EuG bestätigt EU-Verordnung gegen 3 Pestizide wegen Bienensterben

Zur Anwendung der als „Bienenkiller“ verdächtigen Pestizide Clothianidin, Thiamethoxam, Imidacloprid und Fipronil erließ die EU-Kommission im Jahr 2013 EU-weit weitgehende Beschränkungen. Die hiergegen gerichteten Klagen der betroffenen Konzerne vor dem EuG auf Feststellung der Nichtigkeit der Verordnungen bzw. auf Schadenersatz wegen Gewinneinbußen scheiterten nun mit einer Ausnahme.

Stein des Anstoßes war das seit einigen Jahren in ganz Europa zu beobachtende Sterben ganzer Bienenvölker. Naturschützer warnen vor unübersehbaren Folgen sowohl für die natürliche Flora als auch für Kulturpflanzen. Als eine wesentliche Ursache gilt die übertriebene und unsachgemäße Verwendung von Pflanzenschutzmitteln.

EU-Kommission beschränkt den Einsatz von Pestiziden europaweit

Vor diesem Hintergrund hatte die EU-Kommission die Verwendung der Pestizide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid und Fipronil

  • für bestimmte Saatgut- und Getreidearten durch entsprechende Verordnung stark eingeschränkt.
  • Für nicht gewerbliche Anwendungen erließ die Kommission ein komplettes Verbot.
  • Auch die Verwendung und das Inverkehrbringen von Saatgut, unter anderem von Sommergetreide, Raps, Soja, Sonnenblumen und Mais, das mit diesen Wirkstoffen bereits behandelt worden ist, wurde beschränkt bzw. untersagt.

Bayer, BASF und Syngenta klagten auf Nichtigkeit der EU-Verordnung

Bayer, BASF und der Schweizer Konzern Syngenta klagten gegen die Verordnung vor dem EuG in Luxemburg auf Feststellung der Nichtigkeit der erlassenen Verordnungen. Syngenta klagte auch auf Schadenersatz für 365 Mio Euro Gewinneinbuße.

  • Fast alle Klaganträge wurde von dem Europäischen Gerichtshof abgewiesen.
  • Teilweise erfolgreich war lediglich BASF hinsichtlich des Pestizids Fipronil.

Vorweg: EU-Organe dürfen Maßnahmen gegen Konzerne ergreifen

Das EuG stellte in seinen Entscheidungen erst einmal klar, dass die Organe der EU grundsätzlich berechtigt sind,

  • die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen Gesundheitsgefahren sowie zum Schutz der Umwelt zu treffen.
  • Hierbei seien die Gefahren, die von bestimmten Wirkstoffen ausgehen können, angemessen zu prüfen
  •  und gegen die durch ein Verbot oder eine Beschränkung entstehenden wirtschaftlichen Folgen für den jeweiligen Konzern gründlich abzuwägen.

Güterabwägung nach dem Grundsatz der Vorsorge und der Verhältnismäßigkeit

Die Prüfung der jeweiligen Rechtsgüter/Interessen habe unter Beachtung des Vorsorgegrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen.

  • Der Vorsorgegrundsatz bedeute, dass durch wissenschaftliche Untersuchungen festgestellte Gefahrenquellen auch dann zu beseitigen sind, wenn aufgrund wissenschaftlicher Ungewissheiten die Verwirklichung der Gefahr nicht zu 100 % sicher abgeschätzt werden kann.
  • Es sei ausreichend, wenn Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bestehen, auch wenn die Realisierung dieser Risiken noch nicht in vollem Umfange und mit Sicherheit nachgewiesen sei.
  • Das Vorsorgeprinzip impliziere in solchen Fällen, dass die EU-Organe nicht abwarten müssen, bis tatsächlich nachteilige Wirkungen für die Gesundheit der Menschen oder die Umwelt eingetreten seien. 

Umwelt und Gesundheit stehen über wirtschaftlichen Interessen

Der Vorsorgegrundsatz impliziert nach Auffassung des Gerichts darüber hinaus, dass dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt ein klarer Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einzuräumen ist. Dies gelte sowohl für das Verbot, bestimmte Stoffe wie Pestizide überhaupt zu verwenden als auch für das Verbot, Saatgut, das bereits mit gefährlichen Stoffen behandelt worden ist, in Umlauf zu bringen.

Schutz der Bienen ist ein hoher Wert des Naturschutzes

Vor diesem Hintergrund erklärte das Gericht den Schutz der Bienen als wichtiges Gut des Naturschutzes.

  • Angesichts einiger Studien und in Übereinstimmung mit der Auffassung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stehe fest, dass 84 % der 264 europäischen Kulturpflanzen und ein Großteil der natürlichen Flora in Europa von Bestäubern wie den Bienen abhängig sei.
  • Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe die streitgegenständlichen Pestizide als zumindest eine der Ursachen des massenweise aufgetretenen Bienensterbens identifiziert.
  • Aus diesem Grunde seien die von der Kommission verhängten Restriktionen im wesentlichen angemessen und verhältnismäßig.
  • Die Kommission fordere zu Recht, dass Bienen den schädlichen Pestiziden allenfalls in vernachlässigbarer Weise ausgesetzt werden dürfen
  • und die Verwendung dieser Wirkstoffe unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Honigbienenlarven und das Verhalten von Honigbienen keine unannehmbaren, akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung der Bienenvölker haben darf. 

Nur BASF mit Fipronil-Klagantrag war erfolgreich

Im Ergebnis erklärte das EuG die von der EU-Kommission verordneten Beschränkungen für zulässig, mit Ausnahme der Beschränkungen zu dem Pestizid Fipronil.

  • Das Gericht monierte, die Kommission habe es hier unterlassen, bei Erlass der Beschränkung eine Abwägung der Folgen für den Konzern vorzunehmen.
  • Die Folgenabwägung sei unabdingbarer Bestandteil der nach dem Vorsorgegrundsatz erforderlichen Abwägung. Völlig übergehen dürfe die Kommission wirtschaftliche Folgen für einen Konzern nicht.

Das Unterlassen einer Folgenabwägung sei ein Rechtsfehler, der zur Erklärung der Nichtigkeit der entsprechenden Verordnung durch das Gericht führe.

Entscheidungen noch nicht rechtskräftig

Mit Ausnahme der Klage von BASF blieben die Klagen daher erfolglos. Insoweit haben die Kläger die Möglichkeit, gegen die Entscheidungen innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH einzulegen.

(EuG, Urteile v. 17.5.2018, T-429/13, T-451/13, T-584/13).

Weitere News zu  dem Thema:

Bayer übernimmt Hersteller von genetisch verändertem Saatgut Monsanto

Cross Compliance für Landwirte

EU uneins über Unkrautvernichter Glyphosat

Schlagworte zum Thema:  EU-Kommission, EU-Recht, Umweltschutz