Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine schlüssige Verfahrensrüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO

 

Leitsatz (NV)

Die Rüge, das Finanzgericht hätte nicht in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Prozeßbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, sondern durch Versäumnisurteil erkennen müssen, enthält keine schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhob gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für April 1992 durch ihren Prozeßbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, Klage. Weil die Klage nicht begründet worden war, hob der Vorsitzende des zuständigen Senats beim Finanzgericht (FG) den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht -- wie beantragt -- auf. Der zum Termin der mündlichen Verhandlung gemäß § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit Empfangsbekenntnis geladene Prozeßbevollmächtigte erschien in diesem Termin nicht. Der für die Klägerin anwesende Geschäftsführer der Klägerin erklärte, daß der Prozeßbevollmächtigte nicht kommen könne. Gründe nannte er nicht.

Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Mit der Revision rügt die Klägerin Verfahrensmängel. Sie führt dazu aus: Weil die Klage durch einen Rechtsanwalt erhoben worden sei, wäre sie, die Klägerin, in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nur bei persönlicher Teilnahme ihres Rechts anwalts ordnungsgemäß vertreten gewesen. Mangels ordnungsgemäßer Vertretung hätte ein Versäumnisurteil ergehen müssen. Dadurch sei ihr die Möglichkeit des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vorenthalten worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 126 FGO Rz. 3) als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Nach § 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat.

Das FG hat die Revision ausweislich des angefochtenen Urteils nicht zugelassen. Die Revision ist auch nicht auf die Beschwerde eines Beteiligten vom BFH zugelassen worden. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht eingelegt worden. Die vorliegende unzulässige Revision kann nicht in eine statthafte Nichtzulassungsbeschwerde i. S. des § 115 Abs. 2, 3 FGO umgedeutet werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 1987 II R 10/87, BFH/NV 1988, 320; vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291). Sie müßte im übrigen als unzulässig verworfen werden, weil innerhalb der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO keine Beschwerdebegründung beim Gericht eingegangen ist.

2. Das Rechtsmittel ist auch nicht als zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO zulässig. Die Klägerin hat zwar gerügt, sie sei im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Eine schlüssige Verfahrensrüge i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt aber nur vor, wenn die zur Begründung des Verfahrensmangels vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- den bezeichneten Mangel ergeben. Die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen müssen lückenlos vorgetragen werden. Die nicht ordnungsgemäße Vertretung ist nur schlüssig gerügt, wenn sich aus der Revisionsbegründung ausdrücklich oder durch den substantiierten Vortrag geeigneter Umstände (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1982 I R 120/82, BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46) ableiten läßt, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise vor dem FG nicht ordnungsgemäß vertreten war, z. B. weil das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt hat. Das ist etwa der Fall, wenn die Beteiligten nicht ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden wären (vgl. BFH- Beschluß vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401) und ihnen das FG dadurch die Teilnahme unmöglich gemacht hätte (BFH-Beschluß vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850) oder wenn das FG entgegen der Zusage einer Terminsänderung die mündliche Verhandlung gleichwohl durchgeführt hätte (BFH- Urteil vom 28. November 1990 I R 71/90, BFH/NV 1991, 756).

Den bezeichneten Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht. Sie ergibt lediglich, daß nach Ansicht der Klägerin das FG wegen der Abwesenheit des Prozeßbevollmächtigten durch Versäumnisurteil hätte entscheiden müssen. Derartiges sieht die FGO nicht vor. Andere Gründe für den gerügten Verfahrensmangel enthält die Revisionsbegründung nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419956

BFH/NV 1995, 399

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