Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff des Einfamilienhauses.

Die Entscheidung, ob die teilweise gewerbliche Nutzung eines Grundstücks diesem nach der Verkehrsauffassung die Eigenart als Einfamilienhaus nimmt, hängt in erster Linie von dem Ausmaß der gewerblichen Nutzung ab. Das Ausmaß der gewerblichen Nutzung kann aber nicht immer allein entscheidend sein.

 

Normenkette

BewG § 52/1, § 55/1; BewDV § 32 Abs. 1 Ziff. 4; BewG § § 76, 78, 96/1, § 75/1/4, § 75/5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Grundstück des Beschwerdeführers (Bf.) in N. als Einfamilienhaus oder als Mietwohngrundstück bzw. gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten ist.

Der Bf. ist Rechtsanwalt und Notar und hat eine umfangreiche Praxis. Früher übte er seine Praxis in der inneren Stadt in gemieteten Räumen aus und bewohnte mit seiner Familie ein Einfamilienhaus im äußeren Teil der Stadt. Im Kriege wurde das Gebäude des Einfamilienhauses zerstört. Der Bf. baute aber in den Jahren 1949 bis 1952 das Gebäude wieder auf, und zwar größer als bisher. Der Neubau umfaßte außer den Kellerräumen drei voll ausgebaute Geschosse: Untergeschoß (Souterrain) mit 158 qm Nutzfläche, erster Stock mit rund 187 qm Wohnfläche und Oberstock (Dachgeschoß) mit 142 qm Nutzfläche. Das Untergeschoß und der erste Stock werden von dem Bf. mit seiner großen Familie (er hat 8 Kinder) bewohnt; im Oberstock befindet sich die große Kanzlei des Bf., in der zehn Dienstkräfte beschäftigt sind.

Wie sich aus den Akten und vor allem aus einer bei den Akten befindlichen Bauzeichnung ergibt, sind alle drei Geschosse durch ein Treppenhaus miteinander verbunden. Die Räume der einzelnen Geschosse sind zum Treppenhaus hin abgeschlossen. Im Oberstock sind für den Fall, daß die Kanzlei wieder in die innere Stadt verlegt werden sollte und die Räume dieses Stockwerks als Wohnung verwendet werden könnten, Vorrichtungen für ein Badezimmer und in dem als Küche vorgesehenen Raum sämtliche erforderlichen Anschlüsse für Gas, Wasser und Strom eingebaut. Auch im Untergeschoß sind für den Fall, daß die Räume dieses Geschosses später (nach Verheiratung von Kindern) nicht mehr für die Familie des Bf. gebraucht werden, die entsprechenden Vorrichtungen für Küche, Bad usw. bereits vorhanden, um diese Räume ohne besondere Umbauten zu einer selbständigen Wohnung herzurichten.

Das Finanzamt hat das Grundstück als Einfamilienhaus bewertet. Der Bf. ist der Auffassung, daß ein Mietwohngrundstück bzw. ein gemischtgenutztes Grundstück vorliegt. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Als Einfamilienhäuser gelten solche Wohngrundstücke, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthalten. Ein Grundstück gilt aber auch dann noch als Einfamilienhaus, wenn es teilweise unmittelbar eigenen oder fremden gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dient und dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus nach der Verkehrsauffassung nicht wesentlich beeinträchtigt wird (ß 52 des Bewertungsgesetzes - BewG -, § 32 Abs. 1 Sätze 1 und 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV -). Die Ausübung eines freien Berufs steht dem Betrieb eines Gewerbes im Sinne des BewG gleich (ß 55 Abs. 1 BewG). Was von der Benutzung eines Einfamilienhauses zu eigenen gewerblichen Zwecken gilt, gilt daher ebenso von der Benutzung zu eigenen freiberuflichen Zwecken.

Die Vorinstanz hat festgestellt, daß die Räume im ersten Stock die Wohnung des Bf. darstellen, und daß es sich dabei um eine gegen das Treppenhaus abgeschlossene Wohnung handelt. Die Vorinstanz hat weiter angenommen, daß die im Untergeschoß befindlichen Räume keine selbständige Wohnung darstellen, sondern zur Wohnung im ersten Stock gehören. Diesen Feststellungen, die keinen Rechtsirrtum erkennen lassen, ist beizutreten. In übereinstimmung mit der Vorinstanz ist daher davon auszugehen, daß die Räume des Untergeschosses, obwohl ihre künftige Verwendung als selbständige Wohnung vorgesehen ist und die Umstellung sich technisch leicht durchführen läßt, noch nicht den Begriff einer Wohnung erfüllen.

