Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen; objektiv enger sachlicher Zusammenhang

 

Leitsatz (NV)

1. Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienen, kann u. a. in den Fällen vorliegen, in denen der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Treten in einem solchen Fall auf der Veräußererseite mehrere Personen auf, so ist es für das Vorliegen eines engen sach lichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen ferner notwendig, aber auch aus reichend, daß diese aufgrund Abreden in objektiv erkennbarer Weise bei der Ver äußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge (Übereignung des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes) hinwirken.

2. Das Vorliegen eines Zusammenwirkens auf der Veräußererseite setzt nicht voraus, daß sich die auf der Veräußererseite tätigen Personen untereinander vertraglich bindend zur Erbringung einer gemeinsamen bürgerlich-rechtlich einheitlichen Leistung (Bestellung des Erbbaurechts am Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude) verpflichtet haben. Nicht erforderlich ist es auch, daß sich der Grundstückseigentümer gegenüber dem Gebäudeerrichter dahingehend verpflichtet hat, daß er nur und mit allen von diesem benannten Bewerbern Erbbaurechtsverträge abschließt. Ebenfalls nicht erforderlich ist es, daß die auf der Veräußererseite tätigen Personen sich derart vertraglich gebunden haben, daß eine Nichteinhaltung der Abrede zivilrechtliche Sanktionen (z. B. Schadensersatz) zur Folge hätte. Andererseits reicht ein bloß zufälliges Zusammentreffen, ein bloß tatsächliches Gewährenlassen des Gebäudeerrichters durch den Grundstückseigentümer nicht aus. Erforderlich ist vielmehr stets, daß das Zusammenwirken und abgestimmte Verhalten gerichtet auf Abschluß beider Verträge auf einer Abrede zwischen Grundstückseigentümer und Gebäudeerrichter beruhen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Erbengemeinschaft A besaß einen zusammenhängenden unbebauten Grundbesitz. Im Jahre 1985 wurde ein Teil dieses Grundbesitzes von der B bebaut und veräußert. In der Folge trat die C-GmbH (C) an die Erbengemeinschaft heran, um herauszufinden, ob auch der andere Teil des Grundbesitzes bebaut werden könnte. Die Erbengemeinschaft war nicht zu einem Verkauf, sondern nur zur Bestellung von Erbbaurechten für eine Bebauung bereit. Die C stellte auf dem Gelände einen Bauwagen und -- später -- ein Bauschild auf, auf dem auf die Baumaßnahme hingewiesen wurde. Außerdem warb die C in den Lokalzeitungen für das Projekt. Dabei bot sie die Häuser ohne Grundstück zum Kauf an. Interessenten, die sich bei der C meldeten, wurden von dieser zur Vertreterin der Grundstückseigentümerin geschickt, um die Einzelheiten bezüglich Bestellung eines Erbbaurechts zu klären. Alle Interessenten in diesem Bauabschnitt -- es handelte sich insgesamt um acht Grundstücke -- haben mit der C gebaut. Die entsprechenden Werkverträge wurden teils vor, teils nach den Erbbaurechtsbestellungsverträgen geschlossen. Dies hing u. a. davon ab, wann der Notar bzw. die Vertreterin der Grundstückseigentümerin Zeit hatte. Die Parzellierung des Grundstücks wurde der Grundstückseigentümerin von der C vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde Grundlage für die Erbbaurechtsverträge sowie die Teilungserklärung. Die Grundstücke waren bereits vorher -- im Rahmen der von der B durchgeführten Baumaßnahmen -- erschlossen worden.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 7. April 1989 bestellte die Grundstückseigentümerin den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) ein Erbbaurecht an einer Teilfläche in der Größe von ca. 350 qm an einem der Grundstücke. Die Lage der Teilfläche wurde auf einer Anlage zum notariell beurkundeten Vertrag skizziert. Der Erbbauzins betrug ... DM je qm jährlich. Darüber hinaus hatten die Kläger (Erbbauberechtigten) der Eigentümerin die anteiligen Erschließungskosten zu erstatten.

Ebenfalls am 7. April 1989 machte der Kläger der C das Angebot zum Abschluß eines Vertrages über die schlüsselfertige Erstellung eines Einfamilienhauses eines bestimmten Typs auf dem Grundstück. Der Festpreis sollte ... DM betragen. Die C nahm das Angebot am 14. April 1989 gegenüber beiden Klägern an.

Durch Bescheid vom 14. Juni 1989 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gegenüber den Klägern Grunderwerbsteuer fest. Dabei zog es den Kapitalwert des Erbbauzinses und die Erschließungskosten zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung heran.

