Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Grundbucheintragungsantrag des FA

 

Leitsatz (NV)

Vorläufiger Rechtsschutz gegen den Antrag des FA an das Grundbuchamt auf Eintragung einer Sicherungshypothek kann nur im Wege der Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung des Eintragungsersuchens, nicht dagegen über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gewährt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 322 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 2-3, § 114 Abs. 1, 5

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nimmt die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) als Duldungsschuldnerin für Steuerschulden ihres Ehemannes aus bestandskräftigen Duldungsbescheiden in Anspruch. Das FA beantragte bei den Amtsgerichten - Grundbuchämtern - B und E die Eintragung von je einer Sicherungshypothek auf Grundstücken der Klägerin. Die Grundbuchämter trugen die Sicherungshypotheken in die Grundbücher ein. Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Eintragungsanträge, die dieser - zunächst - nicht bekanntgegeben worden waren, blieben erfolglos.

Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit der das FA verpflichtet werden sollte, die Eintragungsanträge an das Amtsgericht zurückzunehmen. Das FG lehnte den Antrag ab. Es führte aus:

Es könne dahinstehen, ob anstatt der beantragten einstweiligen Anordnung nur die Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig sei und ob für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sei. Denn der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei jedenfalls deshalb abzulehnen, weil es an einem Anordnungsanspruch fehle. Der Mangel der Bekanntgabe der Eintragungsanträge gegenüber der Antragstellerin sei durch ihre spätere Übersendung mit Schriftsatz vom . . . behoben worden. Im übrigen verwies das FG auf das Urteil des Senats vom 17. Oktober 1989 VII R 77/88 (BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Anträge des FA auf Eintragung von Sicherungshypotheken seien als Verwaltungsakte mangels Bekanntgabe an sie als die Betroffene insgesamt - also auch dem Grundbuchamt gegenüber - unwirksam. Die Sicherungshypotheken hätten deshalb nicht eingetragen werden dürfen. Die spätere Bekanntgabe der Grundbucheintragungsanträge mit Schreiben des FA vom . . . habe allenfalls Wirkung ex nunc. Eine rückwirkende Heilung der unwirksamen Anträge sowie der unwirksamen Zwangshypotheken sei ausgeschlossen. Im übrigen sei im Zeitpunkt der nachträglichen Bekanntgabe des Eintragungsersuchens für den geltend gemachten Duldungsanspruch die Zahlungsverjährung eingetreten. Die Eintragungsersuchen gegenüber den Grundbuchämtern hätten mangels Wirksamkeit als Verwaltungsakt gegenüber der Betroffenen die Verjährung nicht unterbrechen können. Ferner sei bereits zum Zeitpunkt der unwirksamen Eintragungsanträge die dem Duldungsbescheid zugrunde liegende Steuerfestsetzung durch Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen und wegen eingetretener Zahlungsverjährung erloschen gewesen, so daß auch die Duldungspflicht nicht mehr bestanden habe. Eine Heilung der unterbliebenen Bekanntgabe der Eintragungsanträge sei auch ex nunc nicht möglich, weil bei der späteren Mitteilung an sie - die Antragstellerin - der Bekanntgabewille des FA gefehlt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat es zu Recht abgelehnt, die von der Antragstellerin beantragte einstweilige Anordnung zu erlassen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO vorliegen. Die Beschwerde ist bereits deshalb unbegründet, weil der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Anordnung im Streitfall unzulässig ist.

Nach § 114 Abs. 5 FGO gelten die Vorschriften über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht für die Fälle des § 69 FGO. Die einstweilige Anordnung ist also gegenüber der Aussetzung der Vollziehung subsidiär. Das bedeutet, daß der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft ist, wenn eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO in Betracht kommt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210). Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist demnach unzulässig, soweit er sich gegen vollziehbare Verwaltungsakte richtet.

Bei den streitbefangenen Anträgen des FA an die Grundbuchämter auf Eintragung von Sicherungshypotheken auf den Grundstücken der Antragstellerin handelt es sich dieser gegenüber um vollziehbare Verwaltungsakte, die ihr gemäß §§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bekanntzugeben waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen erforderlichen Anträge des FA als Vollstreckungsgläubiger zumindest dann Verwaltungsakte, wenn sie - wie im Streitfall - die nach § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 erforderliche Bestätigung enthalten, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, weil nämlich das Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt an diese Feststellungen gebunden sind (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977; Beschlüsse des Senats vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; vom 25. Januar 1988 VII B 85/87, BFHE 152, 53, BStBl II 1988, 566, und Senatsurteil in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).

Der Senat hat deshalb entschieden, daß die Vollziehung des mit dem Vollstreckbarkeitsvermerk versehenen Eintragungsantrags auf Antrag des Betroffenen auszusetzen bzw., wenn dessen Regelungsinhalt - wie im Streitfall - bereits vollzogen ist, aufzuheben ist (§ 69 Abs. 3 Satz 4 FGO), wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung i. S. des § 69 Abs. 2 FGO bestehen. Das ist dann der Fall, wenn der an das Grundbuchamt gerichtete Eintragungsantrag dem betroffenen Vollstreckungsschuldner nicht bekanntgegeben und deshalb diesem gegenüber nicht wirksam geworden ist (§§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 AO 1977). Es obliegt dann dem FA, die eingetretenen Folgen eines Eintragungsantrags, dessen Vollziehung aufgehoben worden ist, durch Erteilung einer Löschungsbewilligung zu beseitigen (Beschlüsse des Senats in BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236, 239, und vom 31. Januar 1989 VII B 98/88, BFH/NV 1989, 620). Wird dagegen vor der abschließenden gerichtlichen Entscheidung im Aussetzungsverfahren die Bekanntgabe des Grundbucheintragungsantrags an den Vollstreckungsschuldner nachgeholt, so kann dessen Vollziehung - jedenfalls wegen des Bekanntgabemangels - vom Gericht nicht mehr aufgehoben werden (BFH/NV 1989, 620; zur Möglichkeit der Nachholung des Eintragungsersuchens vgl. auch BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob im Streitfall die Eintragungsanträge des FA vom . . . der Antragstellerin nachträglich mit Schriftsatz vom . . . wirksam bekanntgegeben worden sind. Die von der Antragstellerin beantragte Rücknahme der Eintragungsersuchen im Wege der einstweiligen Anordnung scheitert jedenfalls daran, daß im Streitfall - wie oben ausgeführt - als vorläufiger Rechtsschutz gegen die Eintragungsersuchen nicht die einstweilige Anordnung, sondern nur der Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung in Betracht kam (§ 114 Abs. 5 FGO). Wegen der sonstigen, mit der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen verweist der Senat auf sein zwischen den Beteiligten ergangenes Urteil vom 16. Oktober 1990 VII R 28/89, BFH/NV 1991, 72, das das Revisionsverfahren hinsichtlich anderer Eintragungsanträge des FA betraf.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 608

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