Tz. 139

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Nach dem generellen Umstellungsgrundsatz in IFRS 1.7 hat ein IFRS-Erstanwender die (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vermögenswerten retrospektiv nach den jeweiligen IFRS-Vorschriften zu ermitteln. Eine rückwirkende Anwendung der IFRS etwa bei immateriellen Vermögenswerten oder Sachanlagen erfordert insbesondere eine Überprüfung der Nutzungsdauern und der Abschreibungsmethoden (vgl. IFRS 1.IG7). Soweit die bisher zu Grunde gelegten Abschreibungsmethoden oder Nutzungsdauern nicht den IFRS entsprechen, etwa weil sie ausschließlich im Hinblick auf steuerrechtliche Regelungen gewählt wurden und nicht eine vernünftige Einschätzung des Nutzenverlaufs der betriebsindividuellen Nutzungsdauer widerspiegeln, ist rückwirkend eine IFRS konforme Neueinschätzung vorzunehmen (vgl. Tz. 49f.). Die kumulierten Abschreibungen sind dann rückwirkend auf Basis der neuen Annahmen anzupassen und der sich ergebende Wert in die IFRS-Eröffnungsbilanz zu übernehmen.

 

Tz. 140

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Um den IFRS-Erstanwendern einen kosteneffizienten Übergang von vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen auf die IFRS zu ermöglichen, dürfen anstelle einer ggf. aufwändigen Rekonstruktion der (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Erleichterung gem. IFRS 1.D5 und D7 die folgenden Vermögenswerte mit ihrem beizulegenden Zeitwert oder neubewerteten Wert in der IFRS-Eröffnungsbilanz bewertet werden:

  • Sachanlagen (IAS 16),
  • als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien (IAS 40), sofern diese mit dem Anschaffungskostenmodell bewertet werden,
  • Nutzungsrechte (IFRS 16) und
  • immaterielle Vermögenswerte (IAS 38), soweit sie die Ansatzvoraussetzungen (inkl. verlässliche Ermittlung der ursprünglichen Anschaffungskosten) und die Voraussetzungen zur Anwendung der Neubewertungsmethode von IAS 38 (inkl. Vorhandensein eines aktiven Markts) erfüllen.
 

Tz. 141

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Für andere Vermögenswerte oder Schulden ist diese Erleichterung nicht anwendbar (IFRS 1.D7). Das Wahlrecht gilt im Übrigen auch für im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbene Vermögenswerte. Aufgrund der Begrenzung des Anwendungsbereichs bei immateriellen Vermögenswerten auf solche, bei denen – neben weiteren Voraussetzungen – ein aktiver Markt vorliegt, sind IFRS 1.D5ff. für immaterielle Vermögenswerte nur von sehr eingeschränkter praktischer Bedeutung (vgl. auch IAS 38.78).

 

Tz. 142

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Der nach IFRS 1.D5ff. angesetzte Wert stellt die (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach IFRS zum Bewertungszeitpunkt und die neue Ausgangsbasis für die Folgebewertung nach IFRS dar (deemed cost; IFRS 1.D5, IFRS 1.D7). Dieser Wert ersetzt auch zum Zeitpunkt, zu dem die Bewertung durchgeführt wurde, die historischen Anschaffungskosten (Brutto-AHK) im Anlagengitter. Als kumulierte Abschreibungen sind im Anlagengitter nur die ab dem Zeitpunkt der Vornahme der Bewertung angefallenen Abschreibungen zu erfassen (vgl. auch IFRS 1.IG9). Die Inanspruchnahme von IFRS 1.D5ff. hat keinen Einfluss auf die Rechnungslegungsmethode im Rahmen der Folgebewertung, dh., wenn ein Unternehmen eine Zeitwert-/Neubewertung nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen als Ersatz für (fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten übernimmt, kann bspw. bei Sachanlagen das Wahlrecht in IAS 16, im Rahmen der Folgebewertung das Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenmodell oder die Neubewertungsmethode anzuwenden, unabhängig davon ausgeübt werden.

 

Tz. 143

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

IFRS 1.D5–D8 lassen folgende Wertansätze als Ersatz für (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu:

  • den beizulegenden Zeitwert zum Übergangszeitpunkt (vgl. Tz. 145f.);
  • eine nach vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen vorgenommene Neubewertung, soweit diese bestimmte Voraussetzungen erfüllt (vgl. Tz. 147f.) oder
  • eine ereignisbezogene Zeitwertbewertung nach vorherigen Rechnungslegungsgrundätzen vor dem Übergangszeitpunkt (vgl. Tz. 149f.).

Daneben bestehen Sonderregelungen für

  • Vermögenswerte in der Öl- und Gasindustrie (vgl. Tz. 154ff.) und
  • preisregulierte Tätigkeiten (vgl. Tz. 156a).
 

Tz. 144

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Das Wahlrecht, einen Vermögenswert zum beizulegenden Zeitwert oder mit einem aus einer Neubewertung resultierenden Wert anzusetzen, darf für jeden Vermögenswert einzeln ausgeübt werden, zB bei einem bebauten Grundstück lediglich das Grundstück (IFRS 1.BC45). Im Unterschied bspw. zu IAS 16.36 ist es nicht erforderlich, etwa die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert einheitlich für eine ganze Klasse von Vermögenswerten, zB alle Grundstücke, vorzunehmen. Ein IFRS-Erstanwender kann dieses Wahlrecht selektiv im Sinne der von ihm verfolgten Bilanzpolitik ausüben und damit auch die zukünftige dadurch sich ergebende Ertragslage der Gesellschaft beeinflussen (zur Rechtfertigung dieses Wahlrechts vgl. IFRS 1.BC43).

 

Tz. 145

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Der beizulegende Zeitwert ist im IFRS 1 Anhang A – mit Referenz auf IFRS...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge