Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Erbschaftsteuer ist ein Abzug zum Nachlaß wegen des Lastenausgleichs zulässig. Der Abzug bemißt sich bis zur gesetzlichen Regelung des Lastenausgleichs nach den Abgaben, die auf Grund des SHG zu leisten sind, wobei die allgemeine Soforthilfeabgabe mit dem 12 1/2fachen Jahresbetrag abzüglich etwaiger vom Erblasser bereits entrichteter Beträge anzusetzen ist.

 

Normenkette

BewG § 15 Abs. 2, § 13/2; ErbStG § 23; SHG §§ 2-3, 17, 25; BewG § 15/3, § 13/3; ErbStG § 24

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist Alleinerbin ihres am 25. April 1949 verstorbenen Ehemanns. Der Nachlaß besteht aus landwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen und sonstigem Vermögen. Der Wert des Erwerbes wurde vom Finanzamt mit 31.037 DM ermittelt und die Erbschaftsteuer hiervon auf 550 DM festgesetzt. Die Bfin. beantragt, unter Hinweis auf in den Ländern Schleswig-Holstein und Bremen ergangene Anordnungen ihre Verpflichtung zum Lastenausgleich als Nachlaßverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führt aus: Mangels gesetzlicher Regelung des Lastenausgleichs sei eine vom Nachlaß abzugsfähige Verbindlichkeit nicht vorhanden. Die Soforthilfeabgabe (SHA) sei zwar gesetzlich geregelt, gleichwohl aber bei der Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Das Finanzgericht verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wegen Nichtabzugsfähigkeit künftig entstehender Steuern (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 7. Juli 1931 I e A 379/30, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1931 S. 824) ferner auf das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 30. April 1926 V e A 361/25 (Deutsches Steuerblatt 1926 S. 422) über Versagung des Abzugs wiederkehrender Leistungen. Gegen das Urteil des Finanzgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.).

Die Bfin. beantragt erneut Berücksichtigung der Auswirkungen des Lastenausgleichs.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

I. Gemäß § 23 Absatz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) gilt als Erwerb, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Abzuziehen sind alle im Zusammenhang mit dem Erbfall entstehenden Verbindlichkeiten, die Nachlaßverbindlichkeiten, d. h. die vom Erblasser herrührenden Schulden, sowie die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten. Abzugsfähig sind hiernach auch die beim Tode des Erblassers bestehenden Steuerschulden, nicht dagegen die künftig von dem Erwerb zu entrichtenden Steuern (vgl. Finger, ErbStG 4. Aufl. § 23 Anm. 4, 4 e).

II. Es ist zu prüfen, ob der Lastenausgleich einen Abzug vom Nachlaß rechtfertigt.

Zu diesem Zweck ist ein kurzer überblick über die Entwicklung des Gedankens des Lastenausgleichs erforderlich. Der Begriff des Lastenausgleichs wurde in die Gesetzessprache durch den Vorspruch zum Währungsgesetz eingeführt. An dieser Stelle ist dem deutschen Gesetzgeber aufgetragen, den Lastenausgleich bis zum 31. Dezember 1948 zu regeln. Im Umstellungsgesetz wurde diese Aufgabe näher umrissen (§§ 16 Abs. 3, 29 a. a. O.). Alsbald nach Neuordnung des Geldwesens wurden die vorbereitenden Arbeiten über die Regelung des Lastenausgleichs aufgenommen. Es ergab sich, daß die endgültige Lösung des Problems geraume Zeit in Anspruch nehmen würde, und daß die besonders hart betroffenen Kreise der Geschädigten nicht auf die endgültige gesetzliche Regelung verwiesen werden konnten. Aus diesem Grunde wurde als Zwischenlösung das "Erste Gesetz zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden" entworfen. Die Militärregierungen genehmigten das Gesetz unter Auflagen. Sie forderten insbesondere, daß nur Notmaßnahmen durchgeführt werden dürften, die unabhängig von allen Maßnahmen sein müßten, die sich auf einen allgemeinen Lastenausgleich beziehen Zugelassen wurde jedoch, daß die Abgaben nach diesem Gesetz auf die künftigen Abgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz angerechnet werden könnten. Daraufhin wurde das Gesetz vom Wirtschaftsrat nunmehr als Gesetz zur Milderung sozialer Notstände (Soforthilfegesetz - SHG -) verabschiedet. Es ist am 18. August 1949 in Kraft getreten. Die Arbeiten am endgültigen Lastenausgleich gingen weiter. Mehrere Entwürfe eines Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich wurden im Bundesministerium der Finanzen ausgearbeitet und mit den Vertretern der Länder und Organisationen beraten. Am 20. Januar 1951 hat der Bundeskanzler den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich dem Präsidenten des Bundestags zugleich mit der Stellungnahme des Bundesrates zugeleitet (Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode 1949 Drucksache Nr. 1800). Die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag hat bereits stattgefunden.