Durch Bescheide vom 17. Mai 1991 änderte das FA diese Grunderwerbsteuerfestsetzungen und setzte Grunderwerbsteuer in Höhe von je ... DM gegen die Kläger fest. Es bezog nunmehr in die Bemessungsgrundlage jeweils den anteiligen Kaufpreis für den Erwerb des Einfamilienhauses ein. Die Änderung wurde damit begründet, daß dem FA erst am 20. November 1989 bekannt geworden sei, daß Werkverträge mit der C abgeschlossen worden seien.

Hiergegen richtete sich die Klage, mit der beantragt wurde, die Änderungsbescheide in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Es liege kein einheitliches Vertragswerk vor, da die Grundstücksveräußerin und der Bauunternehmer nicht zusammengewirkt hätten. Auf den Bauträger habe die Grundstücksveräußerin keinen Einfluß genommen. Im übrigen hätten die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nicht vorgelegen. Dem FA sei vor Erlaß des ersten Bescheids bekannt gewesen, zumindest hätte ihm das aufgrund von Presseveröffentlichungen bekannt sein müssen, daß die C im Baugebiet tätig sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach den von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Grundsätzen sei im Streitfall von einem einheitlichen Vertragswerk auszugehen. Die Kläger seien im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbbaurechtsbestellungsvertrages nicht mehr frei gewesen hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Bebauung. Denn sie hätten sich durch das am selben Tag abgegebene Angebot zum Abschluß eines Werkvertrags hinsichtlich der Bebauung des Grundbesitzes gebunden. Die Grundstückseigentümerin sowie der Bauunternehmer hätten i. S. der BFH-Rechtsprechung beim Abschluß der Verträge zusammengewirkt. Zwar hätten die Zeugen bekundet, daß weder eine Maklerabrede getroffen worden sei, noch die Grundstückseigentümerin sich verpflichtet habe, nur von der C benannten Interessenten ein Erbbaurecht zu bestellen. Auch habe die Grundstückseigentümerin gegenüber den Interessenten nicht auf einer Bebauung durch die C bestanden. Das Zusammenwirken ergebe sich nach Auffassung des FG aber daraus, daß die Grundstückseigentümerin die C in Bezug auf die Vermarktung des Grundbesitzes habe gewähren lassen. So habe diese auf dem Areal einen Bauwagen mit Bauschild aufstellen lassen, auf dem für das Projekt geworben worden sei. Außerdem habe die C davon ausgehen können, daß von ihr benannte Interessenten auch zum Zuge kommen würden. Auch dies ergebe sich aus einer Zeugenaussage. Schließlich habe die C die Parzellierung des bisher einheitlichen Grundstücks vorgenommen, nachdem die Interessenten sich für einen bestimmten Haustyp entschieden gehabt hätten. Damit habe sie Einfluß genommen auf die endgültige Ausgestaltung der Grundstücke. Auch die Voraussetzung für eine Änderung der Grunderwerbsteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) hätten vorgelegen. Dem FA sei erst nachträglich, d. h. nach Erlaß der erstmaligen Grunderwerbsteuerbescheide, bekannt geworden, daß die Kläger bereits vor Abschluß des Erbbaurechtsbestellungsvertrags mit der C einen Werkvertrag abgeschlossen hätten. Das FG brauche nicht der Möglichkeit nachzugehen, ob das FG seine Ermittlungspflichten verletzt habe. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA würde im Streitfall nicht zu einer Änderungssperre führen, da die Kläger ihrerseits zumindest in erheblichem Maße ihre Mitwirkungspflichten verletzt hätten.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Grunderwerbsteuerbescheide vom 17. Mai 1991 und die sie bestätigenden Einspruchsentscheidungen vom 18. bzw. 21. Oktober 1991 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG die Rechtsmäßigkeit der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide bejaht. Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Kläger war das Erbbaurecht an dem Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude.

1. Das FA durfte die ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ändern. Der Abschluß des Werkvertrages zwischen den Klägern und der C ist eine Tatsache, die zu einer höheren Grunderwerbsteuer führt (vgl. unten 2.). Diese Tatsache wurde dem FA erst nach Erlaß der ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheide bekannt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß das FA nach Treu und Glauben, z. B. wegen Verletzung seiner Ermittlungspflicht, an einer Änderung der Bescheide gehindert gewesen wäre, noch wird dies mit der Revision behauptet.

2. Die Bestellung des Erbbaurechts an dem Grundstück zugunsten der Kläger unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 der Grunderwerbsteuer. Die Steuer hierfür bemißt sich nach der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Zutreffend hat das FG angenommen, daß im Streitfall die Aufwendungen der Kläger aus dem Vertrag über die Errichtung des Einfamilienhauses in die Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG miteinzubeziehen sind, da Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Erbbaurecht am Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude ist. Die Verpflichtung zur Bestellung des Erbbaurechts und die zur Errichtung des Gebäudes ergeben sich im Streitfall aus zwei Verträgen. Der zur Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs kann sich auch aus zwei oder mehreren Verträgen ergeben. Entgegen der Auffassung der Revision ist dies nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen der tatbestandserfüllende Vertrag und der oder die auf Errichtung des Gebäudes zielenden Verträge miteinander "stehen und fallen", mithin also nach dem Willen der Vertragsbeteiligten in ihrer Gültigkeit miteinander verknüpft sein sollten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 24. September 1987 VII ZR 306/86, BGHZ 101, 393). Abgesehen von dem Fall der rechtlichen Bestandsverknüpfung durch den Willen der Parteien ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand nämlich auch dann, wenn zwischen den Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält.

Das FG ist in rechtlicher Hinsicht zutreffend der Rechtsprechung des BFH gefolgt, daß ein derartiger objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienen, u. a. in den Fällen vorliegen kann, in denen der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Treten in einem solchen Fall auf der Veräußererseite mehrere Per sonen auf, so hält es der Senat für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen ferner für notwendig, aber auch für ausreichend, daß diese aufgrund Abreden in objektiv erkennbarer Weise bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge (Übereignung des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes) hinwirken (BFH-Urteile vom 14. März 1990 II R 169/87, BFH/NV 1991, 263, und vom 20. Februar 1991 II R 96/88, BFH/NV 1992, 55, 56, sowie vom 8. November 1995 II R 83/93, BFH/NV 1996, 637). Der Abschluß eines schriftlichen Vertrages ist nicht erforderlich.

3. a) Aufgrund des Angebots der Kläger gegenüber der C zum Abschluß eines Vertrages über die Errichtung des Einfamilienhauses waren diese zum Zeitpunkt des Abschlusses des tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäfts in ihrer Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung auf dem erworbenen Erbbaurecht nicht mehr frei. Schon und zumindest daraus folgt -- wovon das FG zutreffend ausgeht --, daß diese Voraussetzung für einen sachlichen Zusammenhang zwischen beiden Verträgen vorliegt (vgl. z. B. Senatsurteil vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, 826).

b) Auch das Vorliegen eines Zusammenwirkens auf der Veräußererseite hat das FG zumindest im Ergebnis zutreffend bejaht. Dies verlangt nicht, daß sich die auf der Veräußererseite tätigen Personen untereinander vertraglich bindend zur Erbringung einer gemeinsamen bürgerlich-rechtlich einheitlichen Leistung (Bestellung des Erbbaurechts am Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude) verpflichtet haben. Nicht erforderlich ist es auch, daß sich der Grundstückseigentümer gegenüber dem Gebäudeerrichter dahingehend verpflichtet hat, daß er nur und mit allen von diesem benannten Bewerbern Erbbaurechtsverträge abschließt. Ebenfalls nicht erforderlich ist es, daß die auf der Veräußererseite tätigen Personen sich derart vertraglich gebunden haben, daß eine Nichteinhaltung der Abrede zivilrechtliche Sanktionen (z. B. Schadensersatz) zur Folge hätte. Andererseits reicht ein bloß zufälliges Zusammentreffen, ein bloß tatsächliches Gewährenlassen des Gebäudeerrichters durch den Grundstückseigentümer nicht aus. Erforderlich ist vielmehr stets, daß das Zusammenwirken und abgestimmte Verhalten gerichtet auf Abschluß beider Verträge auf einer Abrede zwischen Grundstückseigentümer und Gebäudeerrichter beruhen.

Aufgrund seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist das FG zu der Annahme gekommen, daß (auch) diese Voraussetzung eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen im Streitfall vorliegt. Dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Zwar stellt das FG insoweit nicht ausdrücklich auf eine entsprechende Abrede zwischen Grundstücksveräußerin und C ab, unausgesprochen geht es jedoch vom Vorliegen einer solchen Abrede aus. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Begründung, die insoweit in Einklang mit dem von ihm festgestellten Sachverhalt und dem in Bezug genommenen Ergebnis der Beweisaufnahme steht, folgt notwendigerweise, daß das vom FG festgestellte Zusammenwirken zwischen Grundstückseigentümerin und C nach Auffassung des FG auf einer entsprechenden Abrede zwischen beiden beruht. Anders wäre schon das Abstellen des FG auf die von der C erarbeitete und vorgeschlagene Parzellierung des Grundstücks, die den Abschluß der entsprechenden Erbbaurechtsverträge zugrundegelegt und die in der Folge auch tatsächlich verwirklicht wurde, nicht verständlich. Wenn das FG insoweit die Formulierung verwendet, daß die Grundstückseigentümerin die C in bezug auf die Vermarktung des Grundbesitzes habe "gewähren lassen", kann dies nur dahin verstanden werden, daß dies nach Auffassung des FG in Vollzug einer entsprechenden (grundsätzlichen) Abrede zwischen beiden erfolgt sei.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422165

BFH/NV 1997, 706

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