Moderne Strategieprozesse basieren oft auf dem intensiven Einsatz analytischer Methoden und Instrumenten. Insbesondere bei Unsicherheit und Volatilität des Wettbewerbsumfeldes gewinnt die Intuition an Bedeutung und muss in den Strategieprozess integriert werden.

Die Konzeption moderner Strategieprozesse
Mit diesem Thema beschäftigte sich der Vortrag von Prof. Dr. Dirk Ulrich Gilbert, Professor für Betriebswirtschaftslehre, Universität Hamburg.

Sein Ausgangspunkt ist, dass der moderne Strategieprozess oftmals angelehnt ist an den klassischen Prozess des strategischen Managements, der bereits in den 60er Jahren entwickelt wurde. Im ersten Schritt erfolgen die Entwicklung der Vision sowie die strategische Zielplanung als grundlegender Ausgangspunkt für die Strategiearbeit. Im Anschluss erfolgt im zweiten Schritt die Segmentierung der Zielmärkte als Basis für die Entwicklung der Strategien. Die strategische Analyse erfolgt im dritten Schritt. Oftmals ist damit ein intensiver Einsatz von analytischen Methoden und Instrumenten. Auf Basis der Analyseergebnisse erfolgt dann die Strategieentwicklung und -bewertung im vierten Schritt. Der letzte Schritt im Strategieprozess ist die Strategieimplementierung. Diesen Schritt identifizieren die meisten Unternehmen als den schwierigsten Schritt im gesamten Prozess.

Grenzen der strategischen Analyse
Der Einsatz analytischer Methoden und Instrumente erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit. Ein Grund für die intensive Verwendung ist dabei der Legitimationsbedarf von Entscheidungen. Entscheidungen müssen vor dem Vorstand, vor Investoren und in letzter Instanz auch rechtlich legitimiert werden. Analytische Methoden und Instrumente bieten hierzu eine entsprechende Grundlage. Insbesondere bei im Rückblick falschen strategischen Entscheidungen bieten sie auch die Möglichkeit der Rechtfertigung. In Anbetracht der Vielzahl analytischer Methoden und ihrer Verwendung in der Praxis, ist es jedoch ratsam auch die Grenzen der strategischen Analyse zu betrachten.

Die zentrale Hypothese lautet dabei, dass die strategische Analyse systematische Defizite aufweist. Dabei kann man vier unterschiedliche Formen der Defizite unterscheiden:

  1. Blinde Flecken
  2. Methodenprobleme
  3. Prognoseprobleme
  4. Formalisierung

Blinde Flecken sind nicht betrachtete Informationen, die jedoch für die Strategiearbeit relevant sind. Entstehen können diese blinden Flecken durch zum Teil bewusste oder unbewusste Filter in der strategischen Analyse, die zum Ausschluss der Informationen führen. Methodenprobleme ergeben sich, wenn in der strategischen Analyse für die Fragestellung nicht geeignete Methoden eingesetzt werden. Prognoseprobleme beziehen sich auf die Tatsache, dass Prognosen vergangenheitsorientiert sind. Durch eine Ausrichtung der Strategie an der Vergangenheit lassen sich Strukturbrüche und unvorhergesehene Ereignisse mit großer Auswirkung im Vorfeld kaum vorhersagen. Diese sogenannten „Schwarzen Schwäne“ werden meistens erst ex-post erklärbar und sind ex-ante kaum zu erkennen. Das Defizit der Formalisierung umfasst die Problematik, dass eine formalisierte Analyse und Planung letztendlich bestehende Strukturen, Prozesse und Strategien fördert. Ein Bruch mit bestehenden Verhalten wird eher verhindert, da Kreativität und neue Ideen nicht in die bestehende formale Analyse „passen“ und unterdrückt werden.

Bedeutung der Intuition für die erfolgreiche Strategiearbeit
Die Hypothese für die Bedeutung der Intuition für eine erfolgreiche Strategiearbeit ist, dass Analytik und Intuition gleichermaßen wichtig sind, um strategische Entscheidungen zu treffen. Intuition ist insbesondere in vier Fällen von großer Bedeutung:

  • bei Unsicherheit
  • bei Prognoseproblemen
  • bei vielen möglichen Umweltszenarien
  • bei der Generation von Innovationen.

Dabei können verschiedene Formen der Intuition unterschieden werden. Während die einfache Intuition Urteilsbildungen aufgrund von Gefühl und Instinkt erlaubt, die Expertenintuition, auf Erfahrung und Können basiert, beruht die strategische Intuition auf der Generierung von kreativen Lösungen im Zeitablauf. Sie beinhaltet den Willen zur Umsetzung der Strategie sowie das Lernen aus Mustern.

Dennoch dürfen auch beim Verlassen auf Intuition die Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Intuition kann aus Gründen falscher Zuversicht oder des Beharrens auf Intuition zu falschen Entscheidungen führen, auch wenn Fakten gegen bestimmte Strategien sprechen.

Integration von Intuition in das strategische Management
Eine fundierte Analyse bildet immer noch die Voraussetzung für die Strategieentwicklung, aber Intuition und Analytik sind gleichermaßen wichtig, denn auch die Analytik hat ihre Grenzen. Um Intuition wertschöpfend in das strategische Management einzubinden, gilt es „Raum für Intuition“ zu schaffen und die organisatorische Flexibilität für intuitive Prozesse in der Strategieentwicklung zu gewährleisten. Dabei sind Intuition und Analyse als Kreislauf während des Strategieprozesses zu sehen. Bei der Integration von Intuition in den Strategieprozess muss die Berechenbarkeit und Formbarkeit des Umfelds berücksichtigt werden. Dabei ist die Berechenbarkeit des Umfelds bei der Entscheidung über den Einsatz von Intuition und Analytik von großer Bedeutung. Ist das Wettbewerbsumfeld wenig berechenbar, sind Intuition und Flexibilität unabdingbar.

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