Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung einer Ladung durch Niederlegung

 

Leitsatz (NV)

Die Postzustellungsurkunde erbringt gemäß §82 FGO i. V. m. §418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, auch den Beweis darüber, daß die Empfänger in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden sind. Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 1996 X R 79/95, BFH/NV 1996, 567; vom 17. Dezember 1996 IX R 5/96, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638 m. w. N.).

 

Normenkette

FGO §§ 53, 82, 91 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 142 Abs. 1; VwZG § 3; ZPO §§ 114, 182, 418 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1986 bis 1988 abgewiesen. Streitig war die Berücksichtigung von Betriebsausgaben im Rahmen eines Antrags nach §172 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung (AO 1977). Die Antragstellerin wurde im Klageverfahren durch den Antragsteller vertreten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung waren die Antragsteller nicht erschienen. Das FG hat ihre ordnungsgemäße Ladung mittels Postzustellungsurkunde festgestellt. Die Postzustellungsurkunde weist den Antragsteller als Empfänger aus und enthält Vermerke sowohl über die Niederlegung der Sendung als auch über die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung durch Einlage in den Hausbriefkasten.

Gegen die Vorentscheidung haben die Antragsteller Revision eingelegt. Sie rügen, daß sie im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen seien (§116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), da sie die Ladung nicht erhalten hätten. Die Sendung sei zwar niedergelegt worden, eine Benachrichtigung hierüber sei jedoch nicht erfolgt. Weiterhin rügen die Antragsteller rechtsfehlerhafte Anwendung der Vorschrift des §172 AO 1977 durch das FG.

Für dieses Revisionsverfahren haben die Antragsteller Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unbegründet und daher abzulehnen.

Nach §142 Abs. 1 FGO i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die eingelegte Revision unzulässig ist.

Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von §115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß §116 FGO gegeben ist. Hierauf wurden die Antragsteller durch die der angefochtenen Entscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen. Vorliegend ist die Revision weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden. Sie ist auch nicht nach §116 Abs. 1 FGO statthaft.

Zwar haben die Antragsteller einen Verfahrensmangel i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Dieser Mangel ist jedoch nicht schlüssig gerügt, da die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen -- als wahr unterstellt -- keinen Verfahrensmangel ergeben. §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO setzt voraus, daß ein Beteiligter in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war. Das ist nur dann der Fall, wenn das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (BFH- Beschluß vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er -- wie die Antragsteller rügen -- nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH- Beschluß vom 16. März 1994 II R 30/93, BFH/NV 1995, 34).

Die Ausführungen der Antragsteller lassen indessen nicht den Schluß zu, das FG habe sie nicht ordnungsgemäß geladen. Die Ladung ist dem Antragsteller (als deren Bevollmächtiger auch für die Antragstellerin) gemäß §53 FGO i. V. m. §3 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) durch die Post mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost sind die von den Postzustellern unter Beachtung der Vorschriften des VwZG bewirkten Zustellungen wirksam (§16 Abs. 1 des Gesetzes über das Postwesen i. d. F. des Postneuordnungsgesetzes vom 14. September 1994, BGBl I 1994, 2325, 2370; vgl. auch BFH-Beschluß vom 17. Dezember 1996 IX R 5/96, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638). Ist eine Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung oder im Haus (§3 Abs. 3 VwZG i. V. m. §§180, 181 ZPO) nicht möglich, kann der Postbedienstete gemäß §3 Abs. 3 VwZG i. V. m. §182 ZPO die Zustellung bewirken, indem er das Schriftstück bei der Postanstalt des Zustellungsorts niederlegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgibt. Üblich ist dabei der Einwurf in den Hausbriefkasten (BFH-Beschluß vom 7. Februar 1996 X R 79/85, BFH/NV 1996, 567).

Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist der Postbedienstete nach diesen Grundsätzen vorliegend auch verfahren. Die Postzustellungsurkunde erbringt gemäß §82 FGO i. V. m. §418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen, auch den Beweis darüber, daß die Empfänger in der vorgeschriebenen Weise über die Niederlegung benachrichtigt worden sind. Ein Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Die bloße Behauptung der Antragsteller, sie hätten die Mitteilung über die Niederlegung nicht erhalten, kann daher die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladungen nicht entkräften. Hierzu wäre erforderlich, einen anderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 567; in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, m. w. N.). Die Antragsteller haben jedoch keine Umstände dargelegt, die ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind. Die von ihnen geltend gemachte Beantragung eines Nachweises für den Nichtzugang der Benachrichtigung über die Niederlegung beim zuständigen Postamt ist dafür nicht ausreichend. Aufgrund der vorliegenden Postzustellungsurkunde durfte das FG davon ausgehen, daß die Ladungen den Antragstellern -- unter Einhaltung der Ladungsfrist des §91 Abs. 1 FGO und Hinweis auf die Rechtsfolgen des Ausbleibens gemäß §91 Abs. 2 FGO -- ordnungsgemäß durch Niederlegung zugestellt worden waren. Es hatte keine Veranlassung, vor der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits nachzuforschen, ob die Antragsteller die Ladung erhalten und rechtzeitig zur Kenntnis genommen hatten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; BFH-Beschluß vom 22. September 1993 II R 55/93, BFH/NV 1994, 486).

Die von den Antragstellern möglicherweise miterhobene Rüge der Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (§119 Abs. 1 Nr. 3 FGO) fällt nicht unter die in §116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Verfahrensmängel und kann nur mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO erhoben werden (BFH-Urteil vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187; BFH- Beschluß vom 19. Juli 1995 X R 41/94, BFH/NV 1996, 54).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67125

BFH/NV 1998, 734

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