Resilienz und ESG

Nachhaltiges Wirtschaften und die Resilienz von Unternehmen sind eng miteinander verbunden. Erfahren Sie in diesem Artikel, wieso die ESG-Strategie eine Kernaufgabe auch für Risikomanager ist und wie Organisationen krisenfester werden.

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat vor einiger Zeit ein Dokument im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) vorgelegt, das dazu auffordert, Indikatoren für Resilienz in die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie mit einzubeziehen. Es ging um die Frage, welche Lehren im Bereich Resilienz aus der Pandemie gezogen werden und in die Nachhaltigkeits-Governance integriert werden können. Denn wie wichtig das Thema Resilienz ist, und wie fragil Unternehmensstrukturen sein können, offenbarte sich besonders während der Pandemie. Auch die Unternehmensberatung McKinsey hat sich angesehen, welche Themen die Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen zuletzt dominiert haben. Resilienz war in der Krise das zentrale Thema. McKinsey forderte ebenfalls, dass sich Unternehmen widerstandsfähiger und nachhaltiger aufstellen müssten.

Die Begriffe Nachhaltigkeit und Resilienz verweisen auf die Fähigkeit von Systemen zur Selbstregulierung, die wiederum die Fähigkeit zur Anpassung beinhaltet. Der Sinngehalt und die Verwendung des Begriffs Resilienz differieren zwar, doch im Kern ist immer die Fähigkeit eines Systems gemeint, auf Krisen und Störungen zu reagieren, sich selbst zu erneuern, ohne sich grundlegend zu verändern. Der Begriff Nachhaltigkeit bezeichnet, was uns trägt und uns hilft, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein. Im „Deutschen Wörterbuch“ (1809) schreibt Joachim Heinrich Campe: „Nachhaltigkeit ist das, woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält.“ In abgewandelter Form erscheint diese Grundaussage im Bericht an den Club of Rome (1972). Es wurde nach einem Modell für ein Weltsystem gesucht, das „sustainable“ (nachhaltig) ist, was bedeutet, gegen den Kollaps von Gesellschaften gefeit zu sein, der auf die Übernutzung verfügbarer Ressourcen zurückgeht.

Die Anfänge einer „Resilienzrevolution“?

Statt weiter auf Fortschritt zu setzen, sollte die Widerstandsfähigkeit aller Systeme gestärkt werden, schreibt der Ökonom und Regierungsberater Jeremy Rifkin in seinem Buch „Das Zeitalter der Resilienz“. Effizienz, der „Motor der Moderne“, ist sein Leitgedanke. Je effizienter gewirtschaftet wird, desto größer sind die Schäden der Natur. Kreislaufwirtschaft und die Anpassungsfähigkeit an die Natur nehmen in seinem Buch breiten Raum ein, denn dies sei seiner Meinung nach die Grundlage für ein resilientes Wirtschaftssystem. Das „Zeitalter des Fortschritts“ sei gescheitert - jetzt geht es darum, dass wir uns der Natur anpassen. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass der Mensch selbst ein Ökosystem ist, das sich ein Leben lang erneuert. Der Ökonom ist davon überzeugt, dass wir gerade die Anfänge einer „Resilienzrevolution“ erleben.

Unternehmen stehen heute vor großen Herausforderungen wie Wettbewerbsdruck, demografischer Wandel, Energieversorgungskrise, Folgen der Globalisierung und des Klimawandels, Hackerangriffe oder neue Viren. Sie befinden sich in einer gewaltigen Transformation und werden auch beeinflusst durch immer schnellere Technologie- und Wettbewerbsvorsprünge, veränderte menschliche Bedürfnisse, fließende Übergänge von Arbeit und Leben in einer hybriden Welt sowie gesellschaftlichen und technologische Innovationen. Keines dieser Themen steht isoliert, und sämtliche Krisen interagieren und verstärken sich gegenseitig. Deshalb geht es heute vor allem darum, Risiken zu akzeptieren und informiert und richtig mit ihnen umzugehen. Organisationale Strukturen müssen deshalb so gestaltet werden, dass sie flexibel auf zukünftige Probleme reagieren können. Nachweislich sind zwar mehr als die Hälfte der Risikomanager maßgeblich an den ESG-Bemühungen ihres Unternehmens beteiligt, doch sagen 77 Prozent, dass die Risikomanagement-Funktion eine noch stärkere Rolle bei der Entwicklung und Steuerung von ESG-Strategien spielen sollte. Bislang haben allerdings nur wenige Unternehmen konkrete und messbare Maßnahmen ergriffen, um den Risiken aus ESG-Anforderungen gerecht zu werden.

Die Resilienz von Unternehmen kann Aufschluss darüber geben, wie gut und gestärkt oder geschwächt ein Unternehmen aus einer Krise geht. Bei Unternehmensbewertungen oder einer möglichen Investition sollte deshalb die Größe der Resilienz als Faktor hinzugezogen werden, da fast jedes Unternehmen kleinere oder größere Krisen bewältigen muss. Nachhaltigkeit in Unternehmen kann wiederum Risiken verringern oder herausfordernde Situationen auch als Quelle von Wettbewerbsvorteilen nutzen, wenn die Systematisierung des Managements auf Führungsebene erfolgt. Krisen fallen härter aus, wenn Staat und Gesellschaft keine Vorsorge treffen: Viele von ihnen können allerdings bewältigt und Risiken minimiert werden, wenn sie frühzeitig erkannt werden.

Resilienz als neues Geschäftsfeld

Mittlerweile erweitern verschiedene Beratungsunternehmen ihr Angebotsportfolio auch um den Aspekt der Resilienzberatung. Methodisch verbergen sich dahinter oft altbekannte Konzepte aus dem Risikomanagement. Eine Schwäche dieser Ansätze ist es hauptsächlich, dass vor allem seltene und schwerwiegende Störungen oft nicht rechtzeitig erkannt werden und unvorbereitet reagiert wird. Auch geben sie in der Regel keine Hilfestellung für notwendige Anpassungsprozesse nach Krisen. Resilienzstrategien und -konzepte können hier einen nachhaltigen Mehrwert bringen. Trotz unterschiedlicher Ansätze überschneiden sie sich mit anderen Konzepten wie „Hardiness“ (Widerstandsfähigkeit), „Coherence“ (Stimmigkeit und Zusammenhang), „Salutogenese“ oder „Mindfulness“ (Achtsamkeit). Allen Konzepten gemeinsam ist die individuelle Mitgestaltung des Lebens sowie um die bewusste Nutzung eigener Stärken und Ressourcen. Ganzheitlichen Resilienz-Strategien erfordern eine integrierte Betrachtungsweise.

Die wichtigsten Resilienz-Tipps für Unternehmen:

  • Für die richtige Kommunikation braucht es eine Analyse, Bewertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen sowie die Erstellung eines Leitfadens mit wichtigen Grundsätzen und Regeln.
  • Es sollte eine konstruktive und zukunftsorientierte Lernkultur praktiziert werden. dazu gehört auch das Thematisieren von Fehlern als Lernchancen.
  • Nachhaltigkeit ist fest in den Unternehmensstrukturen verankert.
  • Resilienz sollte nicht als statische Größe gesehen werden, weil sie aus einem prozesshaften, dynamischen Kräftespiel des Schaffens und Bewahrens von kognitiven, emotionalen, strukturellen oder auf Beziehungen gerichteten Ressourcen besteht.
  • Resilienzfaktoren wie Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Widerstandskraft müssen fest in den Organisationsstrukturen verankert sein.
  • Die Akteure von Unternehmen und Organisationen müssen lernfähig sein und Scheitern einkalkulieren.
  • Es müssen Strukturen etabliert werden, die Auswirkungen von Krisen begrenzen.
  • Es wird ein tiefgehendes Verständnis des eigenen Systems und der wechselseitigen Abhängigkeiten gegenüber Stakeholdern und anderer Faktoren benötigt. Eine Stärkung der systemischen Anpassungsfähigkeit ist nur durch eine aktive Förderung dezentraler Organisations- und Beteiligungsformen möglich.
  • Themen mit möglichem Krisenpotenzial müssen rechtzeitig eruiert werden.
  • Kernelement der Unternehmenskultur sollte ein werteorientiertes Management sein.
  • Unternehmen müssen übergreifend in die Lage versetzt werden, verfügbares Wissen über mögliche Zukünfte richtig einzuordnen und anzuwenden.

Beispiel: Resilienz bei der Neumüller Unternehmensgruppe

Auch die Neumüller Unternehmensgruppe, die auf die Rekrutierung von Fachkräften für Unternehmen spezialisiert ist, widmet sich verschiedenen Zugängen zum Thema Resilienz und verbindet bestehende Konzepte und Managementansätze. „Es ist meine Aufgabe, als Unternehmer, die Zukunft der Arbeit so zu gestalten, dass sie gegenüber Störungen stabil ist und im Gleichgewicht bleibt“, sagt Geschäftsführer Werner Neumüller. Er betont auch, dass das inhabergeführte Familienunternehmen - das ein starkes Wertesystem hat - nicht aufgibt in der Rezession. Werte geben Halt und Kraft in turbulenten Zeiten, sie sind für ihn Leitplanken, „sie helfen nach Tiefschlägen, nach dem Scheitern, in oder nach Rezessionen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Werte und deren Systeme verfallen allerdings, wenn persönliches oder unternehmerisches Gewinnstreben über andere Werte gestellt wird“, so Neumüller. Das Unternehmen ist für seine resiliente Personal- und Organisationsentwicklung sowie für das ganzheitliches Gesundheitsmanagement vielfach ausgezeichnet worden. Neumüller hat früh erkannt, dass auch die Resilienz des Einzelnen in Unternehmen eine wichtige Rolle spielt, und dafür die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.

Resiliente Menschen sind auch in schwierigen Situationen handlungsfähig. Sie können ihre Emotionen besonders schnell verändern und umdeuten – unangenehme Gefühle dauern bei ihnen nur kurz an, angenehme vermögen sie dagegen zu verstärken. Sie haben eine positive, proaktive Sicht auf die Zukunft und das Leben, haben eine ausgeprägte soziale Kompetenz sowie Problemlösungskompetenz, zeichnen sich durch Adaptabilität (Fähigkeit, sich durch Versuch und Irrtum weiterzuentwickeln), Selbstverantwortung, Mut, Optimismus und Entschlossenheit aus. Das überträgt sich auch auf das Unternehmen als Ganzes. „Wir akzeptieren die Situationen, befreien uns aus etwaigen Opferpositionen oder vermeiden diese präventiv, wir suchen lösungsorientiert nach zukünftiger Optimierung und nach neuen Chancen“, so Neumüller. Resiliente Familienunternehmen sind zwar nicht immun gegen Krisen, doch sie lernen durch entsprechende Anpassungsprozesse, auf unerwartete Ereignisse schnell und richtig zu reagieren. Die Verbindung von Resilienzstrategien und Krisen- bzw. Risikomanagement gelingt, je besser ein Unternehmen vorbereitet ist.

Klimaanpassungs- und Resilienzstrategien

Klimakatastrophen beeinträchtigen ganze Branchen, deshalb müssen sich Unternehmen auch vor den Auswirkungen von Klimarisiken schützen. Dafür muss analysiert werden, welche Auswirkungen Klimarisiken und -szenarien auf ihre Vermögensgegenstände und Wertschöpfungskette haben. Es braucht aber auch betriebliche Anpassungen (zum Beispiel eine Verlagerung der Produktionsstätten oder zusätzliche Absicherung von Gebäuden). Vor diesem Hintergrund entwickeln Regierungen weltweit nationale Anpassungspläne (NAPs), um die Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft zu reduzieren.

Nur durch enge Kollaboration aller relevanten Stakeholder können wirksame Resilienzstrategien entstehen und implementiert werden und langfristig der Wohlstand einer Region oder eines Landes gesichert werden. Investitionen in „Adaptation and Resilience (A&R)“ – Programme, die Klimawiderstandsfähigkeit und Anpassungsstrategien unterstützen, sind notwendig.