Die Auswirkungen des Lastenausgleichs auf die Erbschaftsteuer sind in den Anordnungen des Bundesministers der Finanzen, der Länder sowie in den Entscheidungen von Finanzgerichten unterschiedlich behandelt. Der Bundesminister der Finanzen verneint einen Abzug wegen des Lastenausgleichs, die Gemeinsame Steuer- und Zollabteilung der Länder der Britischen Zone versagte jeden Abzug sowohl im Hinblick auf den Lastenausgleich wie auf das Soforthilfegesetz (Finanz-Rundschau 1950 S. 127, Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1949 S. 235). In den Ländern Niedersachsen, Hansestadt Hamburg, Schleswig-Holstein wurden die Finanzämter angewiesen, die Erbschaftsteuer-Veranlagungen vorläufig vorzunehmen und hierbei der Veranlagung den vollen Nachlaßwert ohne Abzug für Lastenausgleich oder Soforthilfeabgabe zugrunde zu legen. Auf Antrag soll die Erbschaftsteuer bis auf den Betrag gestundet werden, der sich ergibt, wenn von dem Nachlaß der vierfache Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe und die Soforthilfe-Sonderabgabe abzüglich der vom Erblasser bereits gezahlten Beträge abgesetzt wird. Bremen veranlagt die Erbschaftsteuer endgültig ohne Abzug. Es bleibt dem Steuerpflichtigen überlassen, gemäß § 36 ErbStG Berichtigung des Bescheides nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Lastenausgleich zu beantragen. Für die Berechnung des zu stundenden Teils der Erbschaftsteuer ist in Bremen von dem Wert des nach dem Soforthilfegesetz abgabepflichtigen Teils des Erwerbes auszugehen (Der Betrieb 1950 S. 77). Im Lande Nordrhein-Westfalen sind alle Erbschaftsteuer-Veranlagungen, bei denen die Steuerschuld nach dem 20. Juni 1948 entstanden ist, ohne Abzug der Soforthilfeabgabe vorläufig vorzunehmen (Binder - Drexl - Seweloh - Wehe - Zimmerle - Der Lastenausgleich, Soforthilfegesetz Nachträge S. 276 b). In Rheinland-Pfalz (Ministerialblatt 1950 Sp. 180 ff. = Deutsche Steuerzeitung Eildienst 1950 S 174) wird der geplante Lastenausgleich als eine am 21. Juni 1948 in der Person des Erblassers entstandene, mithin abzugsfähige Schuld angesehen. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Nachlaß dem endgültigen Lastenausgleich unterliegen wird, könne vorher nur nach der dem Lastenausgleich durch das Soforthilfegesetz gegebenen vorläufigen Ausgestaltung beurteilt werden. Der Lastenausgleich sei im Wege einer vorläufigen Veranlagung als nachlaßmindernd zu berücksichtigen, wobei die allgemeine Soforthilfeabgabe mit dem 12 1/2fachen Jahresbetrag zu bewerten sei.

Von Finanzgerichten haben zu der Frage Stellung genommen z. B. die Finanzgerichte Schleswig-Holstein und Hamburg:

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein (Der Betrieb 1950 S. 103) ist der Ansicht, daß der Lastenausgleich bereits in Form der Soforthilfeabgabe vorläufig gesetzlich geregelt und vom erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb abzuziehen sei. Es handele sich insoweit um eine abzugsfähige, auf dem Vermögen als solchem ruhende Last, die mit dem 12 1/2fachen Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe gemäß § 15 Absatz 2 des Reichsbewertungsgesetzes zu bewerten sei.

Das Finanzgericht Hamburg hat sich in zwei Urteilen mit der gleichen Frage befaßt und ist im wesentlichen dem Standpunkt des Finanzgerichts Schleswig-Holstein beigetreten (Deutsche Steuer-Rundschau 1951 S. 17).

