Der stationäre Einzelhandel ist besonders von der digitalen Transformation betroffen. Dieser Herausforderung will die Schuhhändler-Genossenschaft ANWR Group mit einer neuen Strategie und einer kundenorientierten Team- und Netzwerkorganisation begegnen. CFO Frank Schuffelen stellt 3 Objekte in den Fokus von Unternehmenssteuerung und Strategieumsetzung.

Teamorganisation als dynamische Antwort auf massiven Druck aus dem Markt

„Der Einzelhandel steht unter Druck“, fasste Frank Schuffelen, Vorstand Finanzen/CFO der ANWR GROUP eG, die Situation zusammen. Damit die Mitglieder der Genossenschaft ANWR GROUP trotzdem erfolgreich arbeiten können, muss die Gruppe diesen die richtigen Leistungen anbieten. Von Markt kommend analysierte die Gruppe ihre Strategie und leitete daraus Prinzipien für die Zusammenarbeit und eine Organisationsstruktur ab, um den schnelleren Ansprüchen gerecht werden und im Wettbewerb bestehen zu können. Die Strategie der ANWR Gruppe lautet: Kundenorientierter, einfacher, schneller, besser. Für ihre Umzusetzung wurden sechs Prinzipien zur Zusammenarbeit aufgestellt und die Teamorganisation als neue Form der Zusammenarbeit gewählt:

  1. Teams statt Pyramide
  2. Selbstorganisiert statt fremdgesteuert
  3. Integrativ statt Top-down
  4. Rollen statt Titel
  5. Konsultation statt Konsens
  6. Dynamik statt Statik

Die Form der Teamorganisation wurde deswegen gewählt, da eine Genossenschaft laut Schuffelen „von der DNA darauf angelegt ist, etwas gemeinsam zu tun. Es ist eine Organisation von Gleichgesinnten, die gemeinsame Ziele erreichen wollen.“ Das Prinzip „Teams statt Pyramide“ unterstreicht, wie die Genossenschaft arbeitet: Von außen, also den Kunden und Mitgliedern nach innen zum Mitarbeiter. Selbstorganisation bedeutet für ANWR, dass Teams nach gesetzten Rahmenbedingungen Entscheidungen selbst treffen können. Integrativ bedeutet, dass Feedback offen gelebt wird. Dies erleichtert auch das Prinzip der Konsultation, des Ratholens bei bzw. Ratgebens von anderen, kompetenten Bereichen: Wo vorher Entscheidungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner getroffen wurden, sind nun offenes Feedback und eine Diskussion möglich. Die Entscheidung liegt dann aber beim zuständigen Team. 

Die Organisation muss am Kunden ausgerichtet werden

Um die Teamorganisation umzusetzen wurde die Organisation vom Markt kommend nach innen in sogenannten Kreisen strukturiert in Markteinheiten, Wertschöpfungsplattformen, zentrale Unternehmensfunktionen sowie Strategie und Koordination (s. Abb. 2 in der Bilderserie).

  • Die Markteinheiten sind die Schnittstellen zu Mitgliedern, Händlern, Endkunden und Lieferanten. Sie bieten dem Markt Produkte und Leistungen an und stellen deren Erbringung sicher. Als Schnittstelle bringen sie auch neue Anforderungen und Wünsche von außen in die Organisation ein.
  • Wertschöpfungsplattformen agieren im Auftrag von mindestens zwei Markteinheiten und unterstützen diese bei ihrer Leistungserbringung, zum Beispiel durch Messearbeit oder Datenmanagement.
  • Zentrale Unternehmensfunktionen bündeln Managementfunktionen, die für die ordnungsmäßige Funktionsfähigkeit des Gesamtunternehmens notwendig sind, aber nicht den Marktdynamiken unterliegen, wie zum Beispiel das Gruppencontrolling oder die Personalabteilung der Gruppe.
  • Strategie und Koordination treiben die Weiterentwicklung und strategische Positionierung des Unternehmens voran.

Drei Objekte zur Steuerung und Strategieumsetzung

Am Beispiel eines Sportschuhs erläuterte Frank Schuffelen die 3 Objekte für das neue Steuerungsprinzip.

  1. Einzelgesellschaft
  2. Konzern
  3. Produkt

Eine Teamorganisation kann man nicht allein über die GuV der Einzelgesellschaften („Legal-Sicht“) steuern, sondern muss sowohl eine Teamsicht als auch eine Produktsicht ergänzen. Ergänzend zu den GuV der Gesellschaften verwendet die ANWR GROUP eine Konzernergebnisrechnung anhand von Deckungsbeiträgen, die die Verantwortungen der Teams entlang der Wertschöpfungskette abbildet (siehe Abb. 3 in der Bilderserie). Dabei sind die Markteinheiten für Umsätze sowie Deckungsbeitrag I und II verantwortlich, die Wertschöpfungsplattformen für den Deckungsbeitrag III. Die zentralen Unternehmensfunktionen sowie Strategie und Koordination sind dann für den operativen EBITDA verantwortlich.

Zum anderen verwendet sie eine Steuerung basierend auf den Deckungsbeiträgen (Deckungsbeitrag III) ihrer Produkte, zum Beispiel Beratungsansätze oder Warenprogramme für ihre Mitglieder. Für diese drei Steuerungsansätze wird ein einheitliches, konzernweites KPI-Set definiert und Verantwortliche für die jeweiligen Bereiche festgelegt.

Diese Steuerung hat einen Vorteil für die kundenorientierte Strategieumsetzung, betont Schuffelen: Nachdem Strategie und Ziele festgelegt sind, definieren die Markteinheiten selbst, was sie zur Umsetzung von den Wertschöpfungsplattformen benötigen. So können die sechs Prinzipien der Zusammenarbeit greifen, um die Organisation stetig zu verbessern und gesetzte Ziele zu erreichen.

Das Unternehmen

Die ANWR GROUP ist die genossenschaftliche Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe, die sich in vier Unternehmensbereiche gliedert und insgesamt 40 Unternehmen umfasst. Kerngeschäft dieser Genossenschaft ist der Handel und dort speziell der Schuhbereich. Eigentümer der ANWR GROUP sind über 1500 Schuh-Einzelhändler. Sie wurde gegründet, um Synergien für die Schuhhändler zu erzielen, hauptsächlich in Einkauf, Logistik, Marketing und Vertrieb. Die drei weiteren Bereiche sind Finanzdienstleistungen, Immobilien, und Beteiligungen, zu denen auch der Webshop Schuhe.de gehört.

Hier geht's zur Bilderserie "Kundenorientierte Steuerung"

Haufe Online Redaktion
Schlagworte zum Thema:  Steuerung, Unternehmenssteuerung, Controlling