundvermögen der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliege. Aus der Aufzählung der unbeschränkt vermögensteuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 a bis g VStG ergebe sich aber, daß reine Personen- und Personenhandelsgesellschaften wie die OHG und die KG nicht selbständig vermögensteuerpflichtig sein sollen. Dies gelte auch für den Bereich der beschränkten Vermögensteuerpflicht. Die Frage nach der selbständigen beschränkten Vermögensteuerpflicht einer ausländischen Personenhandelsgesellschaft könne letztlich nur danach beurteilt werden, ob sie einer der in § 1 Abs. 2 a bis g VStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar ist. Insoweit müsse hier dasselbe gelten, wie es der Bundes finanzhof (BFH) mit Urteil vom 3. Februar 1988 I R 134/84 (BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588) für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht einer ausländischen Personengesellschaft entschieden habe. Da die VoF als Personenhandelsgesellschaft niederländischen Rechts mit einer deutschen OHG in vollem Umfang vergleichbar sei, könne sie, was auch aus Art. 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 -- DBA-Niederlande -- (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) folge, nicht selbst der beschränkten Vermögensteuerpflicht unterliegen. Das FA habe deshalb zu Unrecht einheitliche und gesonderte Feststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens abgelehnt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG. Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Das FA stützt seine Begründung auf den Wortlaut des § 2 Abs. 1 VStG. Danach sei die VoF als Personenvereinigung mit ihrem im Inland belegenen Grundvermögen beschränkt steuerpflichtig. Eine Abweichung vom Wortlaut sei nicht gerechtfertigt, da die wortgetreue Auslegung weder offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers widerspreche noch erkennbar zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe. Bei der Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG könne auch nicht auf die Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden, wie sie der BFH in seinem Urteil in BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588 zu § 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezüglich der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht entwickelt habe. Die Rechtslage unterscheide sich insofern wesentlich, als § 3 KStG eine Sonderregelung für das Körperschaftsteuerrecht enthalte; im VStG fehle dagegen eine entsprechende Regelung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA verpflichtet ist, das Inlandsvermögen der VoF i. S. des § 121 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) einheitlich und gesondert festzustellen. Denn das Inlandsvermögen der VoF ist vermögensteuerrechtlich nicht der VoF, sondern deren Gesellschaftern zuzurechnen, auf die es nach Maßgabe ihrer Beteiligung an der VoF gemäß § 3 BewG i. V. m. § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) so aufzuteilen ist, als ob diese nach Bruchteilen beteiligt wären. Die VoF unterliegt als Personengesellschaft niederländischen Rechts, die unstreitig einer deutschen OHG vergleichbar ist, selbst nicht der beschränkten Vermögensteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 VStG. Der Senat verweist insoweit auf seine Entscheidung vom heutigen Tage Az. II R 24/91.

Vermögensteuerpflichtig sind wie bei einer Personengesellschaft inländischen Rechts vielmehr die einzelnen Gesellschafter, die mit dem ihnen zugerechneten Anteil, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 2 VStG erfüllen, der unbeschränkten Steuerpflicht und, soweit sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VStG erfüllen, der beschränkten Steuerpflicht unterworfen sind. Für den Streitfall bedeutet dies, daß das Inlandsvermögen der VoF i. S. des § 121 BewG zu den Stichtagen 1. Januar 1978 bis 1. Januar 1982 entgegen der Auffassung des FA auf die Klägerin zu 1 zu 99 v. H. und auf die Klägerin zu 2 zu 1 v. H. aufzuteilen ist.

Zu Recht macht das FA jedoch geltend, daß die Feststellung eines Einheitswerts für einen inländischen Gewerbebetrieb der VoF nicht in Betracht kommt. Denn das Aktivvermögen der VoF bestand nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) zu den im Streitfall maßgebenden Bewertungsstichtagen aus im Inland belegenem Grundbesitz, der an die Klägerin zu 1 verpachtet war. Die Verpachtung des inländischen Grundbesitzes stellt für sich genommen keine gewerbliche Tätigkeit der VoF im Inland dar (vgl. hierzu Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 16. Aufl., § 121 BewG Anm. 6 und 7, sowie Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 121 BewG Anm. 6). Ebensowenig begründet allein die Verpachtung des Grundbesitzes eine im Inland belegene Betriebsstätte der VoF i. S. des § 12 AO 1977 (s. BFH-Urteil vom 10. Februar 1988 VIII R 159/84, BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653 m. w. N.). Der verpachtete Grundbesitz stellt danach kein inländisches Betriebsvermögen i. S. des § 121 Abs. 2 BewG dar. Damit entfällt die gesonderte Feststellung eines Einheitswerts des Betriebsvermögens gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i. V. m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BewG für das im Inland belegene Vermögen der VoF (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar 1993 II R 25/90, BFHE 171, 311, BStBl II 1993, 584). Statt dessen ist im Streitfall eine gesonderte und einheitliche Feststellung der zum Inlandsvermögen i. S. des § 121 Abs. 2 BewG der VoF gehörenden Wirtschaftsgüter sowie der damit gemäß § 121 Abs. 3 BewG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 durchzuführen, die den beiden Gesellschafterinnen der VoF nach Maßgabe ihrer Beteiligung an der VoF zuzurechnen sind (vgl. hierzu Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 180 AO 1977 Anm. 2 d).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420639

BFH/NV 1995, 1046

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