Tz. 165

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Das zweite vom IASB beschriebene Geschäftsmodell ist eines, das der IASB ursprünglich gar nicht vorgesehen hatte und das erst mit einer der Überarbeitungen nachträglich eingeführt wurde (vgl. IFRS 9.BC4.124ff. sowie ausführlich Berger/Struffert/Nagelschmitt, WPg 2013, S. 214ff.). Zwei Gründe waren ausschlaggebend dafür:

  • Unternehmen der Versicherungswirtschaft wiesen darauf hin, dass ihr Kapitalanlagengeschäft im Wesentlichen mit einer Halteabsicht zwecks Vereinnahmung vertraglicher Zahlungen gekennzeichnet sei, das IFRS 9.4.1.2 zufolge zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten sei. Demgegenüber sehe der IASB für seinen (damals noch in der Entwicklung befindlichen) Versicherungsstandard eine Bemessung versicherungstechnischer Rückstellungen zum Gegenwartswert vor, wobei Unternehmen ein Wahlrecht eingeräumt werde, die Wertänderungen entweder im Periodenergebnis oder im Sonstigen Gesamtergebnis zu erfassen, so dass sich in Kombination von Aktiv- und Passivseite eine Bilanzierungsanomalie ergebe (s. a. IFRS 9.BC4.148 und 155);
  • Vertreter der Kreditwirtschaft monierten, dass die zwei ursprünglich angedachten Geschäftsmodelle – Halten zwecks Vereinnahmung von Zahlungsströmen auf der einen und alles Übrige auf der anderen Seite – die Tätigkeiten vieler Banken unzureichend abbilden würden. Zwar sei das Kreditgeschäft mit der Halteabsicht zutreffend charakterisiert (Bankbuch), jedoch würden bei einer Subsumtion aller übrigen Tätigkeiten unter einem Residualgeschäftsmodell faktisch Handelsbuch und Liquiditätsreserve identisch abgebildet, obwohl ihnen weitgehend unterschiedliche Steuerungsphilosophien zugrunde lägen (s. a. IFRS 9.BC4.137f.).
 

Tz. 166

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Der IASB nahm die vorgebrachte Kritik auf, wollte auf der anderen Seite aber keine neue Residualkategorie nach dem Vorbild von "zur Veräußerung verfügbar" (available-for-sale) aus IAS 39 schaffen. Vielmehr ist das zweite Geschäftsmodell als eine Zwischenkategorie konzipiert, indem hierunter jene Finanzaktiva einzuordnen sind, bei denen sich die Leitungsebene sowohl für eine Vereinnahmung vertraglicher Zahlungsströme als auch für ein aktives Veräußern entschieden habe, jedoch ohne jegliche Priorisierung (die ansonsten eine Einstufung in eines der anderen beiden Geschäftsmodelle zur Folge hätte). Einem solchen Geschäftsmodell könnten vielfältige Zielsetzungen zugrunde liegen, von denen der IASB beispielhaft die tägliche Liquiditätssteuerung, die Aufrechterhaltung eines bestimmten Zinsrenditeprofils oder die Wahrung gleicher Durationen von Kapitalanlagen und der sie finanzierenden Finanzverbindlichkeiten nennt (vgl. IFRS 9.B4.1.4A iVm. B4.1.4C, Beispiele 6 und 7 sowie BC4.160). Die Abgrenzung zum ersten Geschäftsmodell sieht der IASB dergestalt, dass bei diesem Veräußerungen zwar vorkommen könnten, jedoch kein integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie seien. Ergo würden Unternehmen im hier beschriebenen Geschäftsmodell typischerweise häufiger und/oder wertmäßig mehr finanzielle Vermögenswerte veräußern und dies noch in vorausbestimmter Zielsetzung (vgl. IFRS 9.B4.1.4B).

Beispiel 19 – Abgrenzung von Geschäftsmodellen (1):

Sachverhalt: Ein Unternehmen erwartet in einigen Jahren eine größere Ausrüstungsinvestition und legt Überschussliquidität aus dem operativen Geschäft bis dahin in Schuldtiteln mit unterschiedlicher Laufzeit zwecks Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme an. Zwecks Erzielung einer höheren Rendite im Niedrigzinsumfeld legt das Unternehmen einen erheblichen Teil der Mittel dabei in Titeln an, deren Laufzeit den erwarteten Investitionszeitpunkt überschreitet. Auch schichtet das Unternehmen seine Finanzanlagen von Zeit zu Zeit um, wenn es durch eine Reinvestition eine höhere Rendite realisieren kann. Der zuständige Portfoliomanager wird erfolgsabhängig entsprechend der im Portefeuille realisierten Gesamtrendite entlohnt.

Beurteilung: Auch wenn das Unternehmen in schuldrechtliche Instrumente investiert, um die vertraglichen Zahlungen zu vereinnahmen, stehen zwei Aspekte im Vordergrund: die Renditemaximierung und der Umstand, dass im Zweifel alle Anlagen veräußert werden, sollte sich ein günstiger Zeitpunkt zur Vornahme der erwarteten Ausrüstungsinvestition ergeben. Damit liegt die Zielsetzung nicht mehr vorrangig in der Vereinnahmung von Zahlungsströmen, sondern in einer Kombination aus Vereinnahmung und Realisierung durch Verkauf (vgl. IFRS 9.B4.1.4C, Beispiel 5; vgl. auch Tz. 168).

Beispiel 20 – Abgrenzung von Geschäftsmodellen (2):

Sachverhalt: Wie im vorigen Sachverhalt erwartet ein Unternehmen in einigen Jahren eine größere Ausrüstungsinvestition, legt Überschussliquidität aus dem operativen Geschäft allerdings in Schuldtiteln mit kurzer mit mittlerer Laufzeit zwecks Vereinnahmung der vertraglichen Zahlungsströme an. Der mit Abstand größte Teil der angelegten Mittel wird dabei in schuldrechtliche Instrumente mit einer Laufzeit investiert, die vor dem erwarteten Investitionszeitpunkt liegt. Um...

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