Tz. 170

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Der Kapitalbetrag eines finanziellen Vermögenswerts wird als dessen beizulegender Zeitwert zum Zugangszeitpunkt definiert, der sich im Zeitablauf aber ändern kann (insbesondere durch Tilgungen; vgl. IFRS 9.4.1.3(a) iVm. B4.1.7B). Es mutet kurios an, dass der IASB an dieser Stelle auf den bewerteten Zugangsbetrag abstellt und nicht etwa den (unbewerteten) Nominalbetrag, der den Vertragsbedingungen zugrunde liegt und üblicherweise die juristische Basis für die Zinsberechnung bildet. Die dafür als Begründung herangezogene Sichtweise des Kreditgebers, der seine Investition mit den vertraglich vereinbarten Zahlungsrückflüssen vergleichen möchte (vgl. IFRS 9.BC4.182(a)), erscheint allenfalls beim Erwerb von Kapitalmarktprodukten nachvollziehbar; im Zusammenhang mit der Ausreichung von Krediten ist sie wenig überzeugend.

 

Tz. 171

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Die Definition des Zinses stellte sich in der Entwicklung von IFRS 9 als deutlicher herausfordernder dar, als der IASB dies zu Beginn erwartet hatte. Ausgehend vom Gedanken eines Entgelts für die Überlassung von Finanzmitteln auf Zeit hatte der Board in der ersten Fassung von IFRS 9 vom November 2009 geregelt, dass der Zins nichts anderes widerspiegeln solle als den Zeitwert des Geldes (time value of money) sowie einen Aufschlag für das dem jeweiligen Finanzinstrument übernommene Kreditrisiko. So abgegrenzt könnte man den Zins als laufzeit- und bonitätskongruentes Finanzierungsentgelt bezeichnen. In dieser engen Definition hätte sich aber vermutlich kaum eine gebräuchliche Zinsvereinbarung für den SPPI-Test qualifiziert, da im Zins üblicherweise noch andere Vergütungsbestandteile enthalten sind (selbst wenn diese ex post nicht mehr als einzelne Bausteine nachweisbar sind, wie das häufig bei der Vorkalkulation im Controlling der Fall ist). In diesem Zusammenhang sind insbesondere Entgelte für die Übernahme anderweitiger Risiken wie Liquiditätsrisiken, Verwaltungskostenzuschläge sowie die Gewinnmarge zu nennen. In der endgültigen Fassung von IFRS 9 wurde die Definition für den Zins um entsprechende Bestandteile erweitert (vgl. IFRS 9.4.1.3(b) iVm. B4.1.7A und BC4.182(b); s. a. Berger/Struffert/Nagelschmitt, WPg 2014, S. 1082). Ferner weist der IASB an derselben Stelle daraufhin, dass in Situationen wie dem gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld die Vertragsbedingungen für den Halter auch einen Negativzins vorsehen können, ohne dass dies im Widerspruch zu einer elementaren Kreditvereinbarung stehe.

 

Tz. 172

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Die Vertragsbestimmungen für den Zins dürfen keine Elemente aufweisen, mit denen ein einer Kreditbeziehung atypisches Risiko hinzugefügt wird (bspw. Zahlungen aufgrund veränderter Indexstände oder Aktien- oder Rohstoffpreise), weil diese nicht mit Einklang mit einer einfachen Geldleihevereinbarung stünden (vgl. IFRS 9.B4.1.7A). Auch sind Vertragsbedingungen für eine SPPI-Einstufung schädlich, die eine Hebelwirkung (leverage) vorsehen. Das bedeutet, dass Derivate und so gut wie alle strukturierten Finanzaktiva (für mögliche Ausnahmen vgl. Tz. 177) die Zinsbedingung nicht erfüllen und sich damit unter keinen Umständen als elementare Kreditvereinbarung klassifizieren (vgl. IFRS 9.B4.1.9). Darunter fallen bspw. Kreditvereinbarungen und Anleihen, bei denen die Zins- und Tilgungszahlungen in unterschiedlichen Währungen erfolgen (vgl. Deloitte LLP 2018, S. 94f.).

 

Tz. 173

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Besondere Aufmerksamkeit schenkt der IASB dem Konzept zum Zeitwert des Geldes. In einer idealtypischen Welt würde ein Kreditgeber den Preis für eine risikofreie Ausleihung an deren Laufzeit orientieren. Das bedeutet, dass der Zeitwert des Geldes lediglich eine kongruente Vergütung für die zeitliche Dauer der Geldüberlassung sein und keine anderweitigen Vergütungselemente wie Bonität oder Liquidität abdecken sollte (vgl. IFRS 9.B4.1.9A; eine Anbindung an einen Inflationsindex wäre hingegen grds. unproblematisch, vgl. IFRS 9.B4.1.13, Instrument A; kritisch dazu Struffert/Nagelschmitt, WPg 2012, S. 929; s. a. KPMG IFRS Limited 2016, Tz. 7A.4.260ff.). Das Prinzip der zeitlichen Kongruenz wird insbesondere bei variabel verzinslichen Kreditbeziehungen zuweilen verletzt. Der IASB nennt in den Anwendungsleitlinien als klassischen Fall den Umstand, dass Anpassungsfrequenz und Tenor des Zinses nicht übereinstimmen: So mögen die Vertragsparteien einer Kreditvereinbarung bspw. alle drei Monate eine Anpassung des Zinses vorsehen, wählen jedoch nicht den Dreimonatsrhythmus für den Referenzzins, sondern den 12-Monats-Zins (s. a. IFRS 9.B4.1.13, Instrument B). Auch ist denkbar, dass auf einen Durchschnittszins wie die jeweils aktuelle Umlaufrendite rekurriert wird (vgl. IFRS 9.B4.1.9B). In dieselbe Kategorie fielen auch sog. constant-maturity-Zinsvereinbarungen, wie sie in Osteuropa häufig anzutreffen sind: Bei derartigen Vertragsbedingungen erfolgt ebenfalls eine regelmäßige Zinsanpassung, der dabei zugrunde gelegte Verzinsungszeitraum wird aber – wie ...

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