Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerpflicht kurzfristiger Wohnraumvermietung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der EuGH hatte darüber zu urteilen, ob die Abgrenzung der nach Artikel 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie umsatzsteuerpflichtigen Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung zur steuerfreien Wohnraumvermietung anhand der Dauer der Unterkunftüberlassung (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG) vorgenommen werden kann. Das Vorlagegericht (Finanzgericht München) hatte Zweifel, ob mit der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung nach Artikel 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-Richtlinie nur eine kurzfristige Beherbergung gemeint sein könne.

Nach der EuGH-Entscheidung stellt die Dauer der Beherbergung ein zulässiges Kriterium für die Unterscheidung zwischen der steuerpflichtigen Gewährung von Unterkunft und der steuerfreien Vermietung von Wohnraum dar. Die ständige Rechtsprechung des BFH, daß für eine Steuerbefreiung die Absicht vorliegen muß, Wohnraum für mindestens 6 Monate zu vermieten, wird damit bestätigt.

Der Gerichtshof betont in seiner Entscheidung, daß die Mitgliedstaaten bei der Definition der Gewährung von Unterkunft Gestaltungsspielraum haben. Deshalb dürfen Mietverträge, die für eine geringere Laufzeit als 6 Monate abgeschlossen werden und diese Laufzeit auch der Absicht der Parteien entspricht, besteuert werden. Im Einzelfall kann es aber auch auf die tatsächliche Dauer der Beherbergung ankommen, wenn die vertragliche Laufzeit nicht der wirklichen Absicht der Parteien entspricht.

 

Beteiligte

Elisabeth Blasi

Finanzamt München I

 

Gründe

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Befreiung – Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken – Ausnahme bei der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung”

In der Rechtssache C-346/95

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Finanzgericht München (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Elisabeth Blasi[1]

gegen

Finanzamt München I

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)

erläßt

Der Gerichtshof (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter M. Wathelet (Berichterstatter), J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward und J.-P. Puissochet,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Oberregierungsrat Bernd Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Jürgen Grunwald als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Blasi (im folgenden: Klägerin), vertreten durch Rechtsanwalt Hans-W. Weindl, München, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder und Regierungsdirektor Claus-Dieter Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch Jürgen Grunwald, in der Sitzung vom 5. Juni 1997,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 1997,

folgendes

Urteil

1 Das Finanzgericht München hat mit Beschluß vom 20. September 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Finanzamt München I (im folgenden: Finanzamt) über die Frage, ob die Klägerin mit Umsätzen aus Beherbergungen, die im deutschen Recht als kurzfristig gelten, weil sie aufgrund von Mietverträgen mit einer Laufzeit von unter sechs Monaten erfolgen, mehrwertsteuerpflichtig ist.

3 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens geltenden deutschen Rechtsvorschriften, die Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Sechsten Richtlinie entsprechen, im Umsatzsteuergesetz in der Fassung von 1980 (im folgenden: UStG) enthalten sind.

4 § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a und Satz 2 UStG lautet wie folgt:

„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

12.

a) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerliche...

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