Rz. 31

Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Anwendung der zuvor stehenden Grundsätze ist die Feststellung der Veranlassung im Einzelfall. Anzuwenden sind die allgemeinen Ermittlungsgrundsätze der AO, d. h. gem. § 88 AO hat die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Gem. §§ 90, 93 AO trifft den Stpfl. die Mitwirkungspflicht, den Sachverhalt umfassend und zutreffend vorzutragen. Dabei sind die Gründe des Steuerpflichtigen, die das "auslösende Moment" bilden, anhand aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Im Klageverfahren obliegt dem FG diese Feststellung. Lässt sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob Aufwendungen betrieblich veranlasst sind, geht dies nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Stpfl., die Aufwendungen sind nicht abziehbar. Eine Schätzung dem Grunde nach, ob Aufwendungen betrieblich veranlasst sind, ist unzulässig.[1] Steht fest, dass betrieblich veranlasste Aufwendungen dem Grunde nach vorliegen und dass ggf. eine Trennung von den privaten Aufwendungen möglich ist, ist der betriebliche Anteil zu ermitteln. Liegen hierfür keine geeigneten tatsächlichen Grundlagen vor, ist gem. § 162 AO zu schätzen. Kommt der Stpfl. der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht im gebotenen Umfang nach, können die steuermindernden Schätzungen an der untersten Grenze bleiben. Der Stpfl., der steuermindernde Aufwendungen geltend macht, ist somit gehalten, Aufzeichnungen zu führen, wie Fahrtenbücher, Bordbücher, Strichlisten o. Ä., um eine mögliche Beweislastentscheidung zu seinen Ungunsten zu vermeiden.

 

Rz. 32

Die Rspr. des BFH geht bei der Feststellung der Veranlassung von der typisierenden Betrachtungsweise aus. Dazu werden die Aufwendungen in bestimmte Fallgruppen eingeteilt und entweder der betrieblichen oder privaten Sphäre zugerechnet. Bei der Anschaffung eines WG entscheidet dabei weniger sein objektiver Charakter, sondern die tatsächliche Verwendung im Einzelfall, die ermittelt werden muss. Die konkreten Tatsachen müssen anhand der zulässigen Beweismittel festgestellt werden. Der bloße Vortrag des Stpfl., das WG ausschließlich betrieblich zu nutzen, reicht nicht aus.[2] Insbesondere bei Geräten der Unterhaltungselektronik bestehe typischerweise der Erfahrungssatz, dass sie regelmäßig auch im privaten Interesse angeschafft werden. Für die Entkräftung dieses Erfahrungssatzes reiche es nicht aus, dass den Versicherungen des Stpfl. Glauben geschenkt werde, vielmehr müsse die nahezu ausschließliche betriebliche Nutzung im Einzelnen dargelegt und nachgewiesen werden.[3] Im Ergebnis stellt der BFH damit widerlegbare Vermutungen auf. Je typischer ein Aufwand zur Lebensführung gehört, desto strenger sind die Anforderungen an den Gegenbeweis zustellen. Unzweckmäßigkeiten, Unangemessenheit, Ungeeignetheit usw. können danach Anzeichen sein, dass die Aufwendungen privat veranlasst sind. Der BFH sieht die Abgrenzungskriterien als geklärt an, sodass eine Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig unbegründet sein dürfte. Andererseits kann eine betriebliche (berufliche) Veranlassung bei der Nutzung eines Wirtschaftsgutes angenommen werden, wenn es sich um ein Wirtschaftsgut handelt, das nach seiner Art nur der betrieblichen Tätigkeit des Stpfl. zu dienen geeignet ist.[4]

Bei der Aufnahme von Darlehen hängt das Schicksal der Zinsen von der tatsächlichen Verwendung des Darlehens ab.[5] Dies gilt entsprechend für Gewinnanteile des stillen Gesellschafters, sodass die gezahlten Gewinnanteile insoweit nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind, als der Geschäftsinhaber die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters zu privaten Zwecken verwendet hat.[6]

Zur betrieblichen Veranlassung von Schadenersatzleistungen vgl. das BFH-Urteil vom 6.3.2003.[7]

 

Rz. 33

Zum Begriff des Drittaufwandes vgl. den Beitrag "Abschreibungen, AfA und Wertminderungen".

[1] BFH, Beschluss v. 21.9.2009, GrS 1/06, BFH/NV 2010 S. 285; BFH,Urteil v. 21.4.2010, VI R 5/07, BFH/NV 2010 S. 1349; BMF, Schreiben v. 6.7.2010, IV C 3 – S 2227/07/10003, BStBl 2010 I S. 614, Tz 3f.; Heinicke, in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 4 Rz. 480; Drüen, in Brandis/Heuermann, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, § 4 Rz. 561ff., Stand 11/2020.
[2] BFH, Urteil v. 26.7.1989, X R 7/87, BFH/NV 1990 S. 441 betr. Videorecorder einer Wahrsagerin; der BFH hat die griffweise Schätzung durch das FG verworfen; ebenso BFH, Urteil v. 27.9.1991, VI R 11/90, BStBl 1992 II S. 195; BFH, Urteil v. 21.7.1994, VI R 16/94, BFH/NV 1995 S. 216 betr. Videorecorder eines Lehrers; BFH, Urteil v. 18.2.1977, VI R 182/75, BStBl II 1977 S. 464 betr. Schreibtisch; BFH, Urteil v. 20.7.2005, VI R 50/03, BFH/NV 2005 S. 2185; BFH, Urteil v. 19.2.2004, VI R 135/01, BFH/NV 2004 S. 872 betr. PC im häuslichen Arbeitszimmer; BFH, Urteil v. 10.1.2012, VI B 80/11, BFH/NV 2012 S. 782; vgl. auch BFH, Beschluss v. 19.10.1970, GrS 2/70, BStBl II 1971 S. 71; Loschelder, in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 4 Rz. 31.

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