1. Prüfungsansatz

 

Tz. 69

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Die Aufgabe der DPR ist im Kern die gleiche wie die eines Abschlussprüfers, nämlich zu einem Urteil über einen Abschluss zu kommen. Der uneingeschränkte Bestätigungsvermerk eines Abschlussprüfers gem. § 322 Abs. 3 HGB stellt hierbei ein Positivurteil dar. Dies setzt seitens des Abschlussprüfers einen so umfangreichen Prüfungsumfang voraus, dass er sein Urteil mit hinreichender Sicherheit treffen kann.

 

Tz. 70

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Bei einer durch die DPR initiierten Anlassprüfung oder bei einer durch die BaFin veranlassten Verlangensprüfung beschränkt sich die Prüfung meist ausschließlich auf den konkreten Anlass, der die Prüfung auslöste, und auch bei Stichprobenprüfungen beschränkt sich die DPR – entsprechend der Intention des Gesetzgebers (vgl. Begr.RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3421, S. 14) – auf wenige Prüffelder (zu den einzelnen Prüfungsanlässen vgl. Tz. 83ff.). Entsprechend ist nach Beendigung einer Prüfung und fehlerfreier Rechnungslegung in der Mitteilung an die Unternehmen auch der Hinweis enthalten, dass nur in selektivem Umfang geprüft wurde und nur insoweit keine fehlerhafte Rechnungslegung vorliegt.

 

Tz. 71

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Der wesentliche Unterschied liegt also im Umfang der Prüfung. Soweit jedoch ein einzelner Geschäftsvorfall untersucht wird, entsprechen sich die Aufgaben und meist auch die Vorgehensweise, zu einer Beurteilung zu kommen.

2. Wesentlichkeit

 

Tz. 72

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Die für die Beurteilung von Abschlüssen schwierigste Frage liegt darin, festzustellen, ab wann ein Verstoß gegen eine Rechnungslegungsnorm als wesentlich einzustufen ist. Grundsätzlich entspricht der Beurteilungsmaßstab der DPR bei der Feststellung eines Fehlers dem des Abschlussprüfers bei der Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks, da beide Institutionen gleichermaßen das Vertrauen in die von den Unternehmen zu erstellenden Abschlüsse mit zugehörigen Lagebericht stärken sollen (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22.1.2009, WpÜG 1/08 und 3/08). Demnach finden sich in den berufsständischen Verlautbarungen IDW PS 250 nF (Wesentlichkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, IDW FN Nr. 1/2013) bzw. ISA 320 (Materiality in Planning and Performing an Audit) auch für das Enforcement-Verfahren Anhaltspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit eines Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften.

 

Tz. 73

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist Teil des materiellen Bilanzrechts und ist als solcher auf der Grundlage der jeweiligen Rechnungslegungsvorschriften und Zwecke zu beurteilen. Dies gilt gleichermaßen für HGB, IFRS oder US-GAAP. Bei HGB und US-GAAP ist der Wesentlichkeitsgrundsatz impliziter Teil der Rechnungslegungsgrundsätze. IAS 1.7 bzw. der Verweis auf IAS 1.7 in IAS 8.5 dagegen definiert den Begriff "wesentlich": "Informationen sind wesentlich, wenn unter normalen Umständen davon auszugehen ist, dass ihre unterlassene, falsche oder verschleierte Angabe die von den Hauptadressaten eines Abschlusses für allgemeine Zwecke, der Finanzinformationen zum berichtenden Unternehmen enthält, getroffenen Entscheidungen beeinflusst." Und nach IAS 8.41 steht ein Abschluss nicht im Einklang mit IFRS – ist also fehlerhaft –, wenn er entweder wesentliche Fehler oder aber absichtlich herbeigeführte unwesentliche Fehler enthält, um eine bestimmte Darstellung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage oder der Cashflows des Unternehmens zu erreichen.

 

Tz. 74a

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Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften können quantitativer wie qualitativer Natur sein. Quantitative Verstöße führen zu unrichtigen Darstellungen im Zahlenwerk eines Abschlusses und meist auch zu einem zu hohen oder zu niedrigen Jahresergebnis. Es kann sich aber auch um eine falsche Zuordnung im Abschluss oder in der Kapitalflussrechnung handeln. Qualitative Verstöße können ua. bestehen in falschen oder fehlenden Anhangangaben oder unvollständigen oder widersprüchlichen Aussagen im Lagebericht. Insbesondere hinsichtlich der quantitativen Verstöße ist in Wissenschaft und Praxis wiederholt versucht worden, die Wesentlichkeit durch Grenzwerte zu operationalisieren, zB > 5 % vom Jahresergebnis oder > 10 % des jeweiligen Bilanzpostens. Letztlich haben sich diese Versuche weder in der Praxis noch in der Rechtsprechung durchgesetzt. Es kommt daher stets auf den Einzelfall an. Allerdings können absolute oder relative Grenzwerte einen ersten Anhaltspunkt für eine fehlerhafte Rechnungslegung liefern. Als Kriterien für die Beurteilung eines Verstoßes kommen die Verhältnisse des Unternehmens (wie Branche, wirtschaftliche Lage, Liquidität) oder sachverhaltsbezogene Faktoren (wie Art des Geschäftsvorfalls, Transaktionen mit nahestehenden Personen) in Betracht. Die Wesentlichkeit kann sich auch aus der Bedeutung einer verletzten Rechtsnorm ergeben, was bspw. bei fehlenden Angaben zu Organbezügen der Fall sein könnte.

 

Tz. 74b

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Das OLG Frankfurt am Main hat seinerseits festgestellt (vg...

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