Die angefochtene Entscheidung hat der Bfin. jeden Abzug vom Nachlaß im Hinblick auf den Lastenausgleich bzw. das Soforthilfegesetz versagt. Das Finanzgericht begründet seine Auffassung damit, daß das Gesetz über den Lastenausgleich noch nicht ergangen sei. Die Soforthilfeabgabe sei zwar gesetzlich geregelt, könne jedoch ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Denn erst künftig von dem Erwerb zu entrichtende persönliche Steuern stellten keine Nachlaßverbindlichkeiten dar. Fasse man die Soforthilfeabgabe aber als eine auf dem Sachvermögen ruhende öffentliche Last auf, so handele es sich insoweit um eine Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen, die gleichfalls keine vom Nachlaß abzugsfähige Verbindlichkeit begründe. Das Finanzgericht bezieht sich hier auf die oben mitgeteilten Urteile des Reichsfinanzhofs.

Der Auffassung des Finanzgerichts kann nicht gefolgt werden. Es erscheint dem Senat nicht vertretbar, den Lastenausgleich bei der Erbschaftsteuer unberücksichtigt zu lassen. Wenn auch das Gesetz über den allgemeinen Lastenausgleich noch nicht vorliegt, ist doch die öffentlichkeit seit langem (vgl. obige Darstellung über die Entwicklung des Lastenausgleichs II, 1) davon überzeugt, daß die endgültige gesetzliche Regelung nur noch eine Frage der Zeit ist, und daß die Ausgleichsverpflichtung mit Wirkung vom Währungsstichtag zur Entstehung gelangen wird. Mit dem Eintritt dieser Belastung rechnet der Verkehr, sie wirkt sich im Wirtschaftsleben aus, sie mindert den Wert eines Nachlasses, zu dem lastenausgleichspflichtiges Vermögen gehört, Tatsachen, an denen der Bundesfinanzhof nicht vorübergehen kann. Bis zum Erlaß des Gesetzes über den Lastenausgleich ist diese Wertminderung nach den Angaben zu bemessen, die der Erblasser auf Grund des Soforthilfegesetzes zu entrichten hat. Denn das Soforthilfegesetz stellt eine vorläufige Regelung des Lastenausgleichs dar. Sobald das Gesetz über den allgemeinen Lastenausgleich ergangen sein wird, tritt dieses Gesetz an die Stelle des Soforthilfegesetzes, und damit ändert sich dann u. U. die den Nachlaß betreffende Belastung. Wegen der somit gegenwärtig noch bestehenden Unsicherheit über das Ausmaß der endgültigen Belastung ist bis zum Erlaß des Gesetzes über den Lastenausgleich vorläufige Veranlagung der Erbschaftsteuer geboten (ß 100 Absatz 1 der Reichsabgabenordnung). Im übrigen treffen auch die rechtlichen Ausführungen des Finanzgerichts über den Charakter der Soforthilfeabgabe nicht zu. Die Soforthilfeabgabe ist keine öffentliche Last, die die Entrichtung wiederkehrender Leistungen zum Gegenstand hat, und sie ist auch keine erst künftig entstehende Steuerschuld, sondern bereits mit Beginn des Währungsstichtages und mit Wirkung für die gesamte, derzeit noch unbestimmte Geltungsdauer des Soforthilfegesetzes in der Person des Erblassers der Bfin. entstanden (Urteil des Bundesfinanzhofs III 117/50 S vom 16. November 1950).

Es bleibt noch zu prüfen übrig, wie die Belastung des Nachlasses infolge des Lastenausgleichs zu bewerten ist. Zu berücksichtigen sind hierbei bis zur Verabschiedung des Gesetzes über den Lastenausgleich die nach dem Soforthilfegesetz zu leistenden Abgaben. Da die allgemeine Soforthilfeabgabe eine Abgabe von unbestimmter Dauer ist, bemißt sich ihr Wert gemäß § 15 Absatz 2 des Reichsbewertungsgesetzes nach dem 12 1/2fachen Jahresbetrag. Etwaige bereits vom Erblasser der Bfin. gezahlte Soforthilfeabgabebeträge mindern diesen Wert.

Hiernach war das angefochtene Urteil nebst der Einspruchsentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache geht an das Finanzamt zu erneuter Entscheidung unter Beachtung der vorstehend mitgeteilten Grundsätze zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407192

BStBl III 1951, 57

BFHE 1952, 146

BFHE 55, 146

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