Start-ups mit digitalen Geschäftsmodellen müssen Investoren mit ihren Kennzahlen überzeugen. Doch welche KPIs werden für die Bewertung herangezogen? Und wo liegen überhaupt die Unterschiede zwischen digitalen und klassischen Geschäftsmodellen?

"Profitability Controlling in digitalen Geschäftsmodellen"! Mit diesem Titel gewann Martin Sieringhaus, CFO & Executive Vice President Voith Digital Solutions Holding GmbH, die Aufmerksamkeit zahlreicher Zuhörer. Doch was ist anders an digitalen Geschäftsmodellen und welche KPIs nutzen Investoren zur Bewertung solch digitaler Geschäfte?

Neue Regeln für das Profitabilitätscontrolling 

Durch die rasanten technologischen Entwicklungen und neue Ansätze wie Bu­siness Analytics oder Big Data Analytics müssen Geschäftsmodelle ständig neu bewertet werden. Auch das Profitabilitätscontrolling in digitalen Geschäftsmodellen folgt daher neuen Regeln. In frühen Phasen ist die Leistung eines Unternehmens stark abhängig von dessen Wachstumsfähigkeit und weniger von Finanzergebnissen. Die Profitabilität ist eher für ein "etabliertes Geschäft" eine geeignete Steuerungsgröße des Controllings, so Martin Sieringhaus.

Digitale vs. klassische Geschäftsmodelle

Der Referent zeigt anhand eines Phasenmodells (s. Abb. 2 der Bilderreihe), dass in den ersten Jahren alle digitalen Geschäfte einem eigenen Wertschöpfungspfad mit geringer Gewinn- und Verlustrechnungs(GuV)-Relevanz folgen.

  • Phase I: Als Vergleich zieht der Referent Start-ups heran, die in der frühen Phase das Ziel haben, eine große Nutzerbasis zu schaffen und einen Netzwerk-Effekt zu generieren (s. Abb. 3 der Bilderreihe). Netzwerk-Effekte drücken aus, dass das Verhalten einer Person mindestens das Wohlergehen einer anderen Person beeinflusst. Das bedeutet, je mehr Nutzer hinzukommen, desto mehr Skaleneffekte entstehen und die Attraktivität steigt weiter an. Die typischen Messwerte in dieser Phase beziehen sich damit auf die Nutzer und das Umsatzwachstum. Diese haben in der frühen Phase jedoch noch gar keine oder nur eine geringe Relevanz für die GuV.
  • Phase II: Auf dem Weg zur Etablierung eines Profitabilitäts-Controlling muss in der späten Phase erst einmal ein profitables Geschäftsmodell festgelegt werden, das Umsatz generiert. Das tatsächliche oder erwartete Umsatzwachstum als typischer Messwert hat noch eine niedrige Relevanz für die GuV. Der Referent verdeutlicht dies am Beispiel von Facebook. Das Unternehmen hat sich fünf Jahre lang zunächst auf den Aufbau einer Nutzerbasis fokussiert. Erst danach folgte die Implementierung einer Monetisierungsstrategie.
  • Phase III: In dieser Reifephase wird das Geschäftsmodell etabliert und der Fokus verlagert sich auf die traditionellen Finanzkennzahlen. Die Profitabilität und die erwartete Ausschüttung kommen als typische Messwerte hinzu und erlangen nun auch für die GuV eine hohe Bedeutung.

Welche KPIs Investoren typischerweise zur Bewertung dieser Geschäfte nutzen

Um die Wertschöpfung in digitalen Unternehmen besser zu verstehen, können die wichtigsten Kennzahlen von Investoren in Start-Ups herangezogen werden. Denn Start-ups stehen schnell vor der Herausforderung, das Geschäftsmodell plausibel auf der Basis von nachvollziehbaren Kennzahlen zu präsentieren, auch wenn sie aufgrund ihres kurzen Bestehens meist noch keinen Cash-Flow verzeichnen. Auch digitale Geschäftsmodelle verzeichnen anfangs einen hohen Unsicherheitsfaktor, sodass traditionelle Finanzkennzahlen zu Beginn eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Zu den operativen KPIs zählen

  • die Benutzeranzahl,
  • die Anzahl der Besuche und
  • der Marktanteil.

Zu den finanziellen KPIs zählen EBIT, EBITDA und ROI, wie Investoren angegeben haben (s. Abb. 4 Bilderreihe).

Wie sich digitale Geschäftsmodelle effizient steuern lassen 

Zum Schluss seines Vortrags stellt Martin Sieringhaus folgende Ergebnisse für ein erfolgreiches Profitabilitätscontrolling in den Vordergrund:

  1. Die geltenden Kennzahlen der ersten Jahre fokussieren die Wachstumspotenziale des Geschäfts.
  2. Die meisten Investoren vertrauen auf traditionelle Bewertungsmethoden mit wachstumsorientierten Kennzahlen.
  3. Wachstumsabhängige Multiples werden entsprechend dem Reifegrad des Geschäfts eingesetzt.

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es wichtig ist, trotz geringer Relevanz der Finanzkennzahlen in den ersten Jahren frühzeitig ein klares Geschäftsmodell zu definieren.

Hier geht's zur Bilderserie "Kennzahlen für digitale Geschäftsmodelle"