Reparaturfreundlich und fair: Nachhaltige Smartphones
„Sinn statt Gewinn“ – so lautet die Vision der Firma Shift. Firmen-Mitgründer Carsten Waldeck hatte ursprünglich die Idee, einen leichten und mobilen Kamerakran zu entwickeln, mit dem für Filmaufnahmen 360-Grad-Kameraschwenks bequem möglich waren. Drohnen waren dafür damals noch nicht brauchbar, professionelle Ausrüstung zu klobig, zu schwer und nur für große TV-Produktionsteams geeignet. Die Idee der mobilen Alternative „iCrane“ fand schnell Anklang, über Crowdfunding wurde das Projekt finanziert, man konnte sich vor Bestellungen nicht retten.
Schnell wurde klar, dass man auch einen Referenzmonitor benötigte, um die Aufnahmen zu beurteilen. Vom Display zum kompletten Mobiltelefon war es nur noch ein kleiner Schritt – der Weg zur heutigen Smartphone- und Tablet-Welt des Unternehmens war geebnet. Shift wagte sich aus der Nische und ins Haifischbecken der Smartphone-Hersteller.
Aber eines war den Firmengründern von Anfang an wichtig: Man möchte Gutes tun und dabei so wenig Schaden wie möglich anrichten. Also entwickelten sie das Konzept, Smartphones zu produzieren, die reparaturfreundlich sind und unter fairen Bedingungen hergestellt werden. Das Design sollte bewusst schlicht gehalten werden und hochwertige Technologie beinhalten, die modular aufgebaut ist, um eine langlebige und nachhaltige Alternative im Markt zu bieten.
Um diese Vision zu verwirklichen, wurde 2014 im hessischen Falkenberg die Shift GmbH gegründet. Als Familienunternehmen steht die Firma auch heute noch unter der Leitung der Gründer Carsten, Samuel und Rolf Waldeck und zählt rund 40 Mitarbeitende.
Shiftphone: Langlebigkeit als Firmenphilosophie
„Die Smartphones großer Hersteller haben viele Design-Fehler, was insbesondere Reparaturen sehr erschwert“, sagt Samuel Waldeck. Während große Hersteller die Akkus mit dem Gehäuse verkleben und zig verschiedene Schraubenarten mit unterschiedlichen Längen und Antrieben verbauen, ist dies beim Shiftphone anders. Es ist modular aufgebaut: Das ab Oktober verfügbare Shiftphone 8 beispielsweise bietet 18 austauschbare Module, unter anderem Kameramodul, Display, Sensoren, Subplatine, Lautsprecher und Akku. Ist ein Modul defekt, kann es mit Hilfe eines beiliegenden Schraubendrehers selbst ausgetauscht werden. In allen Geräten wird nur eine Schraubenart verwendet.
„Je länger es genutzt wird, desto stärker ist die Nachhaltigkeit des Gerätes. Und deshalb ist es wichtig, Geräte zu bauen, die modular sind“, sagt Waldeck. Wichtig ist ihm dabei zu betonen, dass man sich bei der Modularität auf die Reparierbarkeit fokussiert. „Es geht nicht darum neue High-Tech-Funktionen nachrüstbar zu machen und Konsum anzufeuern, sondern die Lebensdauer eines Gerätes zu verlängern.“
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Element der Firmenphilosophie. Auf viele Geräte wird beispielsweise ein Pfand erhoben. Werden alte Geräte zurückgegeben, wird das Pfand erstattet und das Material sortenrein recycelt. Das wird möglich, da die Kunststoffteile aus einem einheitlichen Material bestehen, das über Gerätereihen hinweg genutzt wird, damit es recycelbar ist. Die einzelnen Module der zurückgegebene Altgeräte – beispielsweise die Kameramodule – werden vom Unternehmen gesammelt und einem speziellen Recycling-Dienstleister übergeben, der auf solche Baugruppen spezialisiert ist. Ebenso möglich: ein altes Gerät zurückgeben und auf ein neues upgraden.
Nachhaltigkeit der Lieferkette als Herausforderung
Neben der Langlebigkeit schauen an Nachhaltigkeit interessierte Verbraucher heutzutage auch auf soziale Aspekte, insbesondere in der Lieferkette. Die Lieferkette ist das Herzstück jedes nachhaltigen Produkts, da sie in jeder Phase – von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis hin zum Vertrieb – die ökologischen und sozialen Auswirkungen bestimmt. „In der heutigen globalisierten Wirtschaft sind Lieferketten unglaublich komplex und umfassen oft Dutzende von Ländern auf verschiedenen Kontinenten und mehrere Lieferantenebenen, was erhebliche Herausforderungen hinsichtlich der Transparenz mit sich bringt“, erläutert Mariana Rezende, Beraterin und Expertin bei der Löning. Die Managementberatung hat ihren Fokus neben ökologischer Nachhaltigkeit insbesondere auf sozialen Themen; der Schwerpunkt liegt dabei auf der Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette.
Die meisten Unternehmen haben laut Rezende vor allem Schwierigkeiten, Praktiken über ihre direkten Lieferanten hinaus zu verfolgen, was die Überprüfung und Kontrolle nachhaltiger Praktiken im gesamten Netzwerk erschwert. „Das Streben nach Transparenz in wichtigen, risikoreichen Lieferketten ist für eine nachhaltige Produktion unerlässlich, damit auch Kund:innen genau informiert werden können“, sagt Rezende.
Die komplexe Lieferkette stellt auch Shift vor Herausforderungen – insbesondere, weil die eigene Marktmacht gering ist. Viele Zulieferer wissen selbst nicht, woher ihre Rohstoffe stammen. Daher setzt man auf langfristige Beziehungen, um Vertrauen und Transparenz aufzubauen. Dafür hat das Unternehmen eine spezielle Strategie entwickelt: Die Umarmung der Lieferkette. „Unser Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, indem wir langfristige Beziehungen zu Lieferanten und Partnern aufbauen“, sagt Waldeck. Man habe die Erfahrung gesammelt, dass Partner – sobald sie bemerken, dass es sich um eine langfristige Geschäftsbeziehung und nicht um einen einzelnen Projektauftrag handelt – schneller bereit sind, Dinge offenzulegen.
Um die Herkunft kritischer Rohstoffe möglichst gut abzusichern, ist Shift zusätzlich in internationalen Gremien wie dem European Partnership for Responsible Minerals aktiv und setzt auf Kompensationsmodelle: Für die ersten 8.000 Smartphones seiner neuen Serie hat das Unternehmen beispielsweise Gold in Form von Goldcredits erworben. Damit wird der verantwortungsvolle Abbau von Gold im Kleinbergbau in Geita in Tansania unterstützt. „Wir unterstützen kleine Minen, die im Aufbau oder auf dem Weg sind, faire Minen zu werden“, erläutert Waldeck.
Das Responsible Gold Credit Projekt soll es der Bergbau-Community in Geita ermöglichen, Investitionen zu tätigen, die aus dem laufenden Betrieb heraus nur eingeschränkt möglich wären. Die Community wird dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt, sich in Richtung eines nachhaltigen Abbaus zu entwickeln. Denn oft haben Bergbau-Communities nicht den finanziellen Spielraum, um Kredite aufzunehmen und angedachte Maßnahmen direkt umzusetzen.
Made in China, im lichtdurchfluteten Großraumbüro
Während die Lieferketten unter Nachhaltigkeits-Aspekten eine Herausforderung bleiben, ist die faire Produktion für Shift deutlich einfacher. Gefertigt werden die Geräte in China – allerdings nicht aus finanziellen, sondern ganz pragmatischen Gründen. „Es gibt in Europa keine Infrastruktur, um Smartphones herzustellen“, sagt Waldeck. Auch alle benötigten Rohstoffe und Komponenten befinden sich in China. Daher war es naheliegend, die Smartphones auch dort herzustellen. Produziert wird allerdings nicht in einer sterilen Fabrikhalle. Umgeben von Pflanzen und vor einer großen Fensterfront setzen zehn Mitarbeitende die angelieferten Module in einem Büro-Ambiente zusammen. Reinräume werden dafür nicht benötigt und auch der Lohn für diese Mitarbeiter ist deutlich höher als für „normale“ Fabrikarbeiter in China.
Allerdings birgt eine Produktion in China auch Risiken. Die Corona-Pandemie und die sehr strengen Lockdowns in China erschwerten die Produktion, die Entwicklungsprozesse verlangsamten sich und es kam zu Verzögerungen. Anschließend sorgten der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Inflation spürbar dafür, dass Konsumenten nicht mehr so viel Geld in der Tasche hatten. Auch das Thema Nachhaltigkeit schien jüngst etwas in Vergessenheit zu geraten, da es immer öfter hinterfragt wird.
Seit 2024 steigt der Umsatz bei Shift allerdings wieder. „Wir erfahren großen Zuspruch, insbesondere auf Messen und Veranstaltungen“, sagt Waldeck. Mit ein paar Handgriffen das Display oder den Akku auswechseln zu können, begeistere Menschen nach wie vor. Aktuell diversifiziert Shift sein Angebot und bietet mittlerweile auch Tablets und Kopfhörer an – zuzüglich Pfand und mit dem gleichen Anspruch auf Langlebigkeit und Recylingfähigkeit wie bei seinen Smartphones.
Nachhaltigkeit sollte zum Business Case für alle werden
Damit auch andere Firmen ermuntert werden, langlebigere und nachhaltigere Produkte herzustellen, ist auch der Gesetzgeber gefordert. „Rechtlich sind Anreize zu schaffen“, sagt Rezende von Löning. Insbesondere die CSRD ist der Expertin zufolge ein wichtiger Schritt, da somit Unternehmen Voraussetzungen erfüllen müssen, um Kredite zu erhalten oder bewertet zu werden. Die EU-Taxonomie verstärke diesen Effekt zusätzlich, da sie nachhaltige Geschäftsmodelle finanziell attraktiver mache. Gleichzeitig sei die Lieferkettengesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene relevant, um ein „Level Playing Field“ für die Unternehmen zu schaffen – sie hebt das Niveau auf bewährte Praktiken an, anstatt einen Wettlauf nach unten zu fördern, bei dem Nachzügler einen Vorteil erhalten.
Die Herstellung nachhaltiger Produkte muss laut Rezende aber jenseits der Compliance ein Business Case für Unternehmen sein. „Es muss in ihrem langfristigen Interesse liegen, dass sie in Nachhaltigkeit investieren“, sagt die Expertin. Bei Shift wird dieses Interesse längst gelebt – und es ist nicht monetär getrieben, sondern bereits in der Firmen-DNA verankert. Andere Anbieter haben hier noch Nachholbedarf.
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