Tz. 138

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

IFRS 13.42 bestimmt, dass der beizulegende Zeitwert einer Schuld das Risiko der Nicht-Erfüllung (non-performance risk) berücksichtigen muss. Damit wird die Gefahr bezeichnet, dass der Schuldner den Zahlungsverpflichtungen nicht bzw. nicht in vollem Umfang nachkommt. Im Rahmen der Fair-Value-Bewertung wird dabei unterstellt, dass sich das Risiko der Nicht-Erfüllung durch die Übertragung einer Schuld nicht ändert. Wenngleich diese Annahme in der Realität nur selten vollkommen zutreffen dürfte, da das übertragende bilanzierende Unternehmen in den seltensten Fällen die gleiche Bonitätsbeurteilung hat wie die empfangenden Marktteilnehmer, so ist sie dennoch aus modelltheoretischen Gründen zwingend erforderlich (IFRS 13.BC94; vgl. hierzu kritisch Weber/Lauer, KoR 2015, S. 85). So würde ua. der Gläubiger ohne eine Anpassung des künftig zu zahlenden Betrages ohnehin keinem Transfer der Schuld an einen bonitätsschwächeren Dritten zustimmen, während ein bonitätsstärkerer Marktteilnehmer die Verpflichtung nicht ohne einen Preisabschlag akzeptieren würde (IFRS 13.BC94 (a)). Abhängig von den Annahmen des bilanzierenden Unternehmens in Bezug auf die Bonität des empfangenden Marktteilnehmers könnten sich hieraus fundamental unterschiedliche Fair Values ergeben (IFRS 13.BC94 (b)). Daher ist die einheitliche Wertermittlung, die aus den Regelungen des IFRS 13 hervorgeht, aus Vereinfachungsgründen ­angemessen (vgl. Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 177). Zu diesem Ergebnis kam auch der FASB bei Behandlung derselben Thematik (IFRS 13.BC94).

 

Tz. 138a

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Sofern jedoch das in der Veräußerungsfiktion übertragende Unternehmen über eine besonders hohe Bonität verfügt und sich marginale Bonitätsunterschiede zwischen potenziellen Veräußerungsparteien bei beobachtbaren Transaktionen nicht im Kaufpreis niederschlagen, kann unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten auf eine Berücksichtigung des eigenen Ausfallrisikos in der Ermittlung des Fair Value verzichtet werden. Diese Bedingungen dürften im Regelfall bei bonitätsstarken Versicherern erfüllt sein, die zum Zwecke der Erstanwendung des neuen Versicherungsstandards IFRS 17 bei einer nicht durchführbaren vollständig retrospektiven Anwendung auf die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes zurückgreifen können. Insbesondere in stark regulierten Branchen, in denen die zuständige Aufsichtsbehörde mit allem Nachdruck auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen hinwirkt, erscheint eine Nicht-Berücksichtigung des eigenen Ausfallrisikos in diesen Fällen angemessen. Sollte indes die Einbeziehung des eigenen Ausfallrisikos die Bewertung nicht nur unwesentlich beeinflussen, ist dieses zwingend in die Wertfindung mit einzubeziehen.

 

Tz. 138b

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Das Risiko der Nicht-Erfüllung umfasst va. die eigenen Kreditrisiken des bilanzierenden Unternehmens (own credit risk), ist aber nicht darauf beschränkt. Unter dem Risiko der Nicht-Erfüllung kann bspw. auch das Abwicklungsrisiko (settlement risk) zu berücksichtigen sein. Weiterhin können im Zusammenhang mit einer nichtfinanziellen Schuld auch leistungsbezogene Risiken (zB Risiken in Bezug auf den Transfer einer physischen Komponente zum Lieferort) zu beachten sein (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 969). Demnach ist das Risiko der Nicht-Erfüllung bei der Bewertung von Schulden objektspezifisch zu interpretieren. Beispielhaft kann hier auch eine Wasserfallstruktur der begebenen Titel angeführt werden, aufgrund der das zu bewertende Instrument im Vergleich zu den weiteren begebenen Titeln ein geringeres Kreditrisiko aufweist (vgl. Deloitte, iGAAP 2018, S. 346). Das Kreditrisiko bezeichnet dabei die Gefahr eines Ausfalls sowie einer Verschlechterung der Bonität des Schuldners über die Vertragslaufzeit.

 

Tz. 139

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Wird der beizulegende Zeitwert einer Schuld ermittelt, so muss das bilanzierende Unternehmen alle Aspekte des Kreditrisikos und anderer Risikoarten beachten, die sich auf die Wahrscheinlichkeit der Nicht-Erfüllung auswirken (IFRS 13.43). Diese Effekte hängen von den spezifischen Konditionen der Schuld ab. So ist relevant, ob die Erfüllung der Schuld als Barausgleich vorgesehen ist (finanzielle Schuld) oder ob tatsächlich Güter geliefert bzw. Dienste geleistet werden müssen (nichtfinanzielle Schuld) (IFRS 13.43 (a)).

Darüber hinaus wirken sich ggf. bestehende zusätzliche Bonitätsverbesserungen (credit enhancements) auf die Höhe des Nicht-Erfüllungsrisikos aus (IFRS 13.43 (b)). Das Risiko der Nicht-Erfüllung kann bspw. beim Emittieren einer Anleihe gesenkt werden, indem eine dritte Partei für Zahlungsausfälle einsteht. Durch diese (Kredit-)Sicherheit steigt die Bonität des Schuldners (IFRS 13.BC97). Der IASB hält fest, dass der beizulegende Zeitwert einer Schuld das Risiko der Nicht-Erfüllung auf Basis deren unit of account widerspiegeln muss (vgl. Tz. 21). Demnach dürfen separat erfasste Bonitätsverbesserungen einer dritten...

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