Üblicherweise werden kleine Firmen von Konzernen geschluckt. Bei der umgekehrten Entwicklung ist die Herausforderung viel größer. Bei der EEW wurde der Aufbau eigener Strukturen und Prozesse erfolgreich gemeistert. Eine wichtige Rolle spielten die neu etablierten „Business Partner“ aus dem Controlling.

Ausgangssituation

In der Ausgangssituation war die EEW Energy from Waste als Teil des E.ON-Konzerns in feste Konzernstrukturen eingebettet. Dadurch wurden viele Services wie beispielsweise IT, Treasury & Tax sowie Versicherungsmanagement von dem Mutterkonzern bereitgestellt. Die damalige EEW zeichnete dadurch eine schlanke, dezentrale und regionale Struktur aus. Die sich ändernden Herausforderungen des Marktes sowie der Einstieg eines Private-Equity-Investors verlangten von dem Unternehmen umfangreiche Veränderungen. Markus Hauck, Mitglied der Geschäftsführung und CFO von EEW Energy from Waste, zeigte die Transformation zu einer eigenständigen EEW auf.

Neudefinition des Target Operating Model

Das Ziel war der schnelle Aufbau einer eigenständigen EEW mit mittelständischen Strukturen, die flache Hierarchien sowie schnelle Entscheidungen ermöglichten. Das Zielbild wurde in zwei Phasen neu definiert (s. Abb.1 in der Bilderserie).

  1. Die erste Phase befasste sich damit, ein Target Operating Model zu entwickeln. Dabei wurden verschiedene Organisationsalternativen evaluiert und der mögliche Grad einer Zentralisierung herausgearbeitet.
  2. Im zweiten Schritt wurden mit dem neuen Operating Model Kostensenkungspotenziale identifiziert und gehoben und erste Ansätze von Shared Service Centern herausgearbeitet.

Erfolgsfaktoren:

  • Durch ein vorher durchgeführtes Benchmarking wurden dem Unternehmen Verbesserungspotenziale und Lücken in der Organisation aufgezeigt und dabei ein erster Überblick über die Prozesse, die nicht dem Ideal entsprachen, geliefert.
  • Klare Kommunikation: Mit Hilfe einer Kommunikationsagentur wurde ein konstanter Austausch neuer Informationen mit den Arbeitnehmervereinigungen und Betriebsräten gewährleistet. Ohne diesen Schritt hätte die Transformation deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen.
  • Eindeutigkeit und Konsequenz in der Umsetzung wurde durch einen sorgfältig ausgewählten und sehr pragmatischen Projektleiter erreicht.
  • Ein Muss war es, ein klares Ziel zu definieren, wie das Unternehmen in Zukunft aussehen soll.

Vorgehen

Jede Funktion wurde einzeln betrachtet und beurteilt. Für zentral organisierte Prozesse wurden Effizienz, Kostenreduktion und Steuerung aus einer Hand als die maßgeblichen Bestrebungen definiert. Die dezentral organisierten Prozesse wurden anhand der Kriterien „Notwendigkeit von lokalen Ansprechpartnern“, „Anlagegebundene Aktivitäten“ und „lokale Präsenz“ ausgestaltet. Als Folge wurden der Funktionsbereich „Finanzen“ (Buchhaltung, Treasury/Tax, IT) und Teile des Controlling in einem Shared Service Center in Helmstedt aufgestellt. Die Bereiche „Health, Safety, Environment & Quality“, „Vertrieb“ sowie „Personalwesen“ und „Materialwirtschaft“ wurden zentralisiert. Die „Produktion“, „Instandhaltung“ und „Kfm. Geschäftsführer“ agierten dagegen dezentral in der Fläche.

