Leitsatz (amtlich)

Die Übertragung des Anlagevermögens einer Personengesellschaft auf eine von den Gesellschaftern gegründete, Dritten gegenüber nicht tätig gewordene Personen-Verwaltungsgesellschaft stellt einen steuerbaren Umsatz dar; es besteht solchenfalls im Zeitpunkt der Vermögensübertragung zwischen den beiden Gesellschaften weder ein organschaftsähnliches Verhältnis noch eine Unternehmereinheit.

 

Normenkette

UStG 1951 § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1; HGB § 123

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Übertragung des Anlagevermögens der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) auf die im Jahr 1961 gegründete Verwaltungsgesellschaft A.-OHG einen steuerbaren Umsatz darstellt.

Die Steuerpflichtige, eine ...fabrik, bestand bis Ende 1960 in der Rechtsform einer OHG. Durch notariellen Vertrag vom ... 1961 wandelten ihre beiden Gesellschafter, die Brüder B., die Steuerpflichtige rückwirkend auf den 1. Januar 1961 in eine KG um, in der sie selbst die Stellung von Kommanditisten und eine von ihnen am 30. Dezember 1960 gegründete GmbH die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters übernahmen (GmbH & Co. KG). Durch einen zweiten notariellen Vertrag vom ... 1961 gründeten die Brüder B. eine Verwaltungs-OHG, in die sie das gesamte Anlagevermögen der Steuerpflichtigen (bestehend aus Grundstücken und Gebäuden, Maschinen, Einrichtungen einschließlich Gebäudezubehör, Fuhrpark und sonstigen Wirtschaftsgütern) sowie die Verbindlichkeiten der Steuerpflichtigen einbrachten. Die Verwaltungs-OHG (im folgenden OHG) verpachtete die übernommenen Anlagegüter der Steuerpflichtigen, die mit ihnen die Fabrikation fortsetzte. Die Brüder B. waren an der GmbH und an der OHG je zur Hälfte beteiligt; auch ihre Kommanditeinlage bei der KG war gleich hoch. Sie führten in allen Gesellschaften (in der KG über die GmbH) die Geschäfte und waren einzeln vertretungsberechtigt. Die OHG begann wirtschaftlich ihre Geschäfte am 1. Januar 1961; am gleichen Tage wurden ihre sämtliche eingebrachten Vermögensgegenstände übergeben und gingen Nutzen, Lasten und Gefahr auf sie über. Bereits am ... 1961 wurde die OHG ins Handelsregister eingetragen.

Die Steuerpflichtige vertritt die Auffassung, daß die Übertragung der Anlagegüter an die OHG ein nichtsteuerbarer Vorgang (sog. Innenumsatz) ist. Sie, die Steuerpflichtige, sei finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die OHG eingegliedert, mithin unselbständig; zwischen beiden Gesellschaften bestehe ein sog. organschaftsähnliches Verhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1951. Sofern man annehme, daß zur Zeit der Vermögensübertragung noch kein Über- und Unterordnungsverhältnis bestanden habe, müsse man folgern, daß die Gesellschaften damals einander nebengeordnet waren; dann aber habe zwischen ihnen Unternehmereinheit bestanden, denn die übrigen Voraussetzungen hierfür (gleiche Gesellschafter, gleiche Beteiligungsverhältnisse, einheitliche Willensbildung) seien gegeben. Demgegenüber bejahte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes und zog die Steuerpflichtige mit den Bilanzwerten der übertragenen Anlagegüter (mit Ausnahme der gemäß § 4 Nr. 9 UStG 1951 umsatzsteuerfreien Grundstücksveräußerungen) mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran.

