Leitsatz

Die Nutzung eines betrieblichen Kfz zur Erzielung von Überschusseinkünften ist durch die Bewertung der privaten Nutzung nach der 1%-Regelung nicht mit abgegolten. Sie ist vielmehr mit den auf sie entfallenden tatsächlichen Selbstkosten als Entnahme zu erfassen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war im Streitjahr 1999 als Prokurist nichtselbstständig tätig. Überdies betrieb er eine Gaststätte. Den zum Betriebsvermögen seiner Gaststätte gehörenden Pkw nutzte er auch für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Prokurist. Die Fahrten mit dem Pkw zur Arbeitsstätte zog er mit den km-Pauschbeträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG i.H.v. 2.904 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ab. Er ging davon aus, dass durch die Anwendung der 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sämtliche Nutzungsentnahmen des Pkw – auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – abgegolten seien.

Dagegen setzte das FA im angefochtenen ESt-Bescheid als Nutzungsentnahmen neben dem sich nach der 1%-Regelung ergebenden Betrag von 4.731 DM einen weiteren, auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Betrag von 5.620 DM an. Den letztgenannten Betrag berechnete das FA durch Aufteilung der tatsächlich durch den Pkw verursachten Kosten im Verhältnis der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Gesamtfahrleistung des Pkw.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (EFG 2006, 403). Die Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH hob die FG-Entscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Mit der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG statuierten 1%-Regelung habe der Gesetzgeber nur den typischen Fall ins Auge gefasst, dass ein Steuerpflichtiger nur einen einzigen Betrieb unterhalte, ohne darüber hinaus nennenswerte einkommensteuerrechtlich relevante und unter Einsatz des betrieblichen Pkw ausgeübte Betätigungen zu entfalten.

Die für den hier vorliegenden – atypischen – Fall bestehende, vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedachte Regelungslücke sei in sachgerechter Auslegung dahingehend zu schließen, dass mit der Entnahmebewertung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nur solche Pkw-Nutzungen erfasst und abgegolten würden, die dem einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Bereich der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzuordnen seien. Für die Nutzung zu anderen betriebsfremden Zwecken bleibe es dagegen bei dem von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsansatz der tatsächlichen Selbstkosten. Die sich daraus ergebenden Entnahmewerte müssten ggf. auch nebeneinander angesetzt werden.

 

Hinweis

1. Nach ständiger Rechtsprechung und h.L. regelt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG lediglich die Bewertung der Sachentnahmen, trifft also für die Bewertung der Nutzungsentnahmen keine Aussage (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 23.1.2001, VIII R 48/98, BFH-PR 2001, 176). Die insoweit bestehende Gesetzeslücke ist in der Weise zu schließen, dass der durch die Nutzungsentnahme verursachte Aufwand (= tatsächliche Selbstkosten) als Entnahmewert angesetzt wird.

2. Für die Verwendung eines betrieblichen Kfz zu bestimmten außerbetrieblichen Fahrten gilt seit der Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das JStG 1996 eine spezial-gesetzliche Regelung, die von diesen Grundsätzen abweicht (sog. 1%-Methode). Die abgeltende Wirkung dieser 1%-Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Kfz-Nutzung zu Zwecken, die dem nach § 12 Nr. 1 EStG unbeachtlichen Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Nutzungsentnahmen, die – wie im Streitfall – im Zusammenhang mit der Verwendung des Kfz zur Erzielung anderweitiger Einkünfte stehen, sind durch die 1%-Regelung hingegen nicht abgegolten.

3. Nach diesen Maßstäben ist der Fall, dass der Steuerpflichtige zwei (Gewerbe-)Betriebe unterhält und seinen zum Betriebsvermögen des ersten Betriebs gehörenden Pkw in beiden Betrieben sowie außerdem für rein private Zwecke nutzt, wie folgt zu lösen:

Im Gewerbebetrieb 1 ist zusätzlich zu der die rein private Nutzung abgeltenden, nach der 1%-Regelung zu bemessenden Entnahme eine weitere Entnahme für die Nutzung des Fahrzeugs im Betrieb 2 i.H. der anteiligen Selbstkosten zu berücksichtigen. I.H. des letztgenannten Betrags ist im Betrieb 2 eine sog. Aufwandseinlage anzusetzen.

In sinngemäßer Anwendung dieser Grundsätze ist auch im Streitfall vorzugehen, nur mit dem Unterschied, dass der Kläger statt einer hier nicht in Betracht kommenden Aufwandseinlage die km-Pauschbeträge nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten abziehen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.4.2006, X R 35/05

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