Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringung von Aussiedlern

 

Leitsatz (NV)

Entscheidend für die Frage, ob eine kurzfristige oder eine auf Dauer angelegte Überlassung von Räumen vorliegt, ist die aus den gesamten äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters.

 

Normenkette

UStG 1991 § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a, S. 2

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist Eigentümerin einer Gaststätte. Am 31. Juli 1990 schloß sie mit dem Bundesland X, vertreten durch die Regierung von Y, einen Rahmenvertrag über die Unterbringung von Aussiedlern. In dem Vertrag verpflichtete sie sich, in dem Gaststättengebäude vom 31. Juli 1990 an dem Bundesland X zugewiesene Aussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vorläufig unterzubringen. Die Unterbringung sollte enden, wenn freie Übergangswohnheimplätze vorhanden waren. Die Klägerin verpflichtete sich ferner, die untergebrachten Personen -- bis zu 12 -- mit drei Mahlzeiten pro Tag zu verpflegen. Der Tagessatz für Unterkunft und Vollverpflegung betrug pro Person ... DM, bei Kindern bis zu zwei Jahren ... DM. Die Abrechnung der Klägerin mit der Regierung von Y erfolgte wöchentlich.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 unterwarf die Klägerin nur ihre anteiligen Einnahmen aus der Verpflegung der Aussiedler der Umsatzsteuer. Mit Umsatzsteuerbescheid für 1991 vom 20. Juli 1993 erhöhte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) die Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen zu 14 v. H. um ... DM Beherbergungsumsatz. Das FA vertrat die Auffassung, daß die Beherbergungsumsätze eine steuerpflichtige Vermietung darstellten. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Einspruch führte insoweit zu einer Änderung als die Einnahmen aus der Beherbergung als Bruttoumsätze behandelt wurden. Der Netto-Beherbergungsumsatz wurde mit ... DM neu berechnet. Die Umsatzsteuer hieraus beträgt ... DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Zur Begründung führte es u. a. aus: Entscheidend für die Frage, ob eine (steuerpflichtige) kurzfristige oder eine auf Dauer angelegte (steuerfreie) Vermietung von Wohn- oder Schlafräumen vorliege, sei nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (Hinweis auf Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. September 1989 V R 170/84, BFH/NV 1990, 532, und vom 27. Oktober 1993 XI R 69/90, BFH/NV 1994, 744). Die jeweilige Absicht des Vermieters sei anhand der Gesamtumstände des Falles zu ermitteln (Hinweis auf BFH-Entscheidungen vom 11. Januar 1990 V B 109/89, BFH/NV 1990, 607, sowie in BFH/NV 1994, 744). Die Gewichtung der jeweiligen Sachverhaltselemente sei als Teil der Tatsachenwürdigung Aufgabe des FG (Hinweis auf BFH-Entscheidungen vom 25. Januar 1996 V R 6/95, BFH/NV 1996, 583, und vom 14. August 1996 V B 105/95, BFH/NV 1997, 204).

Im Streitfall sei die Absicht der Klägerin darauf gerichtet gewesen, die Wohn- und Schlafräume langfristig an das Bundesland X zu vermieten. Das ergebe sich zum einen daraus, daß die Klägerin infolge des Zustroms an Aussiedlern und der begrenzten Aufnahmemöglichkeiten in den freien Übergangswohnheimen davon habe ausgehen können, es werde zumindest innerhalb eines Jahres zu keiner Kündigung des Vertrages vom 31. Juli 1990 durch das Landratsamt kommen. Zum anderen spreche dafür, daß die Klägerin die bisher als Gaststube (Erdgeschoß) und als eigene Wohnung (vier Zimmer im ersten und zweiten Obergeschoß) genutzten Räume zum Zwecke einer langfristigen Vermietung umgestaltet habe. So seien in den Zimmern Schiebe- bzw. Falttüren eingebaut worden. Die ehemalige Küche der Klägerin sei mit zusätzlichen Stand- und Hängeschränken versehen, und es seien ein zweiter Herd und ein Gefrierschrank installiert worden. Damit die vier Zimmer getrennt angeläutet werden konnten, sei eine Klingelanlage mit vier Klingeln angebracht worden. Eine auf Dauer angelegte Vermietungsabsicht ergebe sich auch aus dem Umstand, daß die Beherbergungsmaßnahmen im Betrieb der Klägerin zu einer erheblichen Renditesteigerung geführt hätten.

Gegenüber diesen außervertraglichen Umständen fielen die den vertraglichen Vereinbarungen zu entnehmenden Indizien für eine nur vorübergehende Vermietungsabsicht der Klägerin wie die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung der Aussiedlerzuweisungen durch das Landratsamt und die wöchentliche Abrechnung des Mietentgelts aufgrund von Tagessätzen weniger stark ins Gewicht (Hinweis auf BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 112/93, BFH/NV 1996, 182).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des FA, mit der eine Divergenz des FG von der BFH-Rechtsprechung sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird.

Das FG sei zum einen vom Senatsurteil vom 24. Februar 1994 V R 74/92 (BFH/NV 1995, 365) abgewichen. In jenem Urteil habe es der BFH u. a. als streitentscheidend für die Annahme einer langfristigen Vermietungsabsicht angesehen, daß der Unternehmer diese Absicht durch Abschluß eines langfristigen Mietvertrages in die Tat umgesetzt habe. Demgegenüber lasse das FG auch die Eingehung kurzfristiger Zimmermietverhältnisse genügen.

Die Revision sei ferner zuzulassen, weil der streitentscheidenden Rechtsfrage, ob die Steuerbefreiung nach §4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1991 mit dem tatsächlichen Abschluß eines langfristigen Mietvertrages verknüpft sei oder nicht, grundsätzliche Bedeutung zukomme. Diese Frage sei aus Gründen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit klärungsbedürftig. Unsicherheiten bei der Beurteilung der Rechtslage ergäben sich nämlich aufgrund des BFH-Urteils in BFH/NV 1996, 583, wonach die Absicht zur langfristigen Vermietung auch aus außervertraglichen Umständen abgeleitet werden könne.

Das FA beantragt, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, soweit das FA die Frage nach den Tatbestandsvoraussetzungen für eine umsatzsteuerbefreite "längerfristige" Unterbringung von Aussiedlern (§4 Nr. 12 UStG 1991) für grundsätzlich klärungsbedürftig hält. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFH/NV 1996, 583 erneut in einem ähnlich liegenden Fall entschieden, daß für die Frage, ob eine kurzfristige oder eine auf Dauer angelegte Überlassung von Räumen vorliegt, die aus den gesamten äußeren Umständen ableitbare Absicht des Vermieters ausschlaggebend ist (vgl. auch dazu Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Februar 1998 Rs. C-346/95 -- Elisabeth Blasi -- Internationales Steuerrecht 1998, 144).

2. Soweit das FA eine Revisionszulassung wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von dem BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 365 geltend macht und voneinander abweichende Rechtssätze darlegt, kommt eine solche Zulassung ebensowenig in Betracht. Wie der Senat in dem bereits angesprochenen Urteil in BFH/NV 1996, 583 ausgeführt hat, beruht die vom FA vorgetragene Aussage des Urteils in BFH/NV 1995, 365 auf einer revisionsrechtlich nicht angreifbaren Würdigung des FG, das dabei aber die maßgeblichen Rechtsgrundsätze der Rechtsprechung berücksichtigt hatte.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe weiterer Gründe.

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 1007

UR 1998, 425

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