US-Glyphosat-Berufungsurteil bringt Bayer in Bedrängnis

Zwar hat ein US-Gericht den Schadensersatzanspruch eines nach beruflicher Glyphosat-Nutzung an Krebs Erkrankten gegen Monsanto in der Berufung von über 289 Mill. Dollar auf 78 Mill. gesenkt. Für den Bayer-Konzern, der Monsanto im laufenden Verfahren übernommen hatte, ist es trotzdem ein harter Schlag. In den USA sind noch sehr viele Klagen anhängig, die für Bayer ein enormes Risiko bergen, das sich an der Börse zunehmend bemerkbar macht.

Statt der in 1. Instanz verhängten 289 Mill. Dollar Schadensersatz muss Bayer wegen Glyphosat-Folgen seines kürzlich übernommenen Konzerntochter Monsanto einem früher als Hausmeister tätigen Kläger 78 Mill. Dollar Schadensersatz leisten.

Dieser macht von Monsanto vertriebene Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger Pro für seinen Lymphdrüsenkrebs verantwortlich, auch weil sie nicht genügend Warnhinweise enthalten hätten.

Berufung senkt den Schadensersatz, bleibt aber beim grundsätzlichen Anspruch

Trotz der Senkung der Summe wurde vom Gericht damit die Annahme der Mitursächlichkeit von Glyphosat für die Erkrankung grundsätzlich bestätigt.

  • Bei weiterhin ca. 8.700 anhängigen Klagen,
  • eine Zahl die sich durch das erstinstanzliche Urteil im August stark erhöht hatte, 
  • ist es kein Wunder, dass der Bayer-Kurs so beeinträchtigt wird, dass es auf den Dax massiv durchschlägt.
  • Die Schadenersatzsummen, die im Raum stehen, sind zur Zeit noch nicht annähernd abschätzbar.

Ob Monsantos Glyphosat-Produkte Krebs verursachen, ist sehr umstritten (s.u).

Hat Bayer bei der Monsanto- Übernahme Compliance-Aspekte unterschätzt?

Warnungen gab es viele, als der deutsche Pharma- und Chemieriese Bayer den Saatguthersteller Monsanto übernommen hat. Monsanto hat sich vor allem durch das weltweit am meisten verbreitete Herbizid Glyphosat einen Namen gemacht. Zugleich ist Glyphosat das zur Zeit wohl umstrittenste Pflanzenschutzmittel weltweit.

  • Für die einen ist es ein unsichtbares Gift, das überall lauert und nicht nur unsere, sondern auch die Gesundheit nachfolgender Generationen schädigt,
  • andere loben den Unkrautvernichter Glyphosat als unentbehrlichen Schutz vor Hunger und Missernten.

Nach Einsatz von Glyphosat an Lymphdrüsenkrebs tödlich erkrankt

In dem vom US-Gericht entschiedenen Fall hatte ein erkrankter Hausmeister geklagt. Im Jahr 2014 war er an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Der Hausmeister hatte lange Jahre als Platzwart für kalifornische Schulen gearbeitet und war für die Unkrautvernichtung auf den Schulgeländen zuständig. Dort hatte er über 2 Jahre regelmäßig das Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ eingesetzt, bis zu 30 Mal im Jahr.

  • Das kalifornische Geschworenengericht entschied, dass der Schädlingsbekämpfer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ursache für die tödliche Erkrankung des 46-jährigen Hausmeisters ist.
  • Die Geschworenen hatten ihr Urteil auf die Einsichtnahme interner Firmenunterlagen gestützt
  • und es anschließend als bewiesen angesehen, dass Monsanto das Krebsrisiko seit Jahrzehnten bekannt gewesen sei.

Nach den gewonnenen Erkenntnissen habe Monsanto es zumindest versäumt, deutliche Warnhinweise an die Benutzer des Unkrautvernichters zu richten.

Trotz der Negativschlagzeilen des vorhergehende Urteil begann für den Bayer-Konzern die Integration der übernommenen US-Firma. Bayer konnte sich nach der Übernahme in den Rechtsstreit einschalten.

