Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in eine versäumte Revisionsfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsfrist, der erst mehr als zwei Jahre nach Zustellung der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden ist, kann grundsätzlich schon wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß § 56 Abs. 3 FGO nicht entsprochen werden.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung war nicht infolge höherer Gewalt unmöglich, wenn die Revisionsschrift auf dem Postweg verloren gegangen sein soll, der Prozeßbevollmächtigte des Klägers aber nicht bemerkt hat, daß er weder vom FG noch vom BFH eine Eingangsbestätigung erhielt.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wurde abgewiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hin ließ der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 23. August 1990 die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) zu. Der Beschluß ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 7. September 1990 zugestellt worden. Eine Revisionsschrift ist weder beim FG noch beim BFH eingegangen.

Mit am 25. Januar 1993 beim BFH eingegangenem Schreiben teilte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit, er habe mit Schriftsatz vom 25. September 1991 (gemeint offenbar: 1990) gegen das Urteil des FG Revision eingelegt. Aus ,,organisatorischen Gründen" werde angefragt, wann mit einer Bearbeitung/Entscheidung gerechnet werden könne. Hierauf antwortete die Geschäftsstelle des erkennenden Senats mit am 1. Februar 1993 abgesandten Schreiben, daß beim BFH keine Revision eingegangen sei.

Der Kläger übersandte daraufhin mit Schreiben vom 2. Februar 1993, das am 3. Februar 1993 beim BFH einging, eine Abschrift seiner Revisionsschrift vom 25. September 1990 mit dem Bemerken, daß die Revisionsschrift an diesem Tage beim FG . . . eingereicht worden sei.

Am 17. Februar 1993 ging beim BFH ein Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ein. Der Kläger führte aus, er habe mit Erstaunen von dem Schreiben des BFH an das FG vom 3. Februar 1993 Kenntnis genommen. Tatsächlich habe er die Revisionsschrift selbst am 25. September 1990 zur Post gegeben. Daran könne er sich wegen der Seltenheit dieses Vorgangs in seiner Kanzlei noch gut erinnern. Ausdrücklich werde dies auch anwaltlich versichert. Die Revisionsschrift müsse wohl verloren gegangen sein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat sich zur Sache nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Der Kläger hat die Revisionsfrist versäumt. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision einzulegen.

Im Streitfall ist der Beschluß über die Zulassung der Revision dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 7. September 1990 zugestellt worden. Die Revisionsfrist lief deshalb unter Beachtung von § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) am 8. Oktober 1990 ab. Die beim BFH eingereichte und von dort an das FG weitergeleitete Kopie der Revisionsschrift vom 25. September 1990 ist dort jedoch erst am 8. Februar 1993 eingegangen.

Wiedereinsetzung in die Revisionsfrist gemäß § 56 FGO kann dem Kläger nicht gewährt werden. Dabei kann offenbleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers den Erfordernissen des § 56 Abs. 2 FGO entspricht, insbesondere ob er fristgemäß gestellt und begründet wurde, und ob die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist. Denn der Kläger hat auch die Frist des § 56 Abs. 3 FGO versäumt.

Nach dieser Vorschrift kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Im Streitfall beträgt die Fristversäumnis mehr als zwei Jahre. Die Antragstellung innerhalb eines Jahres seit dem Ende der versäumten Frist war dem Kläger nicht infolge höherer Gewalt unmöglich. Darunter sind Ereignisse zu verstehen, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste, gerade dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden konnten (von Wallis in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Ziff.73; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 56 FGO Tz.5). Davon kann hier keine Rede sein. Denn dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, dessen Verschulden sich dieser zurechnen lassen muß, hätte - unter der Voraussetzung, daß der Prozeßbevollmächtigte die Revisionsschrift tatsächlich am 25. September 1990 abgesandt hat - zumindest auffallen müssen, daß er weder vom FG noch vom BFH eine Eingangsbestätigung erhielt. Hätte der Prozeßbevollmächtigte die erforderliche Sorgfalt beachtet, wäre ihm dieser Umstand nicht entgangen. Er hätte dann jedenfalls noch innerhalb der Jahresfrist Wiedereinsetzung beantragen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419234

BFH/NV 1993, 679

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