Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsanspruch und materieller Steueranspruch

 

Leitsatz (NV)

Bestand bei Erlaß der Einspruchsentscheidung über einen Haftungsbescheid der materielle Steueranspruch, dessentwegen die Haftungsinanspruchnahme vorgenommen wurde, so hat das FG seinerseits über deren Rechtsmäßigkeit zu entscheiden. Hierin liegt keine Abweichung von dem Urteil des BFH vom 18. Mai 1983, I R 193/79 (BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544).

 

Normenkette

FGO §§ 40, 44, 115 Abs. 2 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG, mit dem seine Klage wegen Haftungsinanspruchnahme als Geschäftsführer einer GmbH für Umsatzsteuer abgewiesen wurde, Beschwerde erhoben. Er begründet diese mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils von der Entscheidung des BFH vom 18. Mai 1983 I R 193/79 (BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544) und dem Vorliegen eines für die finanzgerichtliche Entscheidung relevanten Verfahrensmangels.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liege in dem Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Verantwortlichkeit des Geschäftsführers bei Anfertigung der Umsatzsteuervoranmeldungen, wenn diese von einer Hilfskraft - hier der Buchhalterin - vorgenommen worden sei. Die Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zu der genannten BFH-Entscheidung in BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544 bestehe in der vom FG nicht erkannten und daher unberücksichtigt gelassenen Rechtsfrage, daß ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen dürfe, wenn der Steueranspruch (durch Tilgung) erloschen sei. Ein Verfahrensfehler sei dem FG insofern unterlaufen, als es unaufgeklärt gelassen habe, unter welchen Umständen die Umsatzsteuervoranmeldung für April 1981 gefertigt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Die Frage der Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die von Hilfskräften gefertigten Umsatzsteuervoranmeldungen ist durch mehrere Entscheidungen des BFH - so die Urteile vom 26. April 1984 V R 128/79 (BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776) und vom 22. Januar 1985 VII R 110/78 (BFH / NV 1985, 18) - dahin geklärt, daß der Geschäftsführer für Fehler solcher Hilfskräfte grundsätzlich einzustehen hat. Die Frage ist entschieden. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr.

Eine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zu dem Urteil des BFH in BFHE 138, 335, BStBl II 1983, 544 liegt nicht vor. Denn im dort entschiedenen Fall hatte wegen Veränderung der Steuerschuld durch die Veranlagung der Steueranspruch schon bei Erlaß des Haftungsbescheids nicht bestanden (vgl. den letzten Absatz des genannten Urteils), so daß der Haftungsbescheid mangels Vorhandenseins eines Primäranspruchs nicht hätte ergehen dürfen. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Haftungsbescheid erging am 8. Dezember 1981 und die Einspruchsentscheidung am 15. Juli 1982. Selbst wenn man dem Kläger darin folgen könnte, daß durch seine Aufrechnungserklärungen vom 13. Oktober und 24. November 1982 die Steuerschuld erloschen sei, so lägen diese Zeitpunkte nach dem Ergehen der für den Streitgegenstand in Haftungssachen maßgebenden Einspruchsentscheidung, so daß ein Erlöschen der Steuerschuld im Oktober oder November 1982 unbeachtlich gewesen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 V R 125/76, BFHE 129, 126, BStBl II 1980, 103, ständige Rechtsprechung).

Schließlich ist auch der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel nicht gegeben. Bereits in der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 1982 und später in der Klageerwiderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) vom 11. Januar 1983 ist ausreichend dargetan, daß hier Einfuhrumsatzsteuer im April 1981 als Vorsteuerabzugsposten angegeben wurde, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal entstanden, geschweige denn - wie gesetzlich geboten (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980) - entrichtet war. Mehr ist nicht erforderlich. Von einer ,,Überraschungsentscheidung" durch das finanzgerichtliche Urteil kann keine Rede sein.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 94

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge