Seit der Energiewende kämpfen die Energieversorger mit Umsatzeinbrüchen. Zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle hat die Thüga AG in fünf Schritten die Innovationslandkarte 2024 erarbeitet. Die Visualisierung steigerte die Akzeptanz des Strategiewechsels bei allen Beteiligten erheblich.

Energie- und Wasserversorgung: eine innovationsarme Branche unter Druck

Seit der Energiewende erfahren die großen Energieversorger in Deutschland dramatische Ergebniseinbrüche, wie Marcus Getta, Leiter Innovationsmanagement der Thüga AG, eindrücklich am kumulierten EBIT-Einsturz von 61 % bei E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall und EWE in 4 Jahren visualisierte. Innovative Geschäftsmodelle sind gefragt und das in einer Branche, die sich – gemessen an den Kennzahlen „Innovationsausgaben/Gesamtumsatz“ und „Umsatzanteil mit Produkten jünger als drei Jahren“ – alles andere als innovativ positioniert. Die Thüga AG geht diese Herausforderung mit Hilfe der Innovationsplattform unter Leitung von Marcus Getta, Leiter Innovationsmanagement, an. Auf der Jahreskonferenz Strategisches Management gewährte er exklusive Einblicke in die Innovationslandkarte 2024 des Unternehmens.

Ausweg aus der Marktsituation: Die Innovationslandkarte 2024

Mit Etablierung der Thüga-Innovationsplattform entstand der Bedarf nach mehr Transparenz über die Entwicklungen der Zukunft als Orientierungshilfe auf der Suche nach Lösungen. Marcus Getta schilderte in seinem Vortrag unterhaltend und detailgenau den Entstehungsprozess der Innovationslandkarte 2024 und ihren Einsatz zur gezielten Geschäftsmodellinnovation. Dabei führte Herr Getta das Publikum schrittweise durch die fünf Projektphasen und in Summe zehn Arbeitspakete der Innovationslandkarte 2024 (s. Abb. 1 der Bilderserie).

1. Zukunft analysieren: Welche Einflüsse bestimmen den Energiesektor 2024?

Im ersten Schritt wurden die Megatrends ergründet und ihre Bedeutung für die kommunale Energiewirtschaft interpretiert. Darüber hinaus wurden Einflussfaktoren identifiziert, Schlüsselfaktoren herausgefiltert und deren Entwicklung auf Basis umfangreicher Studien und unter Einbindung von Expertenwissen in die Zukunft projiziert. Selbstverständlich wurden dabei Einflüsse wie die Digitalisierung, das Internet der Dinge und Big Data-Wertschöpfung ebenso berücksichtigt wie die digitale Kultur- und Verhaltensbeeinflussung. Zusätzlich bestimmten zahlreiche Neuerungen die Zukunft der Branche wie konstant sinkende Batteriekosten und steigende Effizienzgrade aller Energiegewinnungsanlagen.

2. Zukunft prognostizieren: Wie beeinflussen die Marktentwicklungen den Energiesektor in 2024?

Anhand der identifizierten Einflüssen erstellte das Team von Marcus Getta Szenarios, die weit über konventionelle Trendanalysen hinausgingen: Zuerst wurden die Konsistenzen von Kombinationen der Faktorausprägungen bewertet. Dies bildete die Basis, auf der mit Hilfe eines Szenario-Tools Faktorausprägungen zu konsistenten Szenarien kombiniert wurden, die wiederum zu vier Szenarioclustern gebündelt wurden.

Zur Validierung der toolgestützten Szenarioanalyse entwickelten die Thüga-Experten intuitive Prüfszenarien (konservative, wahrscheinliche und progressive Entwicklung). Dieser Schritt war für die Akzeptanz der „Black-Box-Ergebnisse“ der mathematischen Szenarioanalyse in der Organisation von großer Bedeutung, wie Marcus Getta betonte. Das Szenariocluster „Energiewende Reloaded“, in welchem die meisten konsistenten Szenarien wiederzufinden waren, wurde – auch aufgrund seiner Fortschrittlichkeit – als Referenzszenario ausgewählt und im Detail beschrieben.

3. Zukunftswege beschreiben: Welche Schritte sind nötig, um die Geschäftspotenziale zu erschließen?

Um das Unternehmen auf die betrachteten Entwicklungen vorzubereiten, prognostizierte das Team präzise Meilensteine auf dem Weg zur Realisierung des Referenzszenarios und fasste sie zur „Innovationslandkarte 2024“ zusammen. Diese Visualisierung der Ergebnisse förderte das Verständnis für das Zukunftsbild und damit für Neuerungen bei allen Stakeholdern erheblich, betonte Marcus Getta. Die Innovationslandkarte 2024 wurde u. a. als Poster aufbereitet und an die Stadtwerke der Thüga-Gruppe kommuniziert.

4. Zukunftspotenziale ableiten: Welche Geschäftsmodelle versprechen das größte Potenzial?

Mit der Business Model Canvas wurden die wichtigsten Zukunftsfelder in grobe Geschäftsmodellbeschreibungen übersetzt und hinsichtlich ihrer Ergebnispotenziale quantifiziert. Marcus Getta beschrieb, dass die Überführung bis hin zur Geschäftsmodellkreation notwendig sei, um zu prüfen, ob die finanziellen Zielsetzungen erschlossen werden können.

5. Zukunft nachhaltig sichern: Wie begegnet man den Herausforderungen auf dem Weg zur Umsetzung identifizierter Innovationen?

Für eine profitable Umsetzung sind jedoch flexible Investitionen in Projekte mit hohem Risiko und passendes Personal notwendig – beides eine Herausforderung für Traditionsunternehmen mit jahrzehntelang identischem  Produktangebot. Die Thüga AG begegnete dieser Herausforderung unter anderem mit einer klaren Definition der erforderlichen Fähigkeiten. Zudem nutzte sie das World Café-Format, um mit Geschäftsführern und Prokuristen von 20 Stadtwerken den Kompetenzbedarf für sechs Entwicklungspfade der Roadmaps zu diskutieren (s. Abb. 2 der Bilderserie).

Quantitative Extrameile bei Trendanalysen lohnt sich

Unter den Vorteilen einer detaillierten Trend- und Szenarioanalyse hob Marcus Getta ihre vielfältige Einsetzbarkeit hervor. Denn jeder Unternehmensbereich, egal ob aktuell erfolgreich oder nicht, kann mit explorativen Innovationsprozessen vorher ungeahnte Potentiale entfalten. Dabei half besonders der quantitative Ansatz

  1. Subjektivität zu eliminieren,
  2. unerkannte Einflüsse von Trends aufeinander zu verstehen und  
  3. die Glaubwürdigkeit von „Zukunftsplanung“ bei der Unternehmenssteuerung zu erhöhen.

Wichtig sei, dass Anwender der Methodik flexibel an die Umsetzung herantreten, so Marcus Getta. Denn das Verstehen und Durchdringen der Szenarios ist wichtiger als eine möglichst gradlinige Ausführung.

Das Unternehmen

Die Thüga AG verbindet rund 100 Energieversorger in Deutschland, die mehr als 8 Millionen Menschen mit Energie beliefern.

Hier geht's zur Bilderserie "Innovationslandkarte unterstützt Entwicklung neuer Geschäftsmodelle"