Die Berufung (jetzt Klage) wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Steuerpflichtige habe sich - so wird in der Vorentscheidung ausgeführt - im Zeitpunkt der Übertragung der Verfügungsmacht über die Anlagegüter zur OHG noch nicht in einem organschaftsähnlichen Abhängigkeitsverhältnis befunden. Sie sei damals noch wirtschaftlich selbständig gewesen. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der OHG sei erst eingetreten, als diese ihr das zu Eigentum übertragene Anlagevermögen verpachtet habe. Auch an einer organisatorischen Eingliederung der Steuerpflichtigen in die OHG habe es im Zeitpunkt der Übertragung des Anlagevermögens gefehlt; die OHG sei erst nach der Vermögensübertragung als Besitzgesellschaft organisatorisch mit der Möglichkeit der Einflußnahme lebensfähig geworden (Hinweis auf das Urteil des BFH I 119/56 U vom 25. Juni 1957, BFH 65, 181, BStBl III 1957, 303). Auch eine Unternehmereinheit habe nicht vorgelegen. Infolge der Vorwegverzinsung der schon bei der Gründung der OHG unterschiedlichen Darlehnsguthaben der Gesellschafter und der Möglichkeit, von den Darlehnskonten verschieden hohe Beträge abzuheben, sei eine in beiden Gesellschaftern gleiche Gewinnbeteiligung für beide Gesellschafter nicht sichergestellt. Vor allem aber könne das Rechtsinstitut der Unternehmereinheit von Gesellschaften nicht anerkannt werden. Die diesbezügliche Rechtsprechung des BFH verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil gegen eine Unternehmereinheit gerichtete Leistungsgebote nicht vollstreckbar seien.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rechtsbeschwerde der Steuerpflichtigen, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), hat keinen Erfolg, allerdings großenteils aus anderen als den in der Vorentscheidung angegebenen Gründen.

Es ist der Vorinstanz zunächst darin beizupflichten, daß die Steuerpflichtige zur Zeit der Übertragung ihres Anlagevermögens auf die OHG (1. Januar 1961) in diese noch nicht wirtschaftlich eingegliedert war. Das Erfordernis der wirtschaftlichen Eingliederung bedeutet, daß die Organgesellschaft gemäß dem Willen des Unternehmers im Rahmen des Gesamtunternehmens, und zwar in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem, es fördernd und ergänzend, wirtschaftlich tätig sein muß. Es muß eine gegenseitige Verflechtung wirtschaftlicher Art, ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der unter- und der übergeordneten Gesellschaft bestehen. Diese Voraussetzungen bestanden vor der Überlassung des Anlagevermögens an die OHG nicht. Sie sind auch nicht durch den Übertragungsakt, sondern erst durch die Rücküberlassung (Verpachtung) der Anlagegüter seitens der OHG an die Steuerpflichtige geschaffen worden. Solange die Steuerpflichtige über ihr Anlagevermögen als Eigentümerin frei verfügen konnte, war sie wirtschaftlich von der OHG unabhängig. Erst die Übereignung der Anlagegüter an die OHG und deren Pachtung durch die Steuerpflichtige in Verbindung mit der Möglichkeit der OHG, das Pachtverhältnis zu lösen, machte die Steuerpflichtige von der OHG wirtschaftlich abhängig.

Ob zu der maßgeblichen Zeit (1. Januar 1961) - wie das FG annimmt - auch eine organisatorische Eingliederung der Steuerpflichtigen in die OHG fehlte, ist mindestens zweifelhaft. Immerhin waren die geschäftsführenden Gesellschafter der OHG zugleich die Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits die Geschäfte der Steuerpflichtigen (KG) führte. Offensichtlich hat sich das FG bei der Prüfung dieser Frage - wie der Hinweis auf das Urteil des BFH I 119/56 U vom 25. Juni 1957 (a. a. O.) vermuten läßt - von gewerbesteuerlichen Gesichtspunkten leiten lassen, die der Senat als Erkenntnisquelle für die umsatzsteuerliche Organschaft wiederholt abgelehnt hat (vgl. die Urteile V 27/60 U vom 6. Dezember 1962, BFH 76, 301, BStBl III 1963, 107; V 162/60 vom 21. Februar 1963, HFR 1963, 209). Die Frage der organisatorischen Eingliederung kann indessen unentschieden bleiben. Eine Organschaft bzw. ein organschaftsähnliches Verhältnis ist nur dann gegeben, wenn alle drei Merkmale der Eingliederung feststellbar sind. Zwar hält es der Senat in ständiger Rechtsprechung für unschädlich, wenn das eine oder andere Merkmal weniger stark in Erscheinung tritt. Voraussetzung ist aber, daß das Gesamtbild eine völlige Unterordnung erkennen läßt (vgl. Plükkebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., §§ 1 bis 3, Randziff. 229, 230, und die dort angeführte Rechtsprechung). Hiervon kann keine Rede sein, wenn - wie im Streitfall - die wirtschaftliche Eingliederung zur Zeit der Übertragung des Anlagevermögens völlig fehlte.

