Leitsatz

Für die Abgrenzung zwischen arbeitsvertraglichen Erfüllungsleistungen und Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist der im Aufhebungsvertrag vereinbarte Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG , § 34 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger (K) war seit 1978 Chefarzt eines Krankenhauses. Nach dem Dienstvertrag stand ihm ein Gehalt sowie ein Liquidationsrecht bei stationären Patienten zu; außerdem durfte er im Krankenhaus eine ambulante Nebentätigkeit ausüben. Am 20.1.1992 vereinbarte K mit seinem Arbeitgeber auf dessen Veranlassung die Aufhebung des Dienstvertrags zum 31.3.1993. K wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt und erhielt folgende Zahlungen:

  • von Januar 1992 bis 31.3.1993 monatlich 18.666 DM Bruttogehalt, wobei die private Liquidation unterbleiben sollte;
  • ab April 1993 bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres 1.000 DM monatlich zur Verwendung für die Altersversorgung;
  • 600.000 DM Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

Nachdem das FA bei einer Außenprüfung festgestellt hatte, dass die Gehaltszahlungen für Januar 1992 bis März 1993 wesentlich höher waren als das monatliche Gehalt der Vorjahre, sah es die Mehrzahlungen als Entschädigungen an. Da diese sich auf zwei Jahre verteilten, versagte es die ermäßigte Besteuerung der Abfindungszahlung. Das FG gab der Klage statt (EFG 2002, 1452).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Die einheitlich zu beurteilende Entschädigung umfasse die Abfindung und die monatlichen Zahlungen für die Altersversorgung. Letztere seien als Entschädigungszusatzleistungen unschädlich für die ermäßigte Besteuerung der Abfindung. Bei dem monatlichen Bruttogehalt handle es sich nicht um Entschädigungsleistungen, sondern um die – nach einer Vertragsmodifikation – geschuldete Vergütung durch den Arbeitgeber.

 

Hinweis

1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses des ehemaligen Chefarztes (K) erst mehr als ein Jahr nach der Aufhebungsvereinbarung eintreten sollte, der Arzt aber mit sofortiger Wirkung von seiner Arbeit freigestellt wurde. In solchen Fällen stellt sich regelmäßig die Frage, welcher Teil der vereinbarten Zahlungen bürgerlich-rechtlich noch Erfüllungsleistung aus dem Arbeitsverhältnis ist und welcher Teil an die Stelle weggefallener Einnahmen treten soll – also als Ersatzleistung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen ist.

Der BFH hat dazu in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es Arbeitgeber und Arbeitnehmer – bis an die Grenze des Gestaltungsmissbrauchs – in der Hand haben, durch vertragliche Vereinbarung zu bestimmen, in welchem Umfang nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreie Abfindungen an die Stelle von Lohnansprüchen treten sollen (zuletzt BFH, Urteil vom 27.4.1994, XI R 41/93, BStBl II 1994, 653). Maßgebendes Abgrenzungskriterium dafür ist der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

2. Hier ist am 20.1.1992 vereinbart worden, das Arbeitsverhältnis – unter Beachtung der Kündigungsfristen – erst zum 31.3.1993 zu beenden. Für die Restlaufzeit ist insoweit modifiziert worden, als K mit sofortiger Wirkung von seiner Arbeit freigestellt wurde und nicht weiter privat liquidieren durfte. Da sein Anspruch auf eine angemessene Chefarzt-Vergütung aber unberührt blieb, wurde das bisherige Liquidationsrecht durch ein höheres Bruttogehalt ausgeglichen. Die Mehrzahlungen waren somit Teil der geschuldeten Vergütung durch den Arbeitgeber – also Erfüllungsleistungen.

Die Beteiligten hätten ebenso gut vereinbaren können, die wegfallenden Einnahmen aus der Privatliquidierung als weitere Summe der Abfindung zuzurechnen. In diesem Fall hätte es sich um Ersatz für entgehende Einnahmen gehandelt, und der entsprechende Betrag wäre Teil der einheitlich zu beurteilenden Entschädigung geworden.

3. Die Zahlungen des Arbeitgebers von monatlich 1.000 DM zur Verwendung für die Altersversorgung des K sind sog. Entschädigungszusatzleistungen, die aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit gezahlt wurden. Dass ihre Zahlung sich über zwei Veranlagungszeiträume erstreckt, beeinträchtigt die Steuerbegünstigung der Hauptentschädigung (Abfindung) nicht (vgl. BFH, Urteil vom 14.8.2001, XI R 22/00, BFH-PR 2002, 121). Diese Entschädigungszusatzleistungen sind allerdings selbst nicht steuerbegünstigt (vgl. BFH, Urteil vom 6.3.2002, XI R 16/01, BFH-PR 2002, 442).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.10.2003, XI R 17/02

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