Keine Entlastung für Bayer-Vorstandschef Werner Baumann

Das Vertrauen der Aktionäre in den Chemie-Giganten Bayer ist dahin. In einer dramatischen Hauptversammlung verweigerten 55,5% der anwesenden Anteile des Grundkapitals dem Vorstand die Entlastung. Für einen DAX-Konzern ist dieser Vorgang bisher einmalig. Auch das Vertrauen in den Aufsichtsrat ist mager.

Der historisch zu nennende Vertrauensverlust der Aktionäre in den Vorstand von Bayer ist in der Geschichte der deutschen DAX Konzerne bisher ohne Beispiel.

  • Zum ersten Mal haben Anteilseigner sich geweigert,
  • dem Vorstand eines DAX-Konzerns das Vertrauen auszusprechen.

Harte Abrechnung der Aktionäre mit dem Vorstand

Der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann erhielt damit die Quittung für seine maßgebliche Rolle bei dem Kauf des amerikanischen Konzerns Monsanto, der den umstrittenen Unkrautvernichteter Glyphosat herstellt, der u.a. im Verdacht steht, Krebs zu erregen.

US-Gerichte halten Glyphosat für krebserregend

Bereits zwei Gerichte in den USA haben einen Zusammenhang zwischen dem Unkrautvernichteter Glyphosat und der Krebserkrankung der jeweiligen Kläger bejaht. (→ US-Glyphosat-Berufungsurteil bringt Bayer in Bedrängnis)

  • Von einem Gericht in San Francisco wurde Bayer bereits zu Schadenersatz in Höhe von 78 Mio Dollar verurteilt.
  • Bayer hat bereits Berufung eingelegt und betont, aufgrund von Hunderten von Untersuchungen wissenschaftlich nachweisen zu können, dass ein Zusammenhang zwischen dem Unkrautvernichter und den Krebserkrankungen der jeweiligen Kläger nicht besteht.
  • Dennoch dürfte nach jetzigem Stand das tatsächliche Prozessrisiko für Bayer den USA schwer abzuschätzen sein.

Mehr als 13.000 weitere Klagen auf Schadenersatz sind inzwischen in den USA gegen Bayer anhängig. Dies bedeutet für Bayer ein kaum absehbares Milliarden-Risiko.

Risiken der Monsanto-Übernahme unterschätzt?

Vertreter großer Anlegervermögen haben dem Bayer-Management vorgeworfen, die Risiken der Monsanto-Übernahme falsch eingeschätzt zu haben. Kritiker und auch Analysten weisen darauf hin, dass der Verlust an Reputation eines Konzerns in Deutschland noch nie so rasant gewesen sei wie im Fall von Bayer.

  • Der für die Herstellung heilender Medizin - allem voran dem legendären Aspirin - bekannte Bayer-Konzern
  • habe mit der Übernahme von Monsanto das Image eines Lebensvernichters mit eingekauft.

Marc Tüngler, von der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW)  brachte es in der Hauptversammlung auf den Punkt:

Nie zuvor hat ein DAX-Konzernen Reputation und Wert so schnell eingebüßt - das ist eine Schande“.

Die Führung habe die Risiken des Monsanto-Deals offenbar völlig unterschätzt.

Fehlende Vorstandsentlastung ohne direkte Rechtsfolgen

Der Vorstand selbst bemühte sich, klarzustellen, das Votum der Aktionäre ernstzunehmen. Der Vorstandsvorsitzende drückte ausdrücklich Verständnis für die Enttäuschung der Aktionäre über die Kursentwicklung der Bayer Aktie aus, die in den vergangenen zwölf Monaten um ca. 40 % an Wert eingebüßt hat. Gleichzeitig beeilte der Vorstand sich aber auch darauf hinzuweisen, dass die fehlende Entlastung keine negativen Folgen habe.

Hinweis: Tatsächlich ist die Entlastung der Vorstände von Aktiengesellschaften ein eher formaler Vorgang. Gemäß § 120 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung jährlich über die Entlastung des Vorstands. Die Entlastung hat die Funktion einer Billigung der vorangegangenen Vorstandstätigkeit, § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG. Unmittelbare rechtliche Auswirkungen sind mit einer fehlenden Billigung nicht verbunden.

Fehlende Entlastung ist Grund für Widerruf der Ernennung des Vorsitzenden

Allerdings wäre die nicht erfolgte Entlastung nach dem Aktiengesetz gem. § 84 Abs. 3 ein wichtiger Grund, der einen Widerruf der Ernennung Werner Baumann rechtfertigen würde. 

„Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. 

Vorstand erklärt Glyphosat für ein sicheres Produkt

Doch nach einem solchen Schrittsieht es bisher nicht aus. Vorstandsvorsitzende Werner Baumann erklärte auf der Vollversammlung, Glyphosat sei

bei sachgerechter Anwendung ein sicheres Produkt“.

Die Übernahme von Monsanto sei strategisch richtig gewesen. Er sei zuversichtlich, in den in den USA geführten Rechtsstreiten im Ergebnis zu obsiegen.

Wird Bayer zum Übernahmekandidat?

Der Fondsmanager der Deka – einer der Top-10-Anteilseigner von Bayer - sprach dagegen von einem „Scherbenhaufen“ und äußerte:

Innerhalb von nur zwei Jahren ist der einstige Pharmagigant zu einem Zwerg mutiert“.

Der Konzern befinde sich dadurch in einer gefährlichen Lage.

  • Der Börsenwert von Bayer betrage zurzeit nur noch ca. 57 Milliarden Euro.
  • 60 Milliarden Euro habe allein Monsanto gekostet.

Bayer könne damit ganz schnell an der Börse zu einem Übernahmekandidat werden.

Aufsichtsrat stellt sich hinter den Vorstand

Der Aufsichtsrat gab dem Unternehmenschef in einer Sondersitzung am 27.4.2019 volle Rückendeckung. Der Aufsichtsrat erklärte, geschlossen hinter dem Vorstand zu stehen. Man sei überzeugt, dass es dem Vorstand gelinge, das Vertrauen der Aktionäre wieder vollständig zurückzugewinnen, denn die Übernahme von Monsanto sei auch nach Auffassung des Aufsichtsrats eine strategisch notwendige und richtige Entscheidung gewesen. Nur gemeinsam mit Monsanto habe Bayer eine wirtschaftliche Größe, die auf Dauer am Weltmarkt bestehen könne. Objektiv wiesen die Umsatzzahlen des Konzerns gerade auch nach der Übernahme von Monsanto weiterhin nach oben. Die betriebswirtschaftlichen Zahlen seien ausgesprochen gut.

Konsequenzen für "Wirtschaft und Aktionärsdemokratie"?

Das Verhalten des Vorstands sei erstaunlich, so befindet  Caspar Busse in der "SZ" vom 29.4. ("Das Kreuz mit Bayer"), da der Aufsichtsrat eigentlich die Interessen der Anteilseigner zu vertreten habe. Er sieht hierin eine Gefahr für Wirtschaft und Aktionärsdemokratie:

  • Wenn sich Vorstand und Aufsichtsrat über das Votum der Anteilseigner hinwegsetzen,
  • würden die alljährlichen Aktionärstreffen nebst Abstimmungen zur Farce.
  • Doch wo bleibt dann die Kontrolle der Manager.

Auch Busse weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass andere Vorstandschefs trotz Entlastung zurücktreten, wenn diese, wie 2015 bei der Deutschen Bank, nur bei 61% lägen.

Aufsichtsrat ebenfalls nicht mehr unumstritten

Auch der Aufsichtsrat geht folgerichtig angeschlagen aus der Vollversammlung hervor. Nur 66,4 % des Grundkapitals stimmte für die Entlastung des Aufsichtsrats. Im Vorjahr waren es noch 98 %.

Weltweiter Stellenabbau geplant

Bayer plant bis 2021 einen Abbau von weltweit 12.000 Stellen, ein Großteil davon in Deutschland und NRW. Bayer begründet den Stellenabbau mit dringend notwendigen Strukturierungsmaßnahmen unter anderem auch wegen der eingetretenen und gewollten Synergie-Effekte durch die Monsanto-Übernahme. Mit den Prozessrisiken in den USA habe der Stellenabbau absolut nichts zu tun.

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Norm:

§ 84 AktG: Bestellung und Abberufung des Vorstands

(1) Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt.

(2) Werden mehrere Personen zu Vorstandsmitgliedern bestellt, so kann der Aufsichtsrat ein Mitglied zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen.

(3) Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Dies gilt auch für den vom ersten Aufsichtsrat bestellten Vorstand. Der Widerruf ist wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gelten die allgemeinen Vorschriften.

(4) Die Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 801-2, veröffentlichten bereinigten Fassung - Montan-Mitbestimmungsgesetz - über die besonderen Mehrheitserfordernisse für einen Aufsichtsratsbeschluß über die Bestellung eines Arbeitsdirektors oder den Widerruf seiner Bestellung bleiben unberührt.

Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Umweltschutz, Aktiengesellschaft