Tz. 68

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Für den deutschen Rechtsraum wird bei Kapitalgesellschaften (wie AG oder GmbH) und Personenhandelsgesellschaften (wie OHG, KG oder BGB-Außengesellschaft/Außen-GbR, die mit funktional wesentlichem Vermögen ausgestattet sind) regelmäßig aufgrund der eigenen Rechtspersönlichkeit eine separate Einheit mit Gesellschafts- oder Gesamthandsvermögen vorliegen, sodass die Parteien zunächst keine Rechte an den Vermögenswerten und Pflichten für die Schulden der gemeinschaftlichen Vereinbarung haben. Die unbeschränkte Haftung der Parteien zB bei einer BGB-Gesellschaft oder einer OHG gem. § 128 BGB führt allerdings nicht automatisch zu einer Klassifizierung als gemeinschaftliche Tätigkeit kraft Rechtsform. Gem. IFRS 11.15 müssen die Parteien einer gemeinschaftlichen Tätigkeit nämlich sowohl unmittelbare Rechte als auch Pflichten an den Vermögenswerten bzw. für die Schulden haben. Liegt jedoch Gesamthandsvermögen vor, ist eine unmittelbare Beteiligung an den Vermögenswerten und Schulden nicht gegeben. Eine Klassifizierung als gemeinschaftliche Tätigkeit in der zuvor beschriebenen Konstellation kann daher nicht allein kraft Rechtsform, sondern lediglich durch vertragliche Abmachungen oder sonstige Tatsachen und Umstände begründet werden (dazu vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Komm., 17. Aufl., § 34, Tz. 26; Böckem/Ismar, WPg 2011, S. 824; aA vgl. Busch/Zwirner, IRZ 2012, S. 221, die bei einer OHG nicht von einem Gemeinschaftsunternehmen ausgehen, weil die Gesellschafter – im Gegensatz zu Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften – ihrer Ansicht nach unmittelbar an den Rechten und Pflichten beteiligt sind).

 

Tz. 69

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Weiterhin kann aus IFRS 11.B27 und IFRS 11.IE44ff. gefolgert werden, dass Garantien oder Bürgschaften für Gesellschaftsschulden nur in bestimmten Fällen Schulden der garantierenden Parteien sind (vgl. Fuchs/Stibi, BB 2011, S. 1454). Ein unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet nämlich subsidiär für die Schulden der Gesellschaft, weil Gläubiger auch unmittelbar ihre Forderungen ggü. den Gesellschaftern geltend machen können. Der Gesellschafter hat in diesen Fällen jedoch einen Erstattungsanspruch ggü. der Gesellschaft und den restlichen Gesellschaftern, sodass trotz einer Subsidiärhaftung letztlich ein Gemeinschaftsunternehmen vorliegen kann (hierzu vgl. Schild, 2018, S. 20). Daher stehen auch (wirtschaftlich vergleichbare) Garantien, die etwa der Gesellschafter einer GmbH für die Schulden der Gesellschaft gibt, einem Gemeinschaftsunternehmen nicht entgegen (vgl. Fuchs/Stibi, BB 2011, S. 1454). Generell ist IFRS 11, wie bereits dargelegt, hinsichtlich der Risikoallokation wirtschaftlich und nicht formalrechtlich auszulegen (vgl. Böckem/Ismar, WPg 2011, S. 825).

 

Tz. 70

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Die eigene Rechtspersönlichkeit bzw. die Rechtsform kann somit eine "Abschirmwirkung" (Fuchs/Stibi, BB 2011, S. 1454) für die Parteien der gemeinschaftlichen Vereinbarung haben und eine Trennung hinsichtlich der Rechte und Pflichten sowie der Vermögenssphäre zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bewirken (IFRS 11.B23). Ein Gemeinschaftsunternehmen tritt nach außen unter eigener Firma im Geschäftsverkehr auf, kann Verpflichtungen eingehen, Verträge im eigenen Namen schließen sowie für die Zwecke der gemeinschaftlichen Vereinbarung Finanzierungen vornehmen. Die Gemeinschaftsunternehmen erhalten ihre Vermögenswerte von den Parteien oder erwerben sie selbständig. Der Nutzen aus den Vermögenswerten fließt, anders als bei gemeinschaftlichen Tätigkeiten, dem Gemeinschaftsunternehmen zu und nicht unmittelbar den Parteien, da die gemeinschaftliche Vereinbarung der wirtschaftliche Eigentümer ist.

 

Tz. 71

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Die Abbildung des Gemeinschaftsunternehmens im Konzernabschluss der Partei lässt sich nicht durch die Wahl einer bestimmten Rechtsform umgehen. IFRS 11.BC43 macht deutlich, dass die Anteile der Partei in dessen Konzernabschluss nach der wirtschaftlichen Substanz der gemeinschaftlichen Vereinbarung zu bilanzieren sind und nicht, wie zuvor in IAS 31, nach Form und Struktur (vgl. Böckem/Röhricht, WPg 2014, S. 1032; Böckem/Ismar, WPg 2011, S. 822, die darauf hinweisen, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise besonders durch die Illustrative Examples zu IFRS 11 hervorgehoben wird).

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