Grundannahmen bestimmen unser Leben, und zwar oft ohne dass uns das bewusst ist. Grundannahmen sind verinnerlichte Überzeugungen, die wir auf Basis von Erfahrungen gebildet oder von anderen Menschen übernommen haben. Es sind quasi die Axiome, auf denen unsere Modellierung der Welt beruht. Das ist sowohl praktisch als auch gefährlich, je nachdem, mit welchen Grundannahmen wir unterwegs sind.

Vermutlich kennen wir alle Menschen, die mit einer sehr misstrauischen Haltung unterwegs sind, und die dann auch regelmäßig erleben, dass ihr Misstrauen berechtigt ist. Umgekehrt gilt das auch: Wer davon überzeugt ist, dass die Mitmenschen grundsätzlich hilfsbereit und unterstützend sind, wird auch oft diese Unterstützung erfahren. Das liegt daran, dass unser Gehirn Kongruenz mit der eigenen Modellierung der Welt herstellen möchte und daher die Wahrnehmungen entsprechend filtert und die Fakten "passend" interpretiert.

Generell gilt: Ob jemand glaubt, dass etwas möglich oder nicht möglich ist, er oder sie wird höchstwahrscheinlich Recht behalten – das Phänomen der "self-fulfilling prophecy".

Auch im Projekt- oder Führungsumfeld haben Grundannahmen daher erhebliche Auswirkungen. Zwei zielführende Grundannahmen und deren Auswirkungen sollen hier näher beleuchtet werden.

2.3.1 Jeder tut sein Bestes

Wenn Führungskräfte mit diesem Satz konfrontiert werden, löst das oft erstmal Widerstände aus. Fast jeder hat ein Erlebnis parat, was dieser Aussage zu widersprechen scheint, weil eine Person eben gerade nicht das getan hat, was als "das Beste" gesehen wird. Wenn bspw. ein Projektmitarbeiter mit der Erledigung eines Arbeitspakets in Verzug gerät, scheint er zunächst einmal nicht "das Beste" zu tun. Dennoch eröffnet die Grundannahme "jeder tut sein Bestes" neue Optionen, die Situation zu verstehen und aufzulösen. Wenn der Projektmitarbeiter nämlich sein Bestes getan hat, wenn er also grundsätzlich eine gute Absicht hatte, dann muss es andere Gründe geben, warum er in Verzug ist. Vielleicht hat sich das Arbeitspaket als umfangreicher herausgestellt als geplant, vielleicht gab es Störungen von außerhalb des Projekts, vielleicht fehlt ihm die nötige Kompetenz oder Erfahrung, und vielleicht hat er auch keine persönliche Verbindung zum Projektziel und dem Sinn, sodass er seine persönlichen Prioritäten anders gesetzt hat. Der Fokus verlagert sich also von einer Wertung der Person weg und hin zu einer Untersuchung der Rand- und Rahmenbedingungen, und damit auch zu der Fragestellung, was der Projektmitarbeiter an Unterstützung braucht bzw. welche Rahmenbedingungen geändert werden sollten.

2.3.2 Jeder führt sich selbst in voller Verantwortung

Auch diese Aussage führt oft zu Widerständen, gerade bei Führungskräften, deren Aufgabe es ja gerade ist, andere Menschen zu führen. Wie passt das mit "jeder führt sich selbst" zusammen?

Führung versteht sich als direkte und indirekte Verhaltensbeeinflussung von Menschen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Art der Beeinflussung ist dabei breit gefächert und reicht von direkter Anordnung bis hin zu indirekten und systemischen Randbedingungen. Selbst eine direkte Anordnung ("Herr Müller, bringen Sie mir Akte X!") lässt dem Mitarbeiter immer noch den Freiraum (und damit auch die Verantwortung für sich selbst), dieser Anordnung Folge zu leisten oder nicht – oder auch, in welcher Form er die Anordnung befolgt. Je vielfältiger und anspruchsvoller die Tätigkeiten sind, desto größer ist der Freiraum und der Verantwortungsbereich bzw. Einfluss der Mitarbeiter. Und desto größer sind dementsprechend auch die Auswirkungen von Verhalten wie "Dienst nach Vorschrift". Um es pointiert zu formulieren: Weisungsbefugnis auszuüben und auf nebenwirkungsfreie Umsetzung zu hoffen, ist oft eher ein Akt der Verzweiflung.

Die Grundannahme "jeder führt sich selbst in voller Verantwortung" gesteht den Mitarbeitern den Freiraum zu, für sich selbst zu entscheiden, wie sie mit der jeweiligen Situation umgehen. Sie werden damit automatisch auch in die Verantwortung für ihr eigenes Verhalten genommen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass Anarchie einziehen wird, im Gegenteil. Ein guter Ansatz ist es, wenn Führungskraft und Teammitglieder ein gemeinsames Verständnis entwickeln, welche Themen oder Arbeitsbereiche in welcher Delegationsstufe bearbeitet werden und damit Transparenz und Verantwortung bei allen Beteiligten stärken. Für eine konkrete Umsetzung bietet sich das Delegation Board[1] aus dem Ansatz Management 3.0 an.

Menschen haben typischerweise ein sehr gutes Gespür dafür, wie sie von ihrem Gegenüber gesehen werden. Selbst wenn die Führungskraft es nicht formal ausspricht, werden Projektmitarbeiter es spüren, ob sie persönlich bewertet und in ihrer Verantwortung beschnitten werden oder ob ihre Intentionen unabhängig von den Ergebnissen gewürdigt und sie in ihrer Verantwortung wahrgenommen werden.

Grundannahmen sind für Menschen und Organisationen das Phänomen, dass sich am nachhaltigsten (wenn auch nicht am schnellsten) auf Ergebnisse auswirkt.

Wie lassen sich existierende Grundannahmen verändern und neue implement...

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