Business Partner-Konzept als zentrales Controllingelement der Transformation

Als wichtigen Aspekt der Transformation stellte Markus Hauck die zentrale Rolle der Business Partner heraus, die neu im Controlling implementiert wurden. Diese stellen die Verbindung zwischen den jeweiligen Anlagen sowie dem zentralen Controlling her und sind charakterisiert durch eine enge operative Verzahnung mit den Anlagen (s. Abb. 2 in der Bilderserie). Ein Business Partner ist verantwortlich für 2-3 Anlagen und stellt das „operative Rückgrat“ im Unternehmen dar. Damit die Business Partner den vielseitigen Herausforderungen ihres Aufgabenfeldes gewachsen sind, werden diese sehr gut und häufig weitergebildet. CFO Hauck hat bisher ausschließlich sehr gute Erfahrungen mit dem Business Partner Konzept gemacht und empfiehlt dieses Konzept uneingeschränkt weiter.

Weitere Erfolgsfaktoren

Bei der Transformation zu einem mittelständischen Unternehmen waren vier Erfolgsfaktoren entscheidend: IT-Unterstützung, Service Level, Interne Regularien und Formalismen.

Bei der Wahl des IT-Anbieters (Hardware, Software) ist es der EEW gelungen, den neuen eigenen Anspruch an Effektivitäts- und Effizienzstreben auch an ihren IT-Anbieter weiterzugeben, d. h. an einen mittelständischen Anbieter mit schnellen Entscheidungsstrukturen. Durch die Auslagerung der IT hat die EEW nicht nur erhebliche Kosteneinsparungen realisieren können, sondern auch einen deutlich höheren Service Level. Die Service Level Agreements wurden ebenfalls überarbeitet und darauf ausgerichtet, fokussiert nur wenige steuerungsrelevante Inhalte zu regeln.

Bei der Überarbeitung des Organisationshandbuches wurden ca. 50-60 % der Inhalte entweder entfernt oder neu geschrieben. Die EEW erhöhte mit dem neuen schlankeren Regelwerk die Entscheidungsgeschwindigkeit und verringerte Formalismen bei der Prozessdurchführung. Dies sorgt bis heute für effizientere Abläufe bei gleichzeitiger Einhaltung von Governance und Compliance.

Markus Hauck betonte die Wichtigkeit des Projektleiters und bezeichnete ihn als „Schlüssel zum Erfolg“. Er sollte lange im Unternehmen gewesen sein und dieses im Detail kennen sowie sachlich und neutral der Transformation gegenüber eingestellt sein.

Als Teil der Transformation nennt er auch die konsequente Trennung von Mitarbeitern, die den neuen Weg nicht mitgehen wollten. Diese haben eine Abfindung erhalten oder sind in den vorzeitigen Ruhestand gegangen. Dabei war es wichtig, dass keine Trennung in einem Rechtsstreit endete und die Trennung immer im Sinne beider Parteien durchgeführt wurde.

Fazit: Die Transformation brachte signifikante Kosteneinsparungen in Millionenhöhe und erhöhte die Entscheidungsgeschwindigkeit deutlich.

Lessons Learned für Transformationsprogramme

Der Top-down Approach zur Reorganisation muss mit Prozessumstrukturierungen einhergehen. Außerdem sollten eher höhere Rückstellungen gebildet werden, weil mit unvorhersehbaren Ereignissen gerechnet werden muss, für die dann finanzielle Reserven vorhanden sein sollten. Im Projekt ist transparent für alle Beteiligten vorzugehen und sehr umfangreich zu kommunizieren. Dennoch sollte man darauf vorbereitetet sein, dass nicht alle Mitarbeiter den Transformationsweg mitgehen.

Das Unternehmen

Die EEW-Unternehmensgruppe ist spezialisiert auf die Abfallverwertung- und Beseitigung und betreibt den derzeit größten Anlagenpark Deutschlands. Sie besitzt eine 25-jährige Expertise und beschäftigt 1.300 Mitarbeiter an 19 verschiedenen Standorten in Deutschland und im benachbarten Ausland. 2014  erwirtschaftete sie einen Umsatz von 550 Mio. EUR und hat eine Bilanzsumme von ca. 1,7 Mrd. EUR. Im Jahr 2014 hat die EEW-Unternehmensgruppe ca. 2 GWh Strom, 1,8 GWh Dampf und 1,2 GWh Wärme produziert.

Hier geht's zur Bilderserie "Transformation der Finance-Organisation bei der EEW"

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