Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnung der Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Anordnungen, einen Prozeßbevollmächtigten zu bestellen, haben zur Folge, daß der Betroffene, abgesehen von der Bestellung eines Bevollmächtigten, keine Prozeßhandlungen mehr wirksam vornehmen kann. Sie wirken aber nur insoweit über die Instanz hinaus, als Erklärungen gegenüber dem FG abzugeben sind (Anschluß an BFH-Beschluß vom 24. April 1975 VI R 210/74, BFHE 115, 423, BStBl II 1975, 672). Dies gilt vorwiegend für die Einlegung von Beschwerden gegen Beschlüsse des FG.

Anordnungen gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 hindern den Betroffenen dagegen nicht, Anträge auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren, das beim BFH zu führen ist, zu stellen.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hatte im Rahmen der Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1987 und Einkommensteuer 1988 bis 1990 dem Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) durch Beschlüsse vom 30. Juni 1994 aufgegeben, einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe oder Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten zu bestellen. Die Beschlüsse wurden rechtskräftig. Der Antragsteller wurde im Klageverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten. Durch Urteile vom 6. November 1995 wies das FG die Klagen ab. Dagegen legte der Antragsteller persönlich Rechtsmittel ein. Er beantragte außerdem mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1995 durch Aufhebung der Beschlüsse vom 30. Juni 1994, seine Postulationsfähigkeit wieder herzustellen. Das FG hat diese Anträge durch Beschlüsse vom 14. Dezember 1995 zurückgewiesen.

Dagegen richten sich die rechtzeitig vom Antragsteller persönlich erhobenen Beschwerden, in denen er beantragt hat, ihm Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hielt es für sachgemäß, die Verfahren XI S 11/96 und XI S 13/96 zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (§§ 121, 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Anträge auf PKH sind zulässig.

a) Der Zulässigkeit der Anträge stehen die rechtskräftigen Anordnungen des FG nach § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO vom 30. Juni 1994 nicht entgegen. Die Anordnungen haben zur Folge, daß der Antragsteller, abgesehen von der Bestellung eines Bevollmächtigten, keine Prozeßhandlungen mehr wirksam vornehmen konnte. Sie wirken aber nur insoweit über die Instanz hinaus, als Erklärungen gegenüber dem FG abzugeben sind (BFH-Beschluß vom 24. April 1975 VI R 210/74, BFHE 115, 423, BStBl II 1975, 672). Dies gilt vorliegend für die Einlegung der Beschwerden gegen die Beschlüsse des FG vom 14. Dezember 1995 (§ 129 Abs. 1 FGO). Der Antrag auf Bewilligung von PKH für die Rechtsmittel ist demgegenüber beim Bundesfinanzhof (BFH) zu stellen (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Dabei ist es unschädlich, wenn er beim FG angebracht wird (BFH-Beschluß vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10 unter 3. a).

b) Der Vertretungszwang gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) besteht für PKH-Anträge nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, m. w. N.).

2. Die Anträge auf PKH sind unbegründet.

Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten erbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht; eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluß vom 23. Januar 1991 II S 15/90, BFHE 163, 123, BStBl II 1991, 366).

An der Erfolgsaussicht fehlt es allerdings nicht schon deshalb, weil die vom Antragsteller selbst eingelegten Beschwerden wegen Nichteinhaltung des Vertretungszwangs gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG unzulässig sind. Der mittellose Beteiligte wird in der Regel bis zur Entscheidung über seinen PKH-Antrag als jemand angesehen, der ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert ist (vgl. BFH-Beschluß vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, m. w. N.). Sofern PKH bewilligt wird, müßte dem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92).

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt allerdings voraus, daß der Antragsteller beim Rechtsmittelgericht innerhalb der maßgeblichen Rechtsmittelfrist den Antrag auf Bewilligung der PKH stellt und die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO unter Beifügung der entsprechenden Belege vorlegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 10, m. w. N.).

Der Senat läßt offen, ob dem vorgenannten Erfordernis dadurch genügt ist, daß sich bei den dem BFH vorliegenden Akten entsprechende Erklärungen des Antragstellers vom 18. Dezember 1995 bzw. 13. Januar 1996 befinden. Die Anträge auf Gewährung von PKH sind jedenfalls deshalb abzulehnen, weil für die Beschwerden gegen die Beschlüsse des FG vom 14. Dezember 1995 kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Wie bereits unter 1. a) ausgeführt, wirkt die Anordnung des FG nach § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO nur für dessen Instanz. Diese ist aber mit der Einlegung der Rechtsmittel gegen die Urteile des FG abgeschlossen. Da der Antragsteller durch die Wiederherstellung seiner Postulationsfähigkeit nicht die besondere Postulationsfähigkeit des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erlangen könnte, bedarf es auch unter diesem Gesichtspunkt keiner Überprüfung der angefochtenen Beschlüsse des FG.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskosten gesetzes).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421416

BFH/NV 1996, 786

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