Compliance Officer – Methoden der lateralen Führung

Compliance Officer und –Abteilungen sind im Unternehmen meist als Stabsstelle ohne Linienfunktion aufgehängt. Heißt das, sie haben niemandem etwas zu sagen? Wie können Compliance Verantwortliche sich und ihr Anliegen auch ohne hierarchische Autorität durchsetzen? Methoden des lateralen Managements können hier unterstützen.

Compliance per Befehl?

Grob gesagt ist es die Aufgabe eines Compliance-Verantwortlichen, dafür Sorge zu tragen, dass Regeln und Gesetze im Unternehmen eingehalten werden. Nach den Zielen einer Compliance-Abteilung befragt, antwortet daher auch eine große Mehrheit von Führungskräften, dass es darum gehe, die Organisation vor Schäden aus Fehlverhalten zu bewahren. Weitere wichtige Ziele sind, Vertrauen für Stakeholder herzustellen, sowie negative Schlagzeilen zu verhindern. Compliance-Verantwortliche müssen für sich deshalb die Frage stellen, wie diese Ziele erreicht werden können.

Grundsätzlich bedienen sich Unternehmen der Hierarchie. Dies bedeutet, dass es jemanden gibt, der die formale Macht innehat und allen anderen Anordnungen erteilen kann. Compliance-Ziele können aber in der Regel nicht per Befehl durchgesetzt werden.

Der größte Teil der Compliance-Abteilungen ist formal als Stabsstelle in der Organisation verankert. Fast zwei Drittel von ihnen sind Stabsstellen auf Leitungsebene oder direkt darunter. Merkmal einer Stabsstelle ist, dass sie nicht Teil der „normalen“ Unternehmenshierarchie ist. Ganz machtlos sind Compliance-Verantwortliche aber nicht. Dies betrifft z.B. Genehmigungsprozesse, in die die Compliance-Abteilung involviert ist. Ein Teil der formalen Macht entspringt z.B. dem Code of Conduct oder anderen Richtlinien, die der Compliance-Abteilung bestimmte Mitspracherechte einräumen, z.B. bei der Annahme oder Vergabe von Geschenken über einem bestimmten Wert. Wie sollen aber die sehr umfassenden Compliance-Ziele erreicht werden, wenn die formale Macht der Compliance-Verantwortlichen relativ eingeschränkt ist?

Laterale Führung

Eine mögliche Antwort darauf besteht in der so genannten lateralen Führung. Diese wird manchmal auch „Führung auf Augenhöhe“ oder „laterales Management“ genannt. Sie fragt, wie Kooperation erreicht werden kann, ohne über formale Macht zu verfügen. Um zu Mitarbeitern durchzudringen und von ihnen Kooperation zu erhalten, werden die 5 wichtigsten Grundsätze benannt:

  • Ehrlichkeit. Seien Sie ehrlich und eindeutig bezüglich der Tatsachen, die Ihre Handlungen antreiben. Dies verleiht Ihren Forderungen Legitimität. Es mag nicht jeder Ihrer Meinung sein, aber Offenheit wird in der Regel geschätzt. Nehmen Sie auch Bezug auf die „höheren Ziele“, die hinter Ihren Forderungen stecken und bleiben Sie hier konsistent.
  • Halten Sie Ihr Wort. Versprechen Sie nichts, das Sie nicht liefern können. Andernfalls riskieren Sie das erarbeitete Vertrauen. Seien Sie ehrlich bezüglich Ihres beschränkten Einflusses und erhöhen so Ihre Glaubwürdigkeit.
  • Bauen Sie ein starkes Netzwerk auf. Dieses versetzt Sie in die Lage, die richtigen Informationen im richtigen Augenblick mobilisieren zu können. Nehmen Sie sich die Zeit, um ein solches Netzwerk zu pflegen.
  • Belastbare Ziele. Um überzeugend zu sein, müssen Ihre persönlichen Ziele mit den Zielen des Unternehmens und anderer Stakeholder in Einklang stehen. Sie wollen als Compliance Officer einen guten Job machen, um sich auch für andere Positionen zu empfehlen? Gut. Sie haben das Ziel mit Fünfzig so reich zu sein, dass Sie nicht mehr arbeiten müssen; egal wie? Dann könnte das zu Problemen führen. Scheuen Sie nicht davor zurück, eigene Ziele auszusprechen. Stellen Sie aber sicher, dass sie den allgemeinen Zielen des Unternehmens und der Kollegen nicht widersprechen. Nutzen Sie Begriffe, die auch von den adressierten Personen verwendet werden.
  • Gemeinsames Wirken. Die Fähigkeit lateral zu führen hängt davon ab, wie es Ihnen gelingt, wechselseitig vorteilhafte Vereinbarungen zu finden. Dafür müssen Sie sich zunächst in die Situation Ihrer Kollegen einfühlen, um daraus Vorteile für alle Seiten entwickeln zu können. Ihre Vertriebsleiterin will Umsatz und gute Margen machen. Sie wollen, dass dieser Umsatz sauber und integer erwirtschaftet wird. Zeigen Sie der Vertriebsleiterin auf, wie Compliance die gute Reputation des Unternehmens schützt und dass damit bei Kunden höhere Margen erzielt werden können, so dass letztendlich auch der Vertrieb von Compliance profitiert.

Wie können Sie laterale Führung in Compliance umsetzen?

Grundsätzlich sollten Sie die Grundsätze der lateralen Führung reflektieren und auf Ihren spezifischen Kontext anwenden. Nachfolgende Hinweise können Sie dabei unterstützen:

  • Überzeugen Sie diejenigen, die formale Macht innehaben, diese für Compliance zu nutzen. Beziehen Sie sich darauf, dass Compliance Führungskräfte z.B. gegen Klagen aufgrund Organisationsverschuldens o.ä. absichert und insgesamt dem Ansehen des Unternehmens bei Kunden, Investoren und Geschäftspartnern dient. Überzeugen Sie aber nicht nur das Top Management, sondern auch das mittlere Management.
  • Vertrauen ist ein Lernprozess, der durch wiederholte Interaktionen immer wieder bestärkt wird. Vertrauen entsteht z.B. dann, wenn ein Vertriebsmitarbeiter mit Anfragen bezüglich der Einladung von Geschäftspartnern auf Sie zukommt. Bauen Sie Vertrauen auf, indem Sie Verantwortung nicht abgeben. Entwickeln Sie eine Servicementalität und versuchen Sie, Lösungen für Probleme Ihrer Kollegen zu entwickeln, anstatt Anliegen abzuweisen.
  • Nehmen Sie die Interessen Ihrer Compliance-Risikogruppen wie z.B. im Vertrieb oder Einkauf ernst. Durch offene Kommunikation und den Austausch von Sichtweisen, können gemeinsame Perspektiven entwickelt werden. Nehmen Sie Kontakt zu diesen Gruppen auf. Lernen Sie die Interessen in Einzelgesprächen kennen oder laden Sie sich zu regelmäßigen Treffen wie z.B. Vertriebsmeetings ein, um so das gemeinsame Interesse in den Vordergrund zu rücken.
  • Wagen Sie sich auf unbekanntes Terrain. Jeder spricht gerne über die Arbeit, die er leistet. Sprechen Sie hin und wieder Ihnen bisher unbekannte Kollegen an und lassen Sie sich durch deren Prozesse führen. Begleiten Sie ihre Kollegen bei der Arbeit und lernen so deren Alltag und Herausforderungen kennen. So bauen Sie ein Netzwerk auf und stellen sich als vertrauenswürdiger Ansprechpartner dar.