  • Bayer pochte in der Berufung darauf, dass aufgrund Hunderter Untersuchungen in den USA wissenschaftlich bewiesen sei,
  • dass ein Krebsrisiko bei ordnungsgemäßer Verwendung von glyphosathaltigen Unkrautvernichtern nicht bestehe.

Der Konzern verwies auch darauf, dass die EU erst im vergangenen November die Zulassung von Glyphosat innerhalb der EU um weitere fünf Jahre verlängert hat.

Innerhalb der EU ist die Einschätzung strittig

Tatsächlich aber hing die Verlängerung der Zulassung in der EU am seidenen Faden: Ursprünglich strebte die EU-Kommission eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre an und hat aufgrund der vielfach geäußerten Kritik sich - nach eine Hängepartie, die auch in der vorigen deutschen Regierungskoalition für einigen Ärger sorgte - lediglich zu einer Verlängerung von fünf Jahren durchringen können.

  • Im Jahr 2015 hat die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ qualifiziert,
  • während das Bundesinstitut für Risikobewertung BfR den Unkrautvernichter kurz zuvor als unbedenklich eingestuft hat.
  • Die Umweltschutzbehörde der USA hatte Glyphosat im Jahr 2017 als wahrscheinlich nicht krebserregend eingestuft,
  • ähnlich die europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (efsa) und die europäische Chemieagentur (echa). 

Einige Negativwirkungen von Glyphosat stehen fest

Bei Glyphosat handelt es sich um ein sogenanntes Total-Herbizid, d.h. es wirkt auf sämtliche Grünpflanzen.

  • Glyphosat wird weltweit auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von ca. 400 Millionen Hektar eingesetzt,
  • in der EU auf einer Fläche von 178 Millionen Hektar.
  • Die starke Verbreitung liegt nicht zuletzt auch am sehr niedrigen Kostenaufwand.
  • Die ökologische Landwirtschaft arbeitet ohne Glyphosat.

Vielfalt von Pflanzen, Insekten und Feldvögeln nachhaltig reduziert

Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird durch den Einsatz des Unkrautvernichters die Vielfalt der Pflanzen auf Agrarflächen erheblich und nachhaltig reduziert und auch auf die Vielfalt von Insekten und Feldvögeln hat die Verwendung nachhaltige negative Auswirkungen.

Aus diesen Gründen will die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Gebrauch von Glyphosat in Deutschland und auch europaweit mittelfristig einschränken.

Muss Bayer die positiven Aspekte von Glyphosat stärker bewerben?

Ob die Übernahme des Glyphosatherstellers Monsanto Bayer auf Dauer Glück bringen wird, erscheint  zumindest fraglich. Die Aktien notierten nach dem August-Urteil über 289 Mill. Dollar bei einem Jahrestief von 75,50 EUR. Nach dem Berufungsurteil sank der Kurs um mehr als acht Prozent.

  • Unter dem Gesichtspunkt des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ist das Etikett, der weltweit größte Glyphosathersteller zu sein, zumindest kein Aushängeschild.
  • Das Argument des Schutzes gerade ärmerer Staaten vor Missernten darf aber auch nicht übersehen werden
  • und sollte gerade unter Ethik- und Compliance-Gesichtspunkten von Bayer in der Öffentlichkeit stärker gewichtet werden.

Wenn weitere Gerichtsurteile  folgen und Bayer nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus kommt, könnte das Bayer-Image dauerhaften Schaden erleiden und hat dann auch wirtschaftlich ein ernst zu nehmendes Problem.

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Hintergrund:

Starke Wachstumsmärkte außerhalb Europas

Aussichtsreiche Wachstumsmärkte für Glyphosat sehen die Hersteller in Nord- und Südamerika und mittelfristig auch im asiatischen Raum. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass Pflanzen wie Soja und Mais durch gentechnische Veränderungen eine Resistenz gegen Glyphosat eingeimpft werden kann.