Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines Teilfeststellungsbescheids bei Bauherrengemeinschaft; Abfluß von Werbungskosten durch Abbuchung vom Bankkonto einer KG

 

Leitsatz (NV)

1. Sonderwerbungskosten eines an einer Bauherrengemeinschaft beteiligten Steuerpflichtigen sind im Verfahren gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen, wenn sie deshalb nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens für die Bauherrengemeinschaft sind, weil das Finanzamt einen Teilfeststellungsbescheid erläßt.

2. Erläßt das Feststellungsfinanzamt einen solchen Teilfeststellungsbescheid, so kann ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden, wenn Sonderwerbungskosten im Hinblick auf das Feststellungsverfahren zunächst nicht bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt wurden.

3. Erzielt ein KG-Gesellschafter außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Beteiligung an einer Bauherrengemeinschaft, so können seine Sonderwerbungskosten auch dadurch abfließen, daß sie von einem Bankkonto der KG abgebucht werden, sofern die KG den Betrag als Entnahme des Gesellschafters behandelt.

 

Normenkette

AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 351 Abs. 1, § 180 Abs. 2 V § 1 Abs. 1; FGO § 74; EStG § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr (1982) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) aus der Beteiligung an einer Bauherrengemeinschaft. Zur Finanzierung der Beteiligung nahm er ein Darlehen bei der A-Bank auf. Die Sparkasse B verbürgte sich durch Vertrag vom 29. Juni 1976 gegenüber der A-Bank für Zahlungsverpflichtungen des Klägers bis zu einem Betrag von 205008 DM. Die Sparkasse hatte das Recht, den jeweiligen Bürgschaftsrestbetrag zum Zwecke der Sicherheitsleistung zu hinterlegen und sich dadurch von der Verpflichtung aus der Bürgschaft zu befreien. Am 22. September 1982 machte sie im Hinblick auf einen zwischen dem Kläger und der A-Bank anhängigen Zivilprozeß von diesem Recht in der Weise Gebrauch, daß sie den damaligen Restbetrag von 102504 DM mit Einverständnis der A-Bank auf einem Festgeldkonto anlegte. Über das Konto konnten der Kläger und die Bank nur gemeinsam verfügen. Bei der Hauptschuld handelte es sich nach dem Vortrag des Klägers um fällige und künftige Zinsverbindlichkeiten gegenüber der A-Bank. Die Sparkasse buchte am 22. September 1982 102504 DM zu ihren Gunsten vom Konto der Firma C-KG ab, deren Gesellschafter der Kläger ist.

Unter dem 29. Januar 1986 erging für die Beteiligten der Bauherrengemeinschaft ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 180 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Aus einer Mitteilung des hierfür zuständigen Finanzamt (FA) D an den Beklagten und Revisionsbeklagten (das FA) geht hervor, daß es für den Kläger nur Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 9688 DM angesetzt hat, und daß es sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung um eine Teilfeststellung handelte und daß die Beteiligten bei ihren Wohnsitz-FÄ weitere Sonderwerbungskosten geltend machen konnten. Das beklagte FA änderte daraufhin am 11. März 1986 den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom 26. Juni 1985 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, indem es den Werbungskostenüberschuß aus Vermietung und Verpachtung um 9688 DM erhöhte. Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem der Kläger die Berücksichtigung des strittigen Betrages von 102504 DM als Werbungskosten begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FA hielt den angefochtenen Bescheid nach § 351 Abs. 1 AO 1977 nicht für zugunsten des Klägers änderbar.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der auf das Festgeldkonto eingezahlte Betrag von 102504 DM sei beim Kläger nicht abgeflossen.

Der Kläger rügt mit der Revision Verletzung von § 11 Abs. 2 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das Urteil ist nicht schon wegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens aufzuheben. Das finanzgerichtliche Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen, um dem FA D Gelegenheit zu geben, über die strittigen Werbungskosten im Feststellungsverfahren zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239). Zwar geht es im vorliegenden Fall um Sonderwerbungskosten, die grundsätzlich im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 23. April 1991 IX R 303/87, BFH/NV 1991, 653 m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, soweit Vermietungseinkünfte nur teilweise gemäß § 180 Abs. 2 AO 1977 i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO 1977 (Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977) gesondert und einheitlich festgestellt werden. Im Streitfall waren die Sonderwerbungskosten der einzelnen Beteiligten, die nicht gegenüber dem FA D nachgewiesen wurden, unmittelbar bei den jeweiligen Wohnsitz-FÄ geltend zu machen. Der Kläger begehrt somit zu Recht den Abzug der strittigen Aufwendungen im Verfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1982.

2. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 11. März 1986, durch den der zuvor ergangene, in Bestandskraft erwachsene Bescheid vom 26. Juni 1985 ersetzt wurde, kann - entgegen der Auffassung des FA - noch zugunsten des Klägers geändert werden. Die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO 1977, derzufolge Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, steht dem nicht entgegen, da sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.

Im Streitfall besteht im Hinblick auf den Feststellungsbescheid vom 29. Januar 1986 eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 kommt in Betracht, wenn ein Sachverhalt zunächst Gegenstand eines Feststellungsverfahrens war, dann aber abschließend festgestellt wird, daß er nicht im Grundlagenbescheid, sondern bei der Einkommensteuerveranlagung unmittelbar zu berücksichtigen oder zu prüfen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; vgl. auch Senatsurteil vom 11. Mai 1993 IX 27/90, BFHE 171, 486, BStBl II 1993, 820 m.w.N.). Im Streitfall wurden nicht alle Werbungskosten der Beteiligten an der Bauherrengemeinschaft im Feststellungsbescheid erfaßt, sondern nur ein Teil hiervon. So konnten Sonderwerbungskosten, die nicht gegenüber dem FA D nachgewiesen wurden, bei den jeweiligen Wohnsitz-FÄ gemacht werden.

3. Das angefochtene Urteil ist jedoch aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die Abziehbarkeit des Betrags von 102504 DM als Werbungskosten mangels eines Abflusses beim Kläger verneint hat.

a) Zwar ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die Überweisung des Betrags von 102504 DM durch die Sparkasse B auf das Festgeldkonto beim Kläger nicht zum Abfluß von Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führte. Die Sparkasse nahm die Überweisung in Ausübung des sich aus dem Bürgschaftsvertrag ergebenden Rechts vor, den Restbetrag zu hinterlegen und sich von der Bürgschaftsverpflichtung zu befreien. Es handelte sich nicht um Aufwendungen des Klägers, sondern um eine eigene Leistung der Sparkasse.

b) Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, daß die Sparkasse am 22. September 1982 Rückgriff nahm, indem sie vom Konto der C-KG, an der der Kläger beteiligt war, den strittigen Betrag zu ihren Gunsten abbuchte. Dieser Rückgriff führte zum Abfluß von Werbungskosten beim Kläger, sofern die KG den Betrag als Entnahme des Klägers behandelte.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das FG zurück, damit es prüft, ob die KG den von der Sparkasse abgebuchten Betrag als Entnahme des Klägers verbuchte. Gegebenenfalls wird das FG auch festzustellen haben, ob es sich bei den umstrittenen Aufwendungen ausschließlich um Zinsen handelt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 547

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