Die Vorinstanz hat in ihrer Entscheidung weiter ausgeführt, daß neben der abgeschlossenen Wohnung im ersten Stock noch eine zweite abgeschlossene Wohnung im Obergeschoß vorhanden sei, fügt aber gleichzeitig hinzu, daß diese "Wohnung", solange sie restlos freiberuflichen Zwecken diene und dieser Zustand nicht nur vorübergehend sei, nicht als Wohnung im Sinne des BewG angesprochen werden könne. Hierin liegt ein Widerspruch. Entweder es liegt eine Wohnung vor, oder es liegt keine vor. Die Vorinstanz will jedoch offenbar nur sagen, daß die Räume des Oberstocks, wenn sie tatsächlich Wohnzwecken dienen würden, den Begriff einer selbständigen Wohnung ohne weiteres erfüllen würden; in diesem Falle wäre dann nach der Auffassung der Vorinstanz eine zweite Wohnung vorhanden, und das Grundstück könnte nicht als Einfamilienhaus gelten.

Für die Frage, ob die Eigenart eines Wohngrundstücks als Einfamilienhaus durch eine teilweise gewerbliche Nutzung wesentlich beeinträchtigt wird, ist - wie oben schon erwähnt - die Verkehrsauffassung maßgebend. Die Vorinstanz hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß es bei der Entscheidung auf das Ausmaß der gewerblichen Nutzung ankomme. Diene ein Grundstück überwiegend Wohnzwecken, so müsse davon ausgegangen werden, daß durch gewerbliche Teilnutzung die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt werde; diene ein Grundstück aber überwiegend gewerblichen Zwecken, so sei das Gegenteil anzunehmen. Der Senat tritt dieser Auffassung insoweit bei, als die Entscheidung, ob die teilweise gewerbliche Nutzung eines Grundstücks diesem nach der Verkehrsauffassung die Eigenart als Einfamilienhaus nimmt, in erster Linie von dem Ausmaß der gewerblichen Nutzung abhängt (ebenso Krekeler, Erläuterungen zum Bewertungsgesetz, 5. Auflage, Anm. II 2 b zu § 32 BewDV). Das Ausmaß der gewerblichen Nutzung kann aber nicht immer allein entscheidend sein. In vielen Grenzfällen wird Veranlassung bestehen, zu prüfen, ob nicht trotz der überwiegenden Verwendung eines Grundstücks zu Wohnzwecken nach der Verkehrsauffassung kein Einfamilienhaus mehr vorliegt. Im Streitfall handelt es sich um ein Gebäude mit drei voll ausgebauten Etagen und einem gemeinsamen Treppenhaus. Derartige Grundstücke nähern sich sehr stark den Mietwohngrundstücken bzw. den gemischtgenutzten Grundstücken. Die Vorinstanz hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob nicht in diesem Fall nach der Verkehrsauffassung - trotz der geringeren Teilnutzung zu freiberuflichen Zwecken - der Charakter als Einfamilienhaus verlorengegangen ist. Die Vorentscheidung unterliegt daher der Aufhebung. Hinzuzufügen ist noch, daß die Frage, ob ein Grundstück mit nicht mehr als einer Wohnung durch teilweise gewerbliche Nutzung den Charakter als Einfamilienhaus verliert oder nicht, sich nicht an bestimmte Wirtschaftskreise richtet, sondern an die Allgemeinheit vernünftig denkender Menschen. Sie kann daher nicht durch ein besonderes "Sachverständigengutachten" beantwortet werden, unterliegt vielmehr der Beurteilung durch die mit Anwendung der Vorschrift (ß 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV) befaßten Stellen der Finanzverwaltung bzw. der Steuergerichte. Die Sache geht zweckmäßig an das Finanzgericht zurück.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 78

BFHE 1956, 205

BFHE 62, 205

StRK, BewG:52 R 3

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