Tz. 41

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Da das Ziel eines IFRS-Abschlusses darin besteht, entscheidungsnützliche Informationen zu vermitteln, sind bestimmte qualitative Anforderungen (qualitative characteristics) an die Rechnungslegungsinformationen zu stellen. Die qualitativen Anforderungen werden zum einen durch die (primären) Fundamentalgrundsätze der Relevanz und der glaubwürdigen Darstellung und zum anderen durch die (sekundären) Erweiterungsgrundsätze der Vergleichbarkeit, der Nachprüfbarkeit, der Zeitnähe und der Verständlichkeit konkretisiert. Während die gleichrangigen Fundamentalgrundsätze die Eigenschaften entscheidungsnützlicher Informationen definieren (CF.2.5–2.22), dienen die Erweiterungsgrundsätze dazu, den Grad der Entscheidungsnützlichkeit näher zu bestimmen. Die Erweiterungsgrundsätze haben somit gewissermaßen einen qualitätsfördernden Charakter (CF.2.23–2.38).

1. Fundamentalgrundsätze

a. Relevanz

 

Tz. 42

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Ein IFRS-Abschluss hat nach dem Grundsatz der Relevanz nur entscheidungsrelevante Informationen zu enthalten. Informationen müssen relevant sein, um nützlich zu sein. Gemäß CF.2.7 gelten Informationen dann als relevant, wenn sie Vorhersagekraft und/oder Bestätigungskraft haben. Vorhersagekraft ist nach CF.2.8 immer dann gegeben, wenn sich eine Information als Input bei der Vorhersage künftiger Ergebnisse durch die Adressaten eignet (vgl. mwN Baetge/Kirsch/Thiele, 14. Aufl., S. 147). Bestätigungskraft liegt vor, wenn eine Information eine in der Vergangenheit getroffene Entscheidung bestätigt oder verändert (CF.2.9). Diese Beschreibung von Relevanz ist geprägt durch einen hohen Abstraktionsgrad (vgl. Schöllhorn/Müller, DStR 2004, S. 1625). Im Conceptual Framework wird die Relevanz deshalb durch den Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality) konkretisiert (vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, 10. Aufl., S. 106f.). Informationen sind wesentlich, wenn ihr Fehlen oder ihre fehlerhafte Darstellung die ökonomischen Entscheidungen der Jahresabschlussleser beeinflussen können. Der Wesentlichkeitsgrundsatz ist Bestandteil der qualitativen Anforderung nach Relevanz (relevance) von Jahresabschlussinformationen: Eine Information muss, um für den Bilanzleser relevant zu sein, auch wesentlich sein (CF.2.11).

 

Tz. 43

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Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist rechtsdogmatisch ein unbestimmter Rechtsbegriff. Gleichwohl ordnet der IASB diesem Begriff ein ganz bestimmtes inhaltliches Verständnis zu, sodass der IASB in Fällen, in denen von dem Wesentlichkeitsverständnis abweichende Größenordnungen gemeint sind, andere Begriffe verwendet, zB significant influence (IAS 28.2).

 

Tz. 44

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Der Grundsatz der Wesentlichkeit regelt die Frage, ob Informationen im IFRS-Abschluss gesondert auszuweisen oder anzugeben sind (IAS 1.29) und wieweit einzelfallorientierte "Fehlbewertungen" vom Bilanzersteller oder dem Abschlussprüfer toleriert werden können. Gegenstand ist nicht, ob und in welchem Umfang Geschäftsvorfälle als unwesentlich wegzulassen oder nicht zu buchen sind. Dies würde vielmehr die Ordnungsmäßigkeit der Buchhaltung in Frage stellen. Der Grundsatz der Wesentlichkeit regelt also Art und Umfang der Berichterstattung und ist gleichsam eine Toleranzgrenze für Bilanzierungs- und Bewertungsfehler.

 

Tz. 45

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Anders als nach angloamerikanischem Verständnis (vgl. FASB, SFAC Nr. 2, Tz. 125) oder in der deutschen Kommentarliteratur (vgl. Oser/Holzwarth, in: HdR, 5. Aufl., §§ 284–288 HGB, Tz. 7–13; ADS, 6. Aufl., § 252 HGB, Tz. 127f.) ist der Grundsatz der Wesentlichkeit im IFRS-Abschluss primär quantitativ auszulegen (CF.2.11). Hier richtet sich die Wesentlichkeit von Informationen nach der absoluten oder relativen Größe eines jahresabschlussrelevanten Sachverhalts. Gleichwohl können Informationen auch, unabhängig von ihrer quantitativen Bedeutung für den Abschluss, aufgrund ihrer Art für Adressaten relevant sein (qualitative Komponente). Dies trifft zB auf Informationen über die Eröffnung eines neuen Segments zu, dessen Ergebnisse in der Berichtsperiode (noch) unwesentlich ist (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 14. Aufl., S. 147f.).

 

Tz. 46

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Obwohl der Grundsatz der Wesentlichkeit vorrangig im quantitativen Sinne zu verstehen ist, werden weder im Conceptual Framework noch in den IFRS Bezugsgrößen für eine betragsmäßige Konkretisierung des Grundsatzes der Wesentlichkeit angegeben. In CF.2.11 heißt es:

"Consequently, the Board cannot specify a uniform quantitative threshold for materiality or predetermine what could be material in a particular situation." Zu beachten ist, dass die Wesentlichkeitsgrenzen nicht allgemeingültig bestimmbar, sondern unternehmensspezifisch festzulegen sind (CF.2.11). Im Schrifttum haben sich verschiedene Ansätze zur Konkretisierung der Wesentlichkeit herausgebildet (vgl. Toebe/Lorson, WPg 2012, S. 1200–1206; Kieso/Weygandt/Warfield, 13. Aufl., S. 49f.).

 

Tz. 47

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Im Rahmen der Angabeninitiative (disclosure initiative) ha...

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