Eine Unternehmereinheit hat zwischen der Steuerpflichtigen und der OHG zu keiner Zeit bestanden. Unternehmereinheit zwischen einer bereits vorhandenen und einer neu gegründeten Personengesellschaft setzt begrifflich (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1951) voraus, daß die neue Gesellschaft (hier die OHG) entstanden und Dritten gegenüber tätig geworden ist (vgl. auch Urteil des Senats V 53/63 U vom 25. März 1955, BFH 82, 255, BStBl III 1965, 337). Handelsrechtlich gilt folgendes: Eine OHG entsteht im Innenverhältnis durch den Abschluß eines Gesellschaftsvertrages (sog. Entstehung im engeren Sinne). Rechtswirkungen im Außenverhältnis zu Dritten treten für eine OHG grundsätzlich durch zwei Vorgänge ein, durch ihre Eintragung im Handelsregister oder durch ihren Geschäftsbeginn, sofern dieser vor der Eintragung liegt (§ 123 Abs. 1 und 2 HGB). Der "Geschäftsbeginn" im Sinne des Handelsrechts entspricht dem ersten "nachhaltigen Tätigwerden zur Erzielung von Einnahmen" im Sinne des Umsatzsteuerrechts (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG 1951). Es genügt, daß die OHG nach außen hin irgendwie handelnd hervortritt, und sei es auch nur durch Vornahme von Vorbereitungshandlungen (vgl. Urteil des Senats V 201/62 U vom 10. Dezember 1964, BFH 81, 363, BStBl III 1965, 130). Im Erwerb der Anlagegüter der Steuerpflichtigen durch die OHG ist ein solches Handeln nach außen hin nicht zu erblicken, weil derselbe Vorgang, der die Unternehmereigenschaft der OHG begründen würde, - beim Vorliegen der oben angeführten Voraussetzungen der Unternehmereinheit - das Erlöschen ihrer Unternehmereigenschaft zur Folge hätte. Denn Unternehmer ist bei der Unternehmereinheit die hinter ihr stehende Personengruppe, die sich aus den Gesellschaftern der in der Unternehmereinheit zusammengeschlossenen Gesellschaften zusammensetzt (vgl. Urteil des Senats V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BFH 60, 294, BStBl III 1955, 113). Es kommt hinzu, daß die OHG durch die sich unmittelbar an den Erwerb anschließende Verpachtung der Anlagegüter gegenüber der Steuerpflichtigen in eine organschaftsähnliche Muttergesellschaft verwandelt wird, so daß sich der Erwerb der Anlagegüter als Vorbereitungshandlung nicht für künftige Umsätze, sondern für die umsatzsteuerlich unbeachtliche Verpachtung der OHG an die Steuerpflichtige als Tochtergesellschaft darstellt. Es kann auch nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Beteiligten von vornherein ein organschaftsähnliches Verhältnis der OHG zur Steuerpflichtigen (Über- bzw. Unterordnung, nicht Nebenordnung) gewollt haben.

Die hier vertretene Rechtsauffassung widerspricht nicht den Ausführungen des Senats im Urteil V 53/63 U vom 25. März 1965 (BFH 82, 255, BStBl III 1965, 337). Dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt. Es wird dort ausdrücklich betont, daß die Errichtung oder Auflösung von Gesellschaften, die eine Unternehmereinheit entstehen oder aufhören läßt, oftmals selbst Umsatzsteuer auslöse (vgl. Ende des drittletzten Absatzes, a. a. O.).

Aus diesen Gründen war die Revision der Steuerpflichtigen mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen. Auf die vom FG verneinte Frage, ob das Rechtsinstitut der Unternehmereinheit zwischen Gesellschaften überhaupt anzuerkennen ist, war infolgedessen nicht einzugehen. Es genügt die Feststellung, daß die Ausführungen des FG dem Senat keinen Anlaß geben, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen (vgl. auch Schmidt, Ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Unternehmereinheit rechtsunwirksam?, Umsatzsteuer-Rundschau-UStR - 1966, 252; Deissner, Zur Haftung der Umsatzsteuerschulden der Unternehmereinheit, UStR 1967, 190, und Plückebaum-Malitzky, a. a. O., Randziff. 315). Auch die Frage, ob die einzelnen Voraussetzungen der Unternehmereinheit im Streitfalle vorliegen, brauchte nicht geprüft zu werden.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 55

BFHE 